»Van Gogh«

Julian Schnabel zeigt Fragmente aus dem Leben des visionären Künstlers

Ein Maler macht einen Film über einen Maler. Julian Schnabel, Künstler und Regisseur von »Basquiat«, »Before Night Falls« und »Schmetterling und Taucherglocke«, interessiert sich zumeist für die Menschen in seinen Filmen, für das, was sie umtreibt. Van Goghs verzehrendes Fieber für das Malen hat Schnabel staunen lassen: Wer war dieser Mann? Wie hat er gelebt? Der Regisseur weiß um die populäre Wahrnehmung van Goghs als gequältem Künstler, arm, verkannt, vielleicht verrückt. Darum vermeidet er die bekannten Klischees, nicht einmal das Abschneiden des Ohres zeigt er, nur den großen Verband um den Kopf. So kreiert Schnabel eine ganz eigene Vision dieses Mannes und zeigt ihn schwankend zwischen naiver Liebe für die Menschen und einsamer Unzufriedenheit.

 

»At Eternity’s Gate«, so der Originaltitel, ist keine filmische Biografie. Es ist ein Drama der Eindrücke, der Momente, der hingeworfenen Fragmente. Schnabel zeigt van Gogh als verfolgte Seele, im Kampf mit seinen psychischen Problemen, in Opposition zu seinen Mitmenschen, vor allem aber als asketischen Künstler, der einfach malen muss. Allenfalls lassen sich soziale Fixpunkte bestimmen, Menschen, die für ihn und sein künstlerisches Schaffen wichtig sind. Es beginnt in Paris, wo van Gogh in einem Restaurant eine Gruppenausstellung mit Kollegen geplant hat. Doch die anderen lassen ihn im Stich, und darum hängen nur van Goghs Bilder an der dunklen Wand. Immerhin lernt er hier Paul Gauguin kennen, sie werden Freunde, er rät ihm, in den Süden zu gehen. Und so zieht van Gogh, finanziell unterstützt von seinem Bruder Theo, nach Arles, dorthin, wo das Licht ist. Er streift durch die Felder und lässt sich von der Natur inspirieren. Nicht jedem gefällt das, die Dorfbewohner begegnen ihm feindselig, einmal belästigt ihn eine Schulklasse auf einer Anhöhe. Jetzt häufen sich Unschärfen, die sich wie ein Lineal durch die untere Bildhälfte ziehen. Van Gogh wiederholt Sätze, als habe er Stimmen im Kopf, als verfolgten ihn unsichtbare Dämonen.

 

Willem Dafoe spielt van Gogh mit bewundernswerter Intensität und Ausdrucksstärke. Seine unruhigen Augen strahlen, das von tiefen Falten zerfurchte Gesicht bebt, die Hände mischen hastig die Farben und tragen sie kräftig, mit dickem Strich auf. Dafoe hat für diesen Film zu malen gelernt, so, wie van Gogh es tat, ohne Rücksicht auf Konventionen, nur seiner Vision folgend. So lässt Dafoe vor unseren Augen die Farben auf der Leinwand leuchten, während seine brüchige, tiefe Stimme ihm eine verzweifelte Bestimmtheit verleiht. Was für eine Leistung!

 

 

Van Gogh — An der Schwelle zur Ewigkeit (At Eternity’s Gate) USA/GB/F u.a. 2018, R: Julian Schnabel, D: Willem Dafoe, Oscar Isaac, Rupert Friend, 111 Min. Start: 18.4.