Filme für den inneren Surrealisten

Filmgeschichte auf Kölner Leinwänden

Während die aktuellen Kinostarts im Mai eher lau sind, hat der Monat in Sachen Filmgeschichte alles zu bieten, was das Herz begehrt und das Hirn braucht — und das über alle Genres, Produktionskulturen und Niveaus hinweg. Will sagen: Alle, die glauben, sie würden sich mit ernsthafter Filmkunst beschäftigen, wenn sie sich einer verquasten Anstrengung wie Neil Jordans »The Crying Game« (1992) aussetzen, werden genauso bedient wie jene, denen es nicht absurd-deppert genug werden kann. Wobei letztere entschieden besser dran sind: mit so unterschiedlicher Kost wie William Lee Wilders wirr-wahnwitziger Science-Fiction-Allegorie »Der Mann ohne Körper« (1957), Ralph Thomas’ angenehm nutzlos-fröhlicher Farce »Dreimal Liebe täglich« (1960) sowie dem leicht verstopft daherkommendem Italowestern »Django tötet leise« (1967) von Re­gie­runkelrübe Massimo Pupillos, der im Doppelpack mit Edoardo Mu­­lar­gias herrlich inspirations­frei­em »Ein Fressen für Django!« (1971) läuft.

 


Für die Liebe zu solchen Filmen braucht es allerdings einen inneren Surrealisten, der die Dinge mit dem gewissen »Épater la bourgeoisie«-Esprit zu nehmen versteht. Denn: Frauen mit Schwänzen steckt der Mittelstand locker weg — nicht aber die Verweigerung aller Logik oder Handwerksordnung. Deswegen gehören zu den heiligsten Filmen der Welt all jene, denen es gelingt, konkret surreal zu sein, ohne dass das Bürgertum gleich merkt, wie es vorgeführt und der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Davon hat der Mai gleich zwei zu bieten: Die Agen­tenthriller-Vivisektion in Form einer Groteske »Das Ende des Geheimagenten W4C« (1967) des vor wenigen Wochen verstorbenen Regiegotts Václav Vorlíček, sowie den jede Kunstkonvention lässig in den Arsch tretenden Anime »Mind Game« (2003), das Kinodebüt von Yuasa Masaaki.
Aber es gibt noch eine andere Form von Provokation, nämlich: Die Verweigerung aller Zuordnungen. Hier zählt Robert Hossein zu den Großmeistern. Die beiden Werke, die man dieser Tage in Köln anbeten darf, demonstrieren brutal deutlich, was es heißt, es sich zwischen allen Stühlen gemütlich zu machen: Sowohl der Krimi »Die Lumpen fahren zur Hölle« (1955) als auch der Revolutions-Western »Haut für Haut« (1961) sind zu massenfreundlich in der Haltung für die Feuilletonfuzzis, aber auch künstlerisch zu durchgearbeitet, um sie gönnerhaft als Konfektionsware abzusegnen. Sie sind wie gemacht für eine Welt, in der auch der Plebs nur das Beste verdient.

 


Alle Filme laufen im Filmclub 813,
außer »Mind Game« (Japanisches Kultur­institut).
Infos: filmclub-813.de, jki.de