Straßenland: Nachhaltigkeit als Großevent?

Greenwashing oder Signal für die Zukunft? Ein Pro-und-Contra zum Festival »Straßenland«

Am 23. Juni wird die Nord-Süd-Fahrt einen Tag für den Autoverkehr gesperrt. Denn zwischen Ursulastraße im Norden und der Ulrepforte im Süden findet das Festival »Straßenland« statt. Es ­widmet sich »zukunftsgerichteten Mobilitätskonzepten, urbaner Kreativität und nachhaltigem Zusammenleben«. Die Veranstalter wollen die Themen einer möglichst breiten Öffentlichkeit vor­stellen, Kritiker befürchten eine kommerzia­lisierte Variante des »Tags des guten Lebens«, die bloß den Unternehmen nützt, die sich dort präsentieren.

 

PRO

 

»Konstruktiv weiterdenken«

 


Wir wollen mit »Straßenland« Diskussionen und bestenfalls Veränderungen im Denken und Handeln von Stadtgestaltern, Unternehmen und Bürgern anstoßen. Ich finde es spannend, den Raum »Stadt«, den wir alle nutzen, ganz neu zu denken. Dabei geht es um die Dinge, die den Alltag am meisten betreffen: Mobilität in allen Varianten und die nachhaltige Gestaltung der Stadt zum gesund­heitlichen und seelischen Wohl sowie praktischen Nutzen ihrer Bürger. Genau da setzen wir an. Dass »Straßenland« als Erlebnis-, Ausstellungs-, Informations- und Diskussionsplattform auf der Nord-Süd-Fahrt stattfindet, hat den Hintergrund, dass sie sinnbildlich für das Destruktive einer einseitigen Stadtplanung steht, entstanden entgegen einer guten Lebensqualität der Einwohner. Dass wir uns genau hier versammeln, soll eingefahrene Sichtweisen auf diese Straße speziell und das aktuelle urbane Leben insgesamt aufbrechen. Wir wollen kritisch betrachten und konstruktiv weiterdenken. Wir müssen zum Beispiel reden über die teils massiven Probleme, die Menschen mit Behinderung in Köln haben. Oder über die viel zu wenig vorhandenen Grünflächen. Und: Sollte es nicht eine ausreichende und gerechte Aufteilung von öffentlichen Flächen für Autos, Fahrräder und für Fußgänger geben? Die vielen Baustellen reduzieren die knappen Verkehrsflächen zudem immer weiter und sorgen ständig für Stau. Nicht zuletzt müssen wir natürlich über bezahl­baren Wohnraum sprechen. Zugleich wollen wir zukunftsorientierte Ideen und bereits existierende Projekte, Produkte und Ansätze vorstellen, die Teil davon sein können, das Leben in der Stadt anders und besser zu machen. Da haben wir spannende Beiträge etwa zu alternativen Antriebsenergien oder multimodaler Mobilität. Es wird auch viele Projekte geben, bei denen Umwelt- und Naturschutz sowie gesunde Ernährung eine zentrale Rolle spielen, wie etwa Projekte zu Urban Farming oder Urban Gardening.

 

 

 

KONTRA

 

»Vermeintliche Vorkämpfer«

 


Die Veranstalter von »Straßenland« treten »für die gemeinsame Vision einer nachhaltigen Stadtentwicklung« an. Dies wäre ein lobenswertes Ziel, und ich bin gespannt darauf, die Stadt zu erleben, wenn auf der Nord-Süd-Fahrt keine Autos fahren. Warum ist trotzdem Skepsis das erste Gefühl, das sich bei mir einstellt? Es muss an den Fragen liegen, die mir dazu durch den Kopf gehen: Es gibt in Köln seit 2013 den »Tag des guten Lebens«, der das Thema Stadtraum-Nutzung — verbunden mit der Frage, wie wir in der Stadt leben wollen — unmittelbar erlebbar macht. Und zwar durch das gemeinsame Handeln unterschiedlichster und aus eigenem Antrieb tätiger Akteure. Muss man dieses erfolgreiche Projekt als kommerzielles Event neu erfinden?
Nun ist nichts dagegen einzuwenden, mit einer guten Idee auch Geld zu verdienen. Aber ist dies eine gute Idee im Sinne nachhaltiger Stadtentwicklung? Was hat es mit »Inbesitznahme des öffentlichen Raums durch die Bürgerinnen und Bürger« zu tun, wenn dieser öffentliche Raum parzelliert und als Werbefläche an Aussteller verkauft wird? Beispielsweise an vermeintliche Vorkämpfer für eine nachhaltige Zukunft wie Rewe, Toyota, Obi, Ford, Nissan, Hyundai und andere, die sich hier grünwaschen können.
Wie nachhaltig kann ein Impuls sein, der auf die fortschreitende Eventisierung der Stadt noch eins draufsetzt?
Leidet Köln nicht schon genug unter der Entwicklung, die der ehemalige CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma gestartet hat, als er Köln zur »Eventstadt« erklärte, die den öffentlichen Raum zur bloßen Party-Ressource verkommen lässt? Brauchen wir nicht im Gegenteil einen behutsamen Umgang mit dem öffentlichen Raum, Geld für seine Pflege und ein Bewusstsein für seinen Wert?
Ich kann nicht erkennen, was »Straßenland« dazu beiträgt.

 

 

 

Tipp: Der Streit um »Straßenland« Am 4. Juni um 19 Uhr treffen Christoph Kuckelkorn und Frank Deja im Haus der Architektur aufeinander. »Sperrung der Nord-Süd-Fahrt für das Festival Straßenland — Ein Kölner Beitrag zur Stadtkultur?« lautet die Frage, die geklärt werden soll. Der Eintritt ist frei. Alle Infos der Veranstalter zum Festival auf strassenland.de