Visions of Iran

Filmland Iran. Für viele immer noch eine unbekannte Welt. Sicher, die Meisterwerke von Abbas Kiarostami (»Der Geschmack der Kirsche«) sind legendär, die Filme von Asghar Farhadi (»Nader und Simin«) Sternstunden jedes Filmjahres und die Grenzgänge zwischen Film und Protest von Jafar Panahi (»Teheran Taxi«) wichtige Statements.

 


Abseits davon fällt nur wenig Licht auf eine vielfältige Filmkultur mit Haltung und Bewusstsein. Visions of Iran hat sich zur Aufgabe gemacht, diesen Missstand zu beheben: Über vier Tage bekommt man die Gelegenheit, sich im Rahmen des Festivals über den Status Quo einer Filmnation zu informieren.

 


Alireza Motamedis Tragikomödie »Reza« erzählt von der dreimonatigen Bedenkzeit, die einem Paar gegeben wird, um ihre Scheidung zu widerrufen. Diese Zeit ist auch ein Interim, in dem sympathisch fehlbare Antihelden sich fragen, ob erprobte Wege oder mutige Neuanfänge in die Zukunft weisen.

 


Es lassen sich nicht wenige Wer­ke aus dem Programm von Visions of Iran als Dokumente des inneren Ringens einer Nation verstehen, zwischen Tradition und Wandel, Isolation und Öffnung, ängstlicher Verzagtheit und Aufbruchstimmung. Auch die »16 Frauen« im Mittelpunkt von Bahar Ebrahims Dokumentarfilm schwanken zwischen Wehmut und Lebenswut, wenn sie von ihren Leben erzählen und den großen Träumen und Wünschen, die mal erfüllt, mal auf kommende Generationen übertragen wurden.

 


Die Leinwand muss aber nicht immer ein Vergrößerungsglas oder Zerrspiegel alltäglicher Befindlichkeit sein, sondern kann als Pforte in eine buntere, von jeder Gravitation befreite Welt dienen — das zeigt sich in diesem Jahr unter anderem im Animationsprogramm, das die reale Grauzone unter Farben und Ideen begräbt. Hooman Seyyedis Crime-Drama »Sheeple«, in dem eine Gang von Drogenköchen ums Überleben in der Unterwelt kämpft, fährt genug Kicks und Spannung auf, um auch ein westliches Genre-Publikum zu begeistern. Kino, egal aus welchem Winkel der Welt, ist vielleicht doch immer dann am besten, wenn es seine Herkunft vergessen macht, aufhört, die Welt erklären zu wollen und sich ganz auf die Sogwirkung von Schauwert, Spektakel und Leidenschaft verlässt.