Ein wildes Stück Kalk: Pflanzstelle an der Neuerburgstraße, Foto: Dörthe Boxberg

Die letzte Gartensaison?

Die »Pflanzstelle« in Kalk soll umgesiedelt werden. Das bedroht die Existenz des Gemeinschaftsgartens

 

Zum Auftakt der Gartensaison lädt die Pflanzstelle Kalk zum »Frühlingsrausch«. Auf den Rausch könnte bald der Kater folgen. Das Projekt für »soziokulturelle und urbane Landwirtschaft« auf dem ehemaligen Fabrikgelände von Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) soll umgesiedelt werden. Die Gartengemeinschaft fürchtet um ihre Existenz.

 


Das elf Hektar große KHD-Areal ist in Besitz der Stadt und zählt zu den bedeutendsten Stadtentwicklungsprojekten in Köln. In den nächsten Jahren sollen dort Wohnungen, Gewerbeflächen und eine Schule entstehen. Seit 2017 läuft dazu ein »kooperatives Werkstattverfahren«. »Das hatte mit einem Dialog nichts zu tun«, sagt Iestyn Hartbrich von der Pflanzstelle über das jüngste Werkstattgespräch im Februar. »Wir durften unsere Ideen auf Stellwände schreiben, aber uns nicht im Plenum äußern.« An keiner Stelle habe man mitentscheiden dürfen. »Wer Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise beteiligt, hat Angst vor ihnen«, so Hartbrich. Seit 2010 ist das selbstorganisierte Urban-Gardening-Projekt auf dem Gelände zuhause, zahlt Miete an die Stadt und bewirtschaftet eine Fläche an der Neuerburgstraße. Dort wird gemeinsam in Hochbeeten gegärtnert, geimkert und gekocht. Die Pflanzstelle ist ein Ort für solidarische Zusammenkünfte.

 


Die Bürgerbeteiligung zu den Hallen Kalk war vor zwei Jahren mit der Vorgabe gestartet, dass die bestehenden Initiativen, die als Pioniere das Gelände erschlossen hatten, als niemand sonst es wollte, auch zukünftig zum Zuge kommen sollen — darunter die Pflanzstelle. Die bislang letzte Veranstaltung im Rahmen der Bürgerbeteiligung sorgte aber für Ernüchterung bei den Stadtgärtnern. Die Pflanzstelle ist bei der städtebaulichen Entwicklung des Geländes zwischen siebengeschossigen Gebäuderiegeln, Parkhaus und Veranstaltungshalle zur Rangiermasse geworden. »Wir ziehen als kleine Initiative den Kürzeren«, sagt Iestyn Hartbrich von der Pflanzstelle.

 


Der Garten soll im Hof zwischen den beiden östlichen Hallen mit einem Zugang von der Dillenburger Straße neu angesiedelt werden. »Einen Garten in einen Innenhof zu legen, ist ja alleine schon eine bescheuerte Idee«, so Hartbrich. Hinzu komme, dass die Beete an der Zufahrt einer geplanten Außenstelle der Messe liegen würden, die von Schwerlastern angefahren würde. Im Schatten und zwischen rangierenden LKW fürchtet die Pflanzstelle um ihren Fortbestand. Einen alternativen Standort außerhalb des KHD-Areals gebe es in Kalk nicht, betont Iestyn Hartbrich von der Pflanzstelle. »Wir sind eine lokale Initiative. Wir können nicht einfach nach Poll ziehen und da weitermachen.«

 


Stattdessen wollen die Gemeinschaftsgärtner bleiben, wo sie sind. Nicht nur, weil auf ihre Gärten an der Neuerburgstraße viele Stunden am Tag die Sonne scheint. »Kalk hat schon heute viel zu wenig Grünflächen«, sagt Silvia Raytchevska, Pflanzstellen-Aktive und Mutter von zwei Kindern. »Der Stadtteil überhitzt und unsere Kinder haben immer weniger wilde Orte zum Spielen.« Raytchevska fürchtet, dass das »Filetstück« des KHD-Geländes zubetoniert werden könnte: »Das wäre fatal für Kalk.«

 


Der politische Prozess scheint zwar bereits sehr weit fortgeschritten. Wenn im Juli das nächste Werkstattgespräch zu den Hallen Kalk stattfindet, könnte die Pflanzstelle aber mit grünen Argumenten wuchern: Die Hochbeete der Kalker Gärtnerinnen und Gärtner werden dann in voller Blüte stehen.

 



Frühlingsrausch, So 28.4., 13–20 Uhr, Pflanzstelle Kalk, Neuerburgstr. 19, mehr unter: pflanzstelle.blogsport.eu