Bald auch noch hip: Bürgerzentrum Ehrenfeld, Foto: Dörthe Boxberg

Im Epizentum

 

Mit dem Veedel-Format c/o ehrenfeld verbreitet das Festival c/o pop Aufbruchstimmung

Alles neu macht der Mai — und die c/o pop, die 2019 nach 15 Jahren im Juni oder August erstmalig im Frühjahr stattfindet. Die einzige Neuigkeit bleibt das nicht, und somit ist es nicht verwunderlich, dass in diesem Jahr die erste Pressekonferenz seit vier Jahren abgehalten wird. Das Zentrum des diesjährigen Festivals ist das Büze, das Bürgerzentrum in Ehrenfeld. Durchgängig bespielt löst es als Festivalzentrale, Ticketcounter und Informationszentrum den Stadtgarten im Belgischen Viertel ab.

 


Liebevoll heißt Bezirksbürgermeister Josef Wirges im Epizentrum der Subkulturen willkommen und stellt seine drei Begleiter vor: Norbert Oberhaus, Geschäftsführer der c/o pop, Ralph Christoph, Head der c/o pop convention, und Sebastian Heer, der für das Festivalbooking verantwortlich ist. Vier Männer, drei davon im besten Alter, viele über die Jahre gewachsene Herausforderungen. Die ständige Suche nach Offlocations, nach Orten, die über die Zeit aus dem allgemeinen Fokus verschwunden sind, oder es nie wirklich in dessen Fokus geschafft haben, lockt den neuen Gratisteil der c/o pop ins Ehrenfelder Veedel — die Veranstaltungen dort werden keinen Eintritt kosten.

 


Wirges, auch noch Schirmherr der diesjährigen c/o pop, erhofft sich von der neuen Entwicklung, den Prozess der fortgeschrittenen Verdrängung der Ehrenfelder Popkultur einzudämmen. »Ehrenfeld soll glänzen an den zwei Festivaltagen«, sagt er stolz in die Runde blickend. Von der Leyendecker- bis zur Heliosstraße präsentiert sich das Festival am Festivalwochenende erstmalig mit einem vielseitigen Gratisprogramm. Em Drügge Pitter an der Venloer Straße wird es Livekonzerte geben, im Deleeciosa auf der Straßenseite gegenüber Handlettering und eine Lesung.

 


Die etwas andere Popkomm, die von vielen Seiten als der beste Musiktreff der Szene gefeiert wird, erhält zunehmend den Charakter eines klassischen Festivals mit seinen vielfältigen (auch nicht-musikalischen) Angeboten. Die günstige Infrastruktur, mit vielen verschiedenen Locations auf engstem Raum, vom Café Fridolin über Aslans Kebap zu den großen Veranstaltungshallen wie dem Club Bahnhof Ehrenfeld, lässt die Entscheidung für eine Ausweitung nach Ehrenfeld und den Abschied  vom bereits durchgentrifizierten Belgischen Viertel naheliegend aussehen. Grundsätzlich ist fraglich, in welchem Kölner Veedel sich noch genügend coole Establishments finden lassen, in dem zudem ausreichend Freiraum für Open-Air-Konzerte geboten wird und das gleichzeitig für Künstler und Anhänger attraktiv ist. Bei diesem Gedanken mag einem das Wort rechtsrheinisch auf der Zunge liegen. Warum Ehrenfeld und nicht ... »Über Mülheim wurde gesprochen, aber Ehrenfeld ist unser Zuhause«, berichtet Sebastian Heer und blickt versonnen auf den Leuchtturm des Heliosgeländes, das hiesige Wahrzeichen. »Wir hatten nicht das Gefühl, dass die Zeit für Mülheim schon reif ist«, pflichtet ihm Ralph Christoph bei, der die c/o pop vor 15 Jahren mitbegründete.

 


Kritisch bleibt, dass Ehrenfeld sich dem Belgischen Viertel bereits seit einigen Jahren angenähert und viel von seiner Exklusivität eingebüßt hat. Die Tatsache, dass das Festival Ehrenfeld auch über die Landesgrenzen hinaus attraktiv werden lässt und das Viertel sicherlich auf eine positive und popkulturelle Weise vermarktet, lässt eine Verzahnung von musikalischen und politischen Interessen vermuten. Und damit dürfte die Wahl für Ehrenfeld als neuen Festivalstandort geklärt sein. Ob Anwohnern eine Festivalisierung ihrer Straßen und Plätze negativ aufstößt, bleibt offen. Dass es bereits vermehrt Probleme in Ehrenfeld mit Anwohnern gegeben hat, muss Schirmherr und Bürgermeister Wirges einräumen, er bietet aber auch schon eine Lösung an, nämlich die Einrichtung einer Vielzahl an Schutzzonen. »Die Auflagen sind hoch«, gibt Ralph Christoph zu. »Für uns war klar, wenn Ehrenfeld, dann genau jetzt. Aber wir stehen vor einer Blackbox und wissen nicht, wie die Anwohner reagieren. Ein bisschen fühlt es sich an wie vor 15 Jahren.«
Das Gefühl eines Neuanfangs bekommen Veranstalter und Besucher nicht bloß durch den Standort­wechsel, auch der Termin im Mai ist neu. Die c/o pop als Start in die Konzertsaison im Herbst, das waren Artists und Besucher in den letzten Jahren gewohnt. Mit dem Wechsel ins Frühjahr soll der großen Konkur­renz aus Hamburg, dem Reeperbahnfestival, aus dem Weg gegangen werden. Wie stark der nordische Rivale der c/o pop tatsächlich Besucher, Aufmerksamkeit und Künstler entzieht, ist schwer nachzuhalten. »Es wird nicht beim Mai bleiben. In den folgenden Jahren soll die c/o pop sogar in den April rücken«, verrät Norbert Oberhaus, Geschäftsführer der c/o pop, und zündet sich dort am Ende der Heliosstraße, wo später einmal die Hauptbühne stehen soll, seine Zigarette an. Auch in Zukunft dürfen wir weitere Neuheiten erwarten. Soviel sei bereits verraten, die c/o pop Convention, die Fachtagung für die Musikbranche, die diesjährig noch in der IHK stattfindet, wird es nach Ehrenfeld ziehen, die Cologne Music Week (bislang im Januar) wird zugunsten der neuen c/o-pop-Spieltermine in den Herbst weichen.

 


Eines aber steht fest, mit dem neuen Programmodul c/o pop Ehrenfeld und den 60 kostenfreien Showcases soll ein popkulturpolitisches Zeichen gesetzt werden. Inwieweit dies den Veranstaltern gelingt, bleibt abzuwarten.

 



Info: c/o ehrenfeld findet am 4. und 5. Mai rund ums Bürgerzentrum Ehrenfeld statt. Der Eintritt ist frei.