Nil Yalter vor dem Ergebnis ihrer Plakat-Aktion in der Vietorstraße, Köln Kalk, 2018 | © Nil Yalter, Foto: Henning Krause,

Längst fällige Wiederentdeckung

Die ägyptische Künstlerin Nil Yalter wird mit einer Ausstellung im Museum Ludwig gewürdigt.

Das Unwort des Jahres 2018 heißt »Asyltourismus«. Als wolle sie dem menschenverachtenden Bild von der Flucht über das Mittelmeer als Kreuzfahrt mit Piña Coladas etwas entgegensetzen, hat die Künstlerin Nil Yalter — geboren in Kairo, aufgewachsen in Istanbul, zu Hause in Paris — einen Slogan in Kölns öffentlichem Raum platziert. Exile Is A Hard Job — »Exil ist harte Arbeit« schrieb sie auf unangemeldet geklebte Plakate mit Fotos türkischer Einwanderer aus den 70er Jahren in Deutsch, Türkisch, Arabisch, Russisch oder Polnisch. Je nach dem, welche Sprache im jeweiligen Veedel vorrangig gesprochen wird. Sogar an der Außenwand des Museum Ludwig, das der 1938 geborenen Künstlerin die erste große Ausstellung in Deutschland ausrichtet, klebten die Poster einige Tage, bis das Ordnungsamt einschritt.

 

Nil Yalter ist Aktivistin, Feministin, Videopionierin, Malerin, Kostümbildnerin und autodidaktische Anthropologin. Unermüdlich nutzt sie ihre vielfältigen künstlerischen Mittel, um marginalisierte Gruppen, vor allem unter den Frauen, sichtbar und hörbar zu machen. Das Kernstück der Ausstellung im Museum Ludwig ist die Arbeit »Topak Ev« (türkisch für »rundes Haus«) von 1973, eine Jurte aus grauem Filz, wie Yalter sie bei einer Reise zu Nomadenvölkern in Anatolien vorfand. Versehen mit Textfragmenten und Artefakten aus Leder und Stoff, gefundenen Materialien und Fotografien öffnet Yalter mit dem Rundzelt den Blick auf die kaum zugängliche Lebenswelt nomadischer Frauen, ihr Hoheitsgebiet und Gefängnis zugleich.

 

Für manche Besucher*innen mag der Anblick des Werkes Erinnerungen wecken — 1974 war das Zelt schon einmal in Köln zu sehen, als Teil der wegweisenden Ausstellungen »Projekt ’74« in der Kunsthalle. »Ich war wahrscheinlich die unbekannteste Künstlerin, aber für mich war es eine großartige Gelegenheit, vor allem, weil ich eine der zehn Frauen unter den über 100 Künstlern war«, erinnert sich Yalter im Katalog. Die Ausstellung zeigt Yalters Weg von radikal abstrakter Malerei zu ersten feministischen Videoperformances bis hin zu multi-medialen politisch-soziologischen Collagen. Eine überfällige Wiederentdeckung. 

 

Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, Di–So 10–18 Uhr, am 1. Do im Monat 10–22 Uhr, 9.3.–2.6.

Zu der Ausstellung erscheint auch ein Katalog.