Bauhaus in Köln? Na klar.

Walter, László, Anni, Mies und all die anderen: Das Bauhaus feiert Geburtstag und sieht mit hundert Jahren ziemlich frisch aus. Schluss mit dem Gründerzeit-Schwulst hieß es 1919, her mit Klarheit, schnörkelloser Funktionalität und gutem bezahlbaren Design für alle! Die Ideen der wohl wirk­mächtigsten deutschen Gestaltungsschule des 20. Jahrhunderts haben die Moderne nachhaltig beeinflusst – und dabei war das Ganze auch noch ziemlich sexy: Auch beim Feiern waren die Bauhäusler vorne weg.

Ist das alles nun Mythos oder Geschichte? Begann mit Gründung der legendären Reformschule die befreite Moderne oder der Fluch des autoritären rechten Winkels? Und: Gibt es ein Bauhaus im Westen? Gar in Köln?

Uta M. Reindl hat das Wirken der Bauhaus-Ideen im Rheinland recherchiert und ist in Rodenkirchen, Buchforst — und Krefeld — fündig geworden. Sharareh Shahedali war im Museum für Angewandte Kunst, wo im April die erste offizielle Kölner ­Bauhaus-Ausstellung eröffnet, und sprach mit der Kuratorin über die Wiederent­deckung der Bauhaus-Frauen. Im Anschluss verraten wir, welche Bauhaus-Touren im Rheinland sich lohnen, wenn man es nicht nach Dessau schafft.

Moderne vor der Haustür

 

Das Epizentrum der Bauhaus-Jubiläums-sause liegt im Osten — aber die coolste -deutsche Stilepoche wird zu recht auch im Rheinland gefeiert. Eine Spurensuche von Uta M. Reindl

 

Im Kölner Straßenbild drängt sich die Werbung für das Jubelevent »Bauhaus100« wahrlich nicht auf —  ganz anders als in Berlin, Dessau und Weimar, den zentralen Schauplätzen der weltbekannten Design-und Architekturschule und Reformstätte. Allerdings soll es auch in Köln Menschen geben, die das Wort »Bauhaus« nicht mehr hören können, weil die Feierlichkeiten zum großen Bauhaus-Jahr schon im Vorfeld medial bestens auf-bereitetet wurden. Dabei haben die Aktivitäten im Grunde erst begonnen: Unter der Devise »Die Welt neu denken« laufen 2019 bundesweit über 600 Veranstaltungen rund-um das Wirken der Bau-häus-le-r*innen. Sie konzentrieren sich im Osten unserer Republik, wo das Bauhaus vorwiegend wirkte und der Bauhaus-Verbund heute sitzt, jene in unserer Region sind im Programm »Bauhaus im Westen« zusammengefasst: immerhin rund 50 Ausstellungen und Events, inklusive Schauen zu Bauhaus-Vorläufern und Nachfolgern. 

 

Natürlich ist solch ein Groß-Jubiläum ein Marketingevent und auch im Westen gilt: Nicht überall, wo derzeit Bauhaus drauf steht, sind Bauhaus-Originale drin. »Sie können in Köln keine Architektur von LeCorbusier oder Gropius erwarten«, erklärt Romana Rebbelmund, Kuratorin am Kölner Museum für Angewandte Kunst. Aber auch in der Möbelmesse- und Passagen-Stadt Köln gilt: Das von 1919 bis zur faschistischen Machtübernahme 1933 offiziell bestehende Bauhaus ist ein Synonym für die Moderne in Design und Architektur. Coole Stahlrohrmöbel, Freischwinger, klare Innenarchitektur mit viel Weiß, Häuser mit Flachdächern kommen in den Sinn. Vor allem war das Bauhaus keine homogene Veranstaltung. 

 

Aus der schwülstigen Gründerzeit mit ihrem klein-bürger-lichen Denken entwickelten sich laut Wulf Herzogen-rath, Bauhausspezialist und 16 Jahre Leiter des Kölnischen Kunstvereins, die Aktivitäten der Bewegung in fünf Gestaltungs-und Organisationsetappen mit verschiedenen ästhetisch-politischen Lehrprogrammen. Die radikal freiheitlich-demokratisch gesinnten Künstler und Handwerker hatten sich Klarheit und Funktionalität auf ihr Banner geschrieben, Wohnen war ihr Thema — unter Einsatz der damals neuen Technologien. Walter Gropius, Erfinder und gleichzeitig der PR-Mann des Bauhauses, »versuchte Künste und Gestaltungsprinzipien mit dem Handwerk gleichberechtigt zusammenzubringen, auch um die Industrialisierung vorzubereiten. Das war ein neuer Ansatz«, so Claudia Perren, Direktorin der Bauhaus Stiftung in Dessau, neben der Klassik Stiftung in Weimar und dem Bauhaus Archiv/Museum für Gestaltung in Berlin maßgebliche Ausrichterin des Jubiläumsjahrs. Das interdisziplinäre Schaffen der Bauhäusler*innen betraf Produkt- und Textildesign, Innenarchitektur und Baukunst, aber auch Tanz, Musik und Theater. 

 

Die Idee guter Gestaltung für die Umgebung und Dinge des Alltags verband sich mit einem sozialen Anspruch. Leitgedanke im Bauhaus-Manifest von 1919 war das kollektive Schaffen, praktisch-werkliche Erziehung, Volksverbundenheit und nicht zuletzt das gemeinschaftliche Erleben (und Feiern!), wie es der ARD-Film »Lotte am Bauhaus« jüngst mit weichgezeichneten Bildern in Szenen setzte. Bei aller Gemeinschaftlichkeit jedoch und analog zu den antagonistischen gesellschaftlichen Gegebenheiten — in jenen Zeiten einer höchst zerbrechlichen Demokratie — prägte eine ideologische Zerrissenheit die Bewegung: radikale Positionen von Kommunismus bis Spiritualität kollidierten. Dabei stand das Bauhaus meist unter dem Druck von Außen, vor allem vom rechten, innovationsfeindlichen Teil der Gesellschaft. Die räumliche Mobilität des Bauhauses war zwingend, das von Konservativen, später von Nationalsozialisten, verfolgt wurde und samt Schule vom Gründungsort Weimar nach Dessau und schließlich nach Berlin umziehen musste. 

 

 In ihrem Streben nach sozialen Utopien hingegen waren sich die meisten die Bauhäusler einig, wenn es um Design und Architektur für den kleinen Geldbeutel ging. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übrigens betonte auf der offiziellen Eröffnung von »Bauhaus100« in Berlin, es sei eine »seltsame Dialektik der Geschichte«, dass die Bauhaus-Ästhetik heute »oft Distinktionsmerkmale einer kleinen Geschmackselite« aufweise und kaum mehr mit der ursprünglichen Utopie des kostengünstigen Lebens zu tun habe.

 

»Gestaltung und Demokratie. Neubeginn und Weichenstellung im Rheinland und in Westfalen« heißt es denn auch programmatisch auf dem Deckblatt des vom Landschaftsverband herausgegebenen Jubiläumsmagazins zu »Bauhaus im Westen«. Schon der ersten Blick ins Heft verrät, dass Köln eigentlich nicht der Hotspot der Jubi-lä-ums-events im Rheinland ist. Original-Architektur der Bauhäusler ist in der Domstadt so gut wie gar nicht zu finden, genauer gesagt: Gebäude, die von Architekten der Schule in den Bauhausjahren erbaut wurden. Dass deren Avantgarde-Entwürfe in Köln nicht unbedingt auf Begeisterung stießen, erklärt sich womöglich mit der konservativen Mentalität seiner Bewohner. »Dennoch gibt es viele Architekturen in Köln, die im Geiste des Bauhauses entstanden!«, so der Architekt und Kurator Thomas Schriefers. Dem damaligen Oberbürgermeister Kölns Konrad Adenauer sei es nicht nur gelungen, die bedeutende Werkbundausstellung 1914 in Deutz zu eröffnen, sondern auch in den Jahren danach den Dialog mit internationalen Architekten zu pflegen. Was zur Folge hatte, »dass die Außenwahrnehmung der damals schon als Messestadt geschätzten Domstadt Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre sehr positiv war und etliche internationale wie renommierte Architekten noch lange nach der legendären Werkbundausstellung gerne Köln aufsuchten«. 

 

Der erste Bauhaus-Einfluss in Köln lässt sich heute wegen der starken baulichen Veränderungen im Laufe der Jahrzehnte kaum mehr ablesen: Das Haus Esch, ein kubisches Gebäude mit Flachdach Am Morsdorfer Hof in Braunsfeld. Es wurde 1925 von Wilhelm Riphahn gebaut — dem für Köln prägenden Architekten der »Brücke« an der Hahnenstraße, des Kölner Opernensembles und der Bastei am Rhein. Neben Einzelnen Gebäuden, zu denen Walter Reitz »Haus Georgii« in Lindenthal von 1927 gehört, gibt es zwei Hot Spots der Bauhaus-Geschichte von überregionaler Bedeutung: Im Süden Kölns entstand in Rodenkirchen gleich eine kleine Bauhaus-Villen-Kolonie. Am bekanntesten ist das von der Rheinpromenade aus gut sichtbare Haus Loosen von Hans Schumacher (1931): Die Villa für den Firmenbesitzer Loosen lässt mit seinen bugartigen Rundungen, den Reling-ähnlichen Eisengeländern sowie einer auf Stützen ruhenden, an eine Kommandobrücke erinnernden Terrasse an ein Schiff denken. Der Kirchenbauer Dominikus Böhm errichtete sein Wohn-und Bürohaus im benachbarten Marienburg, auch als Haus Böhm bekannt. Seine privaten Räumen entsprechen ganz der kubischen Formensprache des Neuen Bauens. 

 

Und vor allem findet sich auf der anderen Rheinseite die Siedlung »Weiße Stadt« von Riphahn und Caspar Maria Grod im heutigen Stadtteil Buchforst, gelegen im Dreieck zwischen Heidelberger, Waldecker und Kopernikusstraße — der überregional wohl bedeutendste Kölner Beitrag zum Kanon des Neuen Bauens. Die konsequent im Internationalen Stil im Auftrag der GAG erbaute Siedlung entstand zwischen 1928 und 1932 und umfasste rund 580 Wohneinheiten: Mietshäuser in Zeilenbauweise sowie zahlreiche Einfamilienhäuser, ausgestattet mit großzügigen Balkonen und Dachterrassen, dazu im Zentrum die Kirche St. Petrus Canisius und ein Gemeinschaftshaus. Eingeschossige pavillonartige Ladengebäude beleben die Hauptstraße, zwischen den als Gesamtensemble angeordneten Gebäuderiegeln wurden luftige Grünflächen und Vorgärten angelegt. In Format wie in ihrem sozialen Anliegen wirkt sie wie ein Kontrast zu den eher trostlosen Großsiedlungen, die später, insbesondere zwischen den 60er und 80er Jahren, in Köln gebaut wurden. 

 

Die beispielhafte Buchforster Siedlung erinnert auch daran, dass dieser Stil damals alles andere als konsensfähig war, über die oft begehbaren Flachdächer der Häuser im Stil des Neuen Bauens entbrannte in den 30er Jahren ein Streit: Besitzer moderner Gebäude wurden beschimpft, die Wochenzeitschrift Westdeutscher Beobachter der NSDAP betitelte 1931 einen Beitrag mit »Häuser ohne Dach — Menschen ohne Kopf«.

 

Zusammenfassend lässt sich bilanzieren: Die großen Architektennamen des Bauhauses fehlen in Köln, doch wer weiß, wo zu suchen ist, entdeckt sowohl Architektur als auch eine Fundgrube von Artefakten bedeutender Künstler*innen, Produkt-und Textildesigner und Keramikern des Bauhauses — im Museum für Angewandte Kunst (MAKK).

 

Diesen Monat eröffnet dort eine Schau mit Objekte von avantgardistischen Keramikkünsterlerinnen und Bühnenbilderinnen rund um die beiden Kölner Bauhaus-Schülerinnen Margarete Heymann-Loebenstein und ihre Cousine Marianne Ahlfeld-Heymann. Ihre Entwürfe und Objekte sind gemeinsam mit Kunstwerken aus der Sammlung des Hauses zu sehen, die einiges von Prot-agonist*innen der Bauhaus-Ära zu bieten hat: Arbeiten von Johannes Itten, Wassily Kandinsky, László Moholy-Nagy und Oscar Schlemmer. 

 

In der Sammlung des MAKK befinden sich zudem zahlreiche Kunstwerke aus der Kollektion der Kölner Sammler Fritz Zuschlag und Bodo Wieneke-Zuschlag, die seit drei Jahrzehnten Weimarer Spritzkeramik und Bildende Kunst von 1919 bis 1931 sammeln. Die Zuschlag-Sammlung umfasst Gemälde, Arbeiten auf Papier sowie Skulpturen u.a. von Herbert Bayer, Franz Ehrlich, Ida Kerkovius, Felix Kube, László Moholy Nagy, Karl-Peter Röhl oder Lothar Schreyer — gegenwärtig auch als Leihgaben in der Berliner Jubiläumsausstellung »Von Arts und Crafts zum Bauhaus« im Bröhan-Museum zu sehen. Befragt nach dem, was ihn an der Bauhaus-Bewegung besonders beeindruckt habe, nennt Fritz Zuschlag die Globalisierung des Bauhausidee nur zögerlich, weil dafür tragischer Weise die Nationalsozialisten gesorgt haben: Nach der Schließung der Schule mussten etliche Bauhäusler ins Exil fliehen, wirkten so aber auch in aller Welt weiter wie etwa die »Russlandfahrer« oder die in die USA und nach Israel emi-grier-ten Architekten des »New Bauhaus Chicago« und der berühmten »Weißen Stadt« Tel Aviv.

 

Eine wesentliche Motivation für seine Sammelleidenschaft verdankt Fritz Zuschlag seiner Tante: Die Textil-designerin und Weberin Elizabeth Kado, die 1924/1925 am Bauhaus in Weimar ihre Ausbildung absolvierte, 1939 Meisterschülerin von Georg Muche wurde und ab 1940 an der Textilingenieurschule in Krefeld lehrte, wo sich ab 1927 etwa 25 Bauhäusler niederließen — an jenem damals schon bedeutendsten Ort der globalisierten Seidenindus-trie. Krefeld — nur eine gute Stunde von Köln entfernt — ist denn auch der prominenteste Ort in Nordrhein-Westfalen, an dem die Wirkungsgeschichte der Bauhaus-Architektur international mit großem Interesse wahrgenommen wird. Vor seinem Amtsantritt als letzter Bauhausdirektor errichtete Mies van der Rohe, der große Sohn Aachens, dort für die Industriellenfamilien Esters und Lange die beiden Inkunabeln der westdeutschen Baushausarchitektur, die Backstein-Industriellenvillen Lange und Esters.

 

Das Programm der aktuellen Jubiliäums- events in NRW spiegelt das breite Spektrum des Bauhaus-Schaffens mit einer Vielfalt von Veranstaltungen. Zur Fotografie illus-trierte bereits Anfang des Jahres in Düsseldorf eine Gruppenschau des NRW Forum die Auswirkungen der Foto-Ästhetik der Bauhausfotografie auf die zeitgenössische Kunst. Im zweiten Halbjahr wird in Bonn Fotografie aus der Weimarer Republik im LVR-Landesmuseum zu sehen sein, und wer den Soloauftritt eines weniger bekannten, dennoch klassischen Bauhauskünstlers erleben will, sollte sich die Retrospektive des nach ihm benannten HeinrichNeuyBauhausMuseum in Steinfurt-Borghorst anschauen. Den Aufbruch der Frauen in die Politik der Moderne, den Kampf um die Emanzipation veranschaulicht das Frauenmuseum in Bonn, und den Genres zwischen Darstellender Kunst und Musik widmen sich im Herbst unter dem Titel »Carte Blanche À La Danse« das TanzTheater Münster, das Internationale Tanzfest im Pact Zollverein (Essen), das  Wuppertaler Pina Bausch Tanztheater und das Tanzhaus NRW in Düsseldorf.

 

Selbst wenn in den Medien einiges an Polemik gegen die Bauhaus100-Jubiläumsveranstaltungen laut wurden, insbesondere gegen die im Westen häufige Vereinnahmung von Bauhaus-Brandings für City-Marketing-Zwecke oder gar für die PR der jeweiligen Häuser, wird niemand bestreiten können, wie sehr das rund 25 Millionen schwere Jubiläum bundesweit die enorme Kraft der Bauhäusler* innen in ihrer Aufbruchsstimmung zu spiegeln vermag. Mit großer Synergie und einem starken Gemeinschaftsgeist suchte es aller politischer Unbill zu trotzen. Genau dies vom Bauhaus zu lernen, wäre in unseren welt- wie lokalpolitisch erneut wirren Zeiten mit ihren antidemokratischen Tendenzen keine schlechte Idee.   

 

Text: Uta M. Reindl   

 

 

 

Avantgarde hat kein Geschlecht

 

Das Museum für Angewandte Kunst entdeckt zwei Kölner Bauhaus-Schülerinnen: Sharareh Shahedali sprach mit Kuratorin Romana Rebbelmund über Rollenklischees und Avantgarde in Keramik und Textil

 

Namen wie Walter Gropius und Mies van der Rohe stehen fast wie Synonyme für das Bauhaus, was ihm nicht nur bei Feministinnen den Ruf einer männlich dominierten Reformschule eingebracht hat. Wer kennt dagegen Margarete Heymann-Loebenstein und Marianne Ahlfeld-Heymann? Im Jubiläumsjahr stellt in Köln das Museum für Angewandte Kunst (MAKK) zwei weibliche Vertreterinnen vor, die bisher kaum Aufmerksamkeit erhalten haben: Die aus Köln stammenden Cousinen Margarete Heymann-Loebenstein — im englischsprachigen Raum als Grete Marks bekannt — und Marianne Ahlfeld-Heymann. 

 

Kuratorin Romana Rebbelmund begründet im Gespräch die Wahl dieser Künstlerinnen damit, dass »keine Konkurrenzveranstaltung« zu den thematischen Schwergewichten in Berlin und Dessau beabsichtigt war. Ein erfrischender Umstand, denn durch den geringeren Erwartungsdruck entstand die Möglichkeit, den Fokus zu erweitern und mehr Diversität einzubringen. Rebbelmund recherchierte insgesamt eine Zahl von 14 Kölner*innen, die am Bauhaus gewesen sind, die Entscheidung fiel auf die zwei Bedeutendsten unter ihnen. 

 

Margarete war Keramikerin, während sich Marianne eher auf die Bildhauerei und Kostümbildnerei konzen-trierte. Da beide stark von den Ideen der Reformschule geprägt wurden, aber nur eine vergleichsweise kurze Zeit am Bauhaus selbst verbrachten, werden in der Ausstellung ihren eigenen Werken Arbeiten ihrer berühmten Vorbilder gegenüber gestellt, etwa László Moholy-Nagy und Wassily Kandinsky. Durch diesen Vergleich wird die gestalterische Zugehörigkeit zum Bauhaus nicht relativiert, sondern nochmal unterstrichen. 

 

Margarete und Marianne besuchten in Köln die Kunstgewerbeschule und zeigten schon früh künstlerische Begabung, die durch erhaltene Zeichnungen und Malereien überliefert ist. Marianne berichtet in ihrer Biografie von ihrer Faszination als Kind beim Besuch des Hännes-chen Theaters, das wohl auch ihr Interesse an der Bildhauerei prägte. Als sie 1923 nach Weimar in die Werkstatt für Bildhauerei und Bühnenkunst unter Walter Gropius ging, konnte sie endlich Skulpturen aus Holz schaffen, wo sie zuvor an der Kunstgewerbeschule nur die Möglichkeit gehabt hatte in Ton und Gips zu arbeiten. Mit dem Umzug der Schule nach Dessau wurde die Werkstatt nicht mehr fortgeführt, also verließ Marianne sie 1925 wieder. Ihre Cousine Margarete nahm schon 1920 am berühmten »Vorkurs« von Johannes Itten teil und wurde 1921 in die Töpferwerkstatt in Dornburg bei Werkmeister Max Krehan und Formmeister Gerhard Marcks aufgenommen. Laut Rebbelmund inspirierte Marcks ihre frühen unglasierten und mit einfachen Strichen versehenen Arbeiten. Noch Ende des selben Jahres verließ sie das Bauhaus, vermutlich aus Frustration über die Leitung und die ihr gesetzten Grenzen. 

 

Beide Frauen fanden sich vorläufig wieder in Köln ein. Marianne schuf Handpuppen und Marionetten für freie Produktionen und private Auftraggeber, später war sie zeitgleich am Mannheimer Nationaltheater und an der Kölner Oper als Bühnen- und Kostümbildnerin tätig. In der Gestaltung und Farbpalette ihrer Entwürfe spiegeln sich Einflüsse von Oskar Schlemmer wieder. Margarete hingegen arbeitete als Keramikerin und gab gleichzeitig Kinderkurse an der Kunst-gewerbeschule nach den Erkenntnissen und Methoden aus Ittens Kursen. Dann ging sie nach Berlin, lernte dort ihren Mann Gustav Loebenstein kennen und heiratete. Gemeinsam gründete das Paar 1923 die international als Avantgarde begriffenen Haël-Werkstätten. In ihren Erzeugnissen ist die geometrische Formensprache des Bauhauses deutlich. Die jüdische Herkunft beider Frauen zwang sie nach 1933 schließlich zur Emigration, wo sie ihre Arbeit fortsetzten. 

 

Auf die Frage, warum den Frauen des Bauhauses anhaltende Missachtung widerfuhr, zitiert Rebbelmund berühmte Bauhäusler, die trotz ihrer progressiven Ideen und der Gleichstellung der Geschlechter im Programm ihrer Schule doch Kinder ihrer Zeit blieben und dies in frauen-feind-lichen Äußerungen kundtaten. So ist etwa von Oskar Schlemmer die Aussage überliefert: »Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es auch nur zum Zeitvertreib.« Schlemmer war sehr wichtig für Marianne Heymanns Entwicklung, denn über ihn kam sie mit der Bauhausbühne in Kontakt. Ebenfalls verehrte sie Paul Klee, schnitzte eine herausragende Marionette von ihm, was nichts an Klees Überzeugung änderte, dass das Genie männlich sei. Johannes Itten, der für beide Frauen eine große Rolle spielte, vertrat ernsthaft die Auffassung, dass »Frauen ausschließlich über eindimensionales Sehen ver-fügen«. 

 

Solche Haltungen sind zumindest erklärbar: Kunsthandwerk war ein mit Frauen assoziierter Beschäftigungszweig, geprägt durch die Kunstgewerbeschulen, die mehrheitlich von Frauen besucht wurden. Einen solchen Ruf galt es für das Bauhaus zu verhindern, denn die Gründer erstrebten den Status einer Akademie an sowie die Verbindung zur Industrie »durch die Herstellung stilbildender Gegenstände für breite Bevölkerungsschichten«. Als sich auch hier zunächst mehr Frauen als Männer bewarben, reagierte man damit, sie in die Textil- und Keramikwerkstätten abzudrängen und von den prestigeträchtigeren Zweigen wie der Architektur fernzuhalten — was nicht wenige Studentinnen enttäuschte. Bezeichnenderweise gehörten jedoch gerade die Webarbeiten und die Gebrauchs-keramik zu den Zweigen, die der Schule Erfolge einbrachten, während es auf anderen Gebieten oft bei Prototypen blieb.

 

So kann man zum Jubiläum in Köln ein Stück unbekannte Bauhaus-Geschichte entdecken, samt ihrer bitteren Seite: In der Kinkelstraße findet sich inzwischen ein Stolperstein für Marianne Ahlfeld-Heymann.   

 

Text: Sharareh Shahedali

 

Ausstellung: »2 von 14 — Zwei Kölnerinnen am Bauhaus«, Museum für Angewandte Kunst Köln, An der Rechtschule, Di–So 10–18 Uhr, 12.4.–11.8.2019