»Attacked by art«

Die Temporary Gallery soll noch interna­tionaler und radikaler werden: Die neue Leiterin Aneta Rostkowska im Interview

Frau Rostkowska, Sie haben in Krakau Wirtschaftswissenschaften und Philosophie studiert. Wie kamen Sie als Kuratorin für zeitgenössische Kunst nach Köln?

 


Nach dem Niedergang des Kommunismus wurde in Krakau nach einer neuen Agenda für Kunst im öffentlichen Raum gesucht. Die meisten Vorschläge für neue Monumente waren grauenhaft, aber die Diskussion zwischen Kunst und Gesellschaft hat mich interessiert und dazu gebracht, über die Anforderungen an das zeitgenössische Denkmal nachzudenken. Ich habe mich damals viel mit Thomas Hirschhorns »Gramsci Monument« beschäftigt, das eigentlich ein Kulturzentrum und Nachbarschaftsprojekt war. Ich fand Kunst schon immer dann gut, wenn sie sowohl sinnlich als auch intellektuell wirkt, deshalb habe ich die Arbeit von David Riff und Ekaterina Degot bewundert und mich in Köln bei der Akademie der Künste der Welt beworben. Der Anspruch der Akademie, sich nicht nur auf die westliche Sicht zu beschränken und zu überlegen, wie man durch die eigene Arbeit gegen Mechanismen der Unterdrückung und Ungleichbehandlung angehen kann, das hat mein Denken sehr geprägt. Kunst muss mich »anspringen«, eine starke Wirkung haben, emotional und intellektuell. In meiner eigenen Arbeit bemühe ich mich um ein Verhältnis von 100 Prozent Sinnlichkeit und 100 Prozent Diskurs (lacht). 

 

 

Wie werden Sie das in der Tempo-rary Gallery umsetzen?

 


Für meine erste Ausstellung im April arbeite ich mit dem Ausstellungsdesigner und Künstler Mateusz Okoński zusammen, der einen immersiven Raum schaffen wird. Es soll eine Sitzecke geben, wo sich die BesucherInnen unterhalten können. Der soziale Aspekt der Institution ist mir sehr wichtig. Kunst ist schließlich Konversation! Gleichzeitig handelt es sich um die erste Ausstellung einer Reihe, »Solo Revisited«, die das Format der Einzelausstellung überprüft. Das Konzept der Einzelausstellung ist aus einem ganz be-stimmten Kunstverständnis entstanden, das ich damit hinterfragen möchte. Künstler sind nicht isoliert, sie arbeiten in Netzwerken, werden von anderen Künstlern inspiriert. So kann es zum Beispiel interessant sein, Kunstwerke zusammenzustellen, die sich dann gegenseitig »erklären«. 

 

 

Was genau wird in der ersten Ausstellung zu sehen sein?

 


Es wird entsprechend dem Konzept eine Einzelausstellung, die eigentlich eine Gruppenausstellung ist. Der junge belgische Maler Bram Demunter wird eigene Arbeiten zeigen, die sich mit Interaktion beschäftigen: zwischen Tieren, Menschen, Pflanzen. Die Gemälde fragen, was es bedeutet, Teil einer Gemeinschaft zu sein, eingeschlossen und ausgeschlossen aus einer Gruppe. Dazu habe ich andere KünstlerInnen eingeladen, um bestimmte Aspekte seines Werks sichtbar zu machen. 

 

 

Welche Bedeutung hat die Temporary Gallery für Köln?

 


Ich finde es beeindruckend, was Regina Barunke hier für einen Ort geschaffen hat. Sie hat eine sehr eigenständige und präzise Art Ausstellungen zu machen, die immer auch die Rolle der Kunst reflektiert. In diesem Sinne geht es mir um Kontinuität: Ausstellungen zu machen, die gut recherchiert und inhaltlich relevant sind. Ich möchte aber auch weiter an den Netzwerken und diskursiven Formaten arbeiten, die Regina etabliert hat und die Temporary Gallery zu einem Zentrum der Diskussion über die Praxis des Ausstellungsmachens weiterentwickeln. Das ist es ja, was diese Institution so besonders macht, in Köln und in der Region. Ich möchte den Austausch mit anderen AusstellungsmacherInnen etablieren und habe Ideen für verschiedene Formate, wie zum Beispiel ein spezielles Programm über das Kuratieren oder eine regelmäßige Lesegruppe. KuratorInnen sind oft mit organisatorischen Aufgaben beschäftigt. Mit dem gemeinsamen Lesen und Diskutieren möchte ich die Reflektion über inhaltliche Themen stärken. Mir ist aufgefallen, dass es in Köln viele Ausstellungsräume gibt, die von KünstlerInnen gemacht werden, ich glaube, dass ein Austausch sehr interessant sein kann. Außerdem plane ich, jedes Jahr einen Workshop zu einem Thema zu organisieren. Letztes Jahr habe ich gemeinsam mit Regina zu einem Seminar über das Thema »Langsamkeit« eingeladen und wir waren komplett ausgebucht. Der Bedarf dafür ist da. Ich möchte noch keine Details verraten, aber dieses Jahr soll es um experimentelles Schreiben über Kunst gehen. 

 

 

Wo sehen Sie die Temporary Gallery in der Zukunft?

 


Ich hoffe, dass sie sich zu einem vollwertigen Zentrum für Zeitgenössische Kunst entwickelt. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, wäre es ein Residenzprogramm, das internationalen Kurator*innen die Möglichkeit gibt, die Kölner Szene kennenzulernen. Ich denke, dass die lokalen Künstler*innen von der Vernetzung profitieren würden. Aber das fällt erst mal in die Kategorie »Träume« (lacht).   

 

 

 

Ausstellung: »Solo Revisited #1: Bram Demunter«, 6.4.–30.6., Temporary Gallery, Mauritiuswall 35, Eröffnung 5.4., 19 Uhr, temporarygallery.org