The Sisters Brothers

Jacques Audiard (»Dheepan«) verblüfft mit einem originellen Western

Nachdem der Western seine »klassische« Phase absolviert hatte, wurde die Darstellung seiner Hauptfiguren immer zwiespältiger und distanzierter. Die Revolverhelden von einst gerieten in den Filmen der 60er und 70er Jahre zunehmend zu Witzfiguren oder Psychokillern. Doch zugleich boten alte Genremythen auch Gelegenheit zu lyrischem Subjektivismus, der die Protagonisten als kauzige Träumer erscheinen ließ. 

 

Die eigentliche Hauptfigur von »The Sisters Brothers« vereinigt all diese Gegensätze in sich: Eli Sisters ist ein Berufsmörder, dessen Kaltblütigkeit aus Kindheitstraumata herrührt, die er offenbar unwesentlich besser verarbeitet hat als Charlie, sein durchgeknallter Bruder und Kollege. Dennoch träumt Eli von häuslichem Familienglück, womit er — abgesehen davon, dass er ein Pechvogel ist — Charlie reichlich Gelegenheit zum Spott bietet. 

 

Wenn es darauf ankommt, kann dieser Mann aber bei jeder Schießerei bestehen — daran lässt Regisseur Jacques Audiard (»Dheepan«) keinen Zweifel. Der Franzose wählt allerdings eine Inszenierung, die die Schießkünste von Eli und Charlie mehr erahnen als sehen lässt. Das Dämmerlicht, das in der Anfangsszene nur von Mündungsfeuern aufgehellt wird, ist wiederum bezeichnend für die reizvolle Unbestimmtheit, die der Erzählton und die perspektive bis zuletzt behalten. Das ist ein Grund, warum »The Sisters Brothers«, trotz unvermeidlicher Anklänge an New-Hollywood-Filme und Italo-Western, verblüffend originell wirkt. Dazu passt, dass Audiard formale Akzente, etwa gelegentliche Irisblenden, einfach nach Lust und Laune setzt. 

 

Die mäandernde Handlung lässt Eli und Charlie durch Oregon und Kalifornien streifen. Zu Zeiten des Goldrausches suchen sie dort einen Chemiker namens Hermann, der ihren Auftraggeber, den ominösen »Commodore«, angeblich bestohlen hat. Hermann hat sich derweil auf einem Siedlertreck mit dem Privatdetektiv John angefreundet, der ihn eigentlich für den Commodore beschatten soll. 

 

Der amerikanische Westen der frühen 1850er Jahre (für den hier Drehorte in Spanien und Rumänien einstehen) erscheint dabei als Ort der schillerndsten Gegensätze: Der Schlamm von Goldgräberstädten, die über Nacht aus dem Nichts entstehen, wird mit dem kuriosen Luxus eines Klosetts mit Wasserspülung in einem Nobelhotel in San Francisco kontrastiert. Zwar herrschen an der Zivilisationsgrenze mörderische Autokraten wie der Commodore. Doch Leute wie Hermann schmieden Pläne für frühsozialistische Mustersiedlungen, die einen Moment lang sogar auf Soziopathen zähmend wirken.

 

 

The Sisters Brothers (dto) F/E/RUM/USA/B 2018, R: Jacques Audiard, D: Joaquin Phoenix, John C. Reilly, Jake Gyllenhaal, 121 Min. Start: 7.3.