Auf Heimatkurs: Sevgi Demirkaya vom Kulturbunker Mülheim, Foto: Eva Rusch

Unsere schöne Mülheimat

Das »Heimatministerium« im Kulturbunker zeigt Mülheim als von Migration geprägten Stadtteil

 

Heimatministerium — das sei natürlich eine Reaktion auf Horst Seehofer und seinen Exklusivitätsanspruch, sagt Sevgi Demirkaya. Demirkaya ist Programmdirektorin vom Kulturbunker Mülheim an Berliner Straße. »Wir wollen zeigen, dass Mülheim Heimat für viele ist.« Mit ihrem auf drei Jahre angelegten Projekt »Heimatministerium« will sie das soziokulturelle Zentrum neu positionieren. In den Nullerjahren war das (Elektronik-) Musikprogramm des Kulturbunkers zwar von der Szene geschätzt, fand aber etwas abgekoppelt vom Stadtteil statt. Mülheimer Migranten war der Ort kaum ein Begriff.

 

Das »Heimatministerium« will jetzt direkt im Veedel ansetzen. Gemeinsam mit den verschiedenen Communities hat Demirkaya ein Programm in drei Kapiteln entwickelt.  »Heimatgeschichte(n)!« ist ein Rückblick auf die reiche Migrationsgeschichte Mülheims, die vor allem von der Arbeitsmigration im Gefolge der Anwerbeabkommen geprägt ist. »Heimat jetzt!« soll danach als Bestandsaufnahme auch bislang weniger sichtbaren Gruppen und Aspekten Raum geben. In »Heimat, los!«, dem dritten Teil, sollen Visionen und Utopien einer kommenden offenen Stadtgesellschaft für ganz Köln formuliert werden. Die Zeit dafür ist schon länger reif. Mülheim, früher nur von Insidern für seinen rauen Charme geschätzt, ist durch den Zuzug von Studierenden und jungen Familien sowie die Ansiedlung von kleineren Medienbetrieben, die hier noch bezahlbare Wohn- oder Büroräume finden, offener geworden. Kultur-Events wie die Mülheimer Nacht und die Außenspielstätte des Schauspielhauses brachten linksrheinische Kulturtouristen in den Stadtteil. Das Schauspiel hat sich auch in seinem Programm am Stadtteil orientiert und kooperierte etwa mit der Initiative »Keupstraße ist überall«.

 

Natürlich gibt es immer noch Gesprächs- und auch Übersetzungsbedarf: Migranten zögerten lange, ihre als »folkloristisch« denunzierte Kultur und Musik gleichwertig neben anderen zu präsentieren. Inzwischen haben sie mehr Selbstvertrauen entwickelt. Das »Heimatministerium« soll sie alle ansprechen: die türkischen und kurdischen Communities, die ja sprichwörtlich für das Mülheimer »Multikulti«-Flair sind, die weiteren »Gastarbeiter« — Italiener, Marokkaner, Griechen, Portugiesen, die seit den 50er Jahren in der Deutzer und Mülheimer Großindustrie arbeiteten. Die Russen, aber auch die afrikanischen Communities, die sehr aktiv, doch noch nicht richtig sichtbar sind; und natürlich auch die Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und Eritrea.

 

Mitte März öffnet das Heimatministerium seine Türen, gerahmt von Konzerten und einem Werkstattgespräch mit Sefa Suvak vom Audiomigrationsarchiv. Eine App soll die Migrationsgeschichte Mülheims erfahrbar machen; kritische Debatten sind erwünscht. Damit betritt auch eine alternative Spielstätte wie der Mülheimer Kulturbunker Neuland: Programmleiterin Sevgi Demirkaya ist nach 25 Jahren die erste Migrantin im Vorstand. Auch für sie ist Mülheim mittlerweile Heimat. Seit 2000 wohnt sie dort, hat sich aber wie so viele lange ins Linksrheinische orientiert. Erst nach der Geburt ihres Sohnes hat sie sich den Stadtteil zu eigen gemacht. Heimat braucht eben Zeit. Eva Rusch, Vorstandsmitglied seit November 2018 und verantwortlich für den grafischen Auftritt des Heimatministeriums, steuert einen weiteren Aspekt bei: 10.000 neue Binnenmigranten werden sich demnächst in Neubaugebieten wie dem Mülheimer Süden ansiedeln. Auch sie werden zunächst als »Fremde« empfunden werden, wenn man sie — kinderreich mit SUVs und Buggies — beim Shoppen beobachtet. Irgendwann sind sie dann Teil der Mülheimer Veedelsgemeinschaft. Auch sie sind willkommen.