Kölsch Kültür – Teil 2

Unterwegs zu anderen Geschichten

 

Am 30. April feiert Nedim Hazar gemeinsam mit Klaus Mages und Alessandro ­Palmitessa als Die Mampen in der Volksbühne am Rudolfplatz Premiere. Ein Projekt, bei dem sich Theater, Kabarett, Musik und Geschichte zu einer collagenhaften Revue vermischen. Auch Hazars Sohn Eko Fresh wird bei der Premiere als Special Guest dabei sein

 

 

Herr Hazar, wie kam es zu der Musikrevue Die Mampen?

 

Nedim Hazar: Dieses Projekt ist eine musikalische Reise. Es erzählt die Geschichten von Musikern und Liedern im Transit. Unglaubliche aber wahre Geschichten, teils urkomisch, teils zum Weinen, wie die von Harry Belafonte. Belafonte hatte einmal einen Auftritt in einem riesigen Theater und seine Band trommelte ihn herein. Allerdings war vorgesehen, dass er über das Foyer die Bühne betritt. Der Saal war vollbesetzt und alle erwarteten ihn. Das Problem war nur, dass er vor der Tür stand, weil der Türsteher ihm als Schwarzen den Zutritt verweigerte. In unserer Revue erzählen wir solche Geschichten unter der Überschrift des jüdischen Wortes »Mampen«, ein Begriff, der auf Coco Schumann zurückgeht und Kinder aus deutsch-jüdischen Ehen bezeichnet.

 

Eko Fresh, Sie sind ein bundesweit erfolgreicher HipHop-Künstler. Gibt es in Ihrer Arbeit Momente, wo Sie sich durch das Werk Ihres Vaters haben inspirieren lassen?

 

Eko Fresh: Auf jeden Fall. Mein bekanntester Song »Köln Kalk Ehrenmord« geht auf den Titel »Max und Gülistan« zurück — ein Lied, das mein Vater in den 80er Jahren geschrieben hat. Dort gibt es ein Happy End und Max und Gülistan brennen zusammen durch, um ihr eigenes Leben zu leben. Bei mir endet die Geschichte tragisch, die beiden werden erschossen. Der Song und das Video waren unglaublich erfolgreich und haben dazu geführt, dass viele Menschen sich mit dem Thema Ehrenmord auseinandergesetzt haben.

 

Hazar: Es gibt zu meinem Song einen Videoclip, der irgendwo in den Archiven des WDR liegt. Dort spielt Ekos Mutter die Gülistan und Heinz Kloss, ein Schauspielerfreund von mir, den Max. Inspiriert war der Song aber davon, wie Ekrems Mutter und ich uns kennen gelernt haben. Denn da sind auch verschiedene Welten aufeinandergetroffen. Ich war zwar nicht der Deutsche, dafür aber der verrückte Künstler.

 

 

Eko Fresh, obwohl Ihr Vater selbst Künstler ist, war er zunächst skeptisch, als Sie Ihre Karriere als Rapper starteten. Wie erklären Sie sich das?

 

Eko Fresh: 2002 kamen meine ersten Releases, das war für mich eine große Sache. Ich war 17 Jahre alt, ging noch zur Schule und mein kleines Underground-Video lief plötzlich auf Fett-MTV. Als ich einen Major-Deal in der Tasche hatte, brach ich die Schule ab und wollte nach Berlin gehen. Das war für viele Leute aus meinem Umfeld unbegreiflich.

 

Hazar: Einer davon war ich. Ich wollte, dass Eko sein Abitur macht und nicht alles hinschmeißt. Ich hatte die andere Seite der Kulturindustrie schon erlebt und wusste, dass das schiefgehen kann und was es bedeutet, wenn man seine Ausbildung abbricht. Heute weiß ich, dass ich das falsch eingeschätzt habe. Es gab sogar mal eine Situation, da brauchte ich für einen Kurzfilm einen Rapper und habe dann jemanden genommen, der mit Rap nichts zu tun hatte, Eko spielte nur als Statist mit.

 

 

Dabei haben Sie selbst schon 1991 gerappt. Das Stück hieß »Ali Rap«. Wie kam es dazu?

 

Hazar: Wir sind an den Ali-Rap intellektuell herangegangen. Wir haben in den 80er und 90er Jahren den Rassismus gegen Türken in Deutschland gesehen und auf der anderen Seite den Rassismus gegen Schwarze in den USA und so dachten wir, dass Rap ein passendes Stilmittel sei. Als deutsch-türkische Band hatten wir damals ein sehr gemischtes Publikum. Es kamen Kurden, Türken, Aleviten und Deutsche zu unseren Konzerten. Das war bei Cem Karaca und anderen Exilanten ähnlich. Der Musikmarkt war noch nicht so segmentiert wie heute. Diese Spaltung hat sich parallel zur Entwicklung in der Türkei vollzogen.

 

Eko Fresh: Wenn Nedim Auftritte mit seiner Band Yarinistan hatte, spielten sie den Ali-Rap. Mir gefiel das, weil es modern klang. Zum Rappen hat mich allerdings die amerikanische Kultur gebracht — vor allem die West-Coast-Sachen, die Anfang der 90er Jahre in den Charts waren.

 

 

Ihr Vater beschreibt die türkische Musikszene in Deutschland als ethnisch-politisch gespalten. Erleben Sie dies auch in der HipHop-Kultur?

 

Eko Fresh: Nein, in der HipHop-Szene spielen Herkunft und politische Gesinnung nicht eine solch große Rolle, dass sich Parallelszenen entwickeln. Da kommen die Leute zusammen, die einfach Lust auf die Musik haben. Heutzutage rappen auch viele Osteuropäer wie Olexesh oder Capital Bra, die sehen sich aber vor allem als Kanakz. Ich habe selbst schon früh angefangen, kleine Passagen in meine Texte einzubauen, die Bezug auf das Leben der Migrantenkids nehmen. Ich bin mir aber sicher, dass ich Erfolg habe, weil ich gut rappe und nicht, weil ich der Türke bin, der rappt. Trotzdem fühlen sich viele Deutschtürken durch mich repräsentiert. Dazu passt ja auch, dass ich 2006 mein eigenes Label German Dream nannte.

 

Humanismus und Staatsbürgerschaft sind für Sie beide wichtige Bezugspunkte. Woher rührt das?  

 

Hazar: Dazu gibt es eine Geschichte. Als ich die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen wollte, bat mich die zuständige Beamtin beim Bürgeramt einen Aufsatz zu schreiben. Thema sollte sein, warum ich Deutscher werden möchte. Daraufhin habe ich mir den Kopf zermürbt. Am Ende erörterte ich handschriftlich sieben Seiten zu Fragen von Verfassungspatriotismus und Habermas. Als die Beamtin das sah, sagte sie: »Ach, das wäre gar nicht nötig gewesen. Ich wollte doch nur wissen, ob sie auf Deutsch schreiben können.« Das ist die Bürokratie in Deutschland. Doch die Demokratie in diesem Land schätze ich sehr.

 

Eko Fresh: Ich bin davon überzeugt, dass das deutsche Grundgesetz eine großartige Sache ist. Mein Vater und ich sind beide Fans und Verteidiger dieser Verfassung. Außerdem ist für mich Köln als Stadt sehr wichtig. Ich habe viel über Köln und mein Viertel gerappt. Viele Kölner Kanakz lieben Karnevalsmusik und singen Brings oder Höhner
mit — diese Extraidentifikation mit der Region bringt die Menschen näher zusammen, das findet man nur in wenigen Städten. 

 

Hazar: Ich habe über zwanzig Jahre in Köln gelebt. Dann verließ ich aus privaten Gründen die Stadt und arbeitete in der Türkei als Regisseur beim Sender NTV. Dort konnte ich Dokumentationen drehen, die zu Prime-Zeiten liefen und Millionen von Zuschauern erreichten. Damals konnte ich alles, was mich interessierte, unterbringen — das war in Deutschland anders, da war ich auf die Migranten-Themen abonniert. Allerdings war 2013 Schluss mit meiner journalistischen Freiheit in der Türkei , vor kurzem mussten meine Frau und ich das Land aus politischen Gründen verlassen. Heute ist meine neue Erfahrung, dass ich hier mit einer politischen Revue wie den Mampen Aufmerksamkeit bekomme und etwas erreichen kann. Das ist der German Dream, den ich mit meinem Sohn teile.

 

 

 

Über die Autoren:

Die HipHop-Chronisten Murat Güngör und Hannes Loh beschäftigen sich seit 20 Jahren mit -Migration, HipHop und Empower-ment. Mit ihrer multimedialen Lesung »Vom Gastarbeiter zum Gangsta-Rapper?« sind die beiden ehemaligen Rapper und Buchautoren aktuell in vielen deutschen Städten unterwegs.

 

Weitere Informationen unter muratundhannes.de