Der die Zukunft alt aussehen lässt

 

Der Rösrather Bertram Strauß hat als Art Director Claire Denis’ Science-Fiction High Life zu ihrem ungewöhnlichen Look verholfen.

 

Eine Gruppe Strafgefangener wird als Versuchsratten ins All geschossen. Das Ziel: ein schwarzes Loch. Ihr in die Jahre gekommenes Raum­schiff starrt vor Schmutz, Kabel ragen aus den Wänden. Selten hat die Zukunft so abgenutzt ausgesehen wie in Claire Denis’ »High Life«, in dem neben Hollywoodstar Robert Pattinson, Juliette Binoche und Lars Eidinger spielen. Entstanden ist die düstere Welt in einem Studio in Hürth, produziert hat den Science-Fiction-Film die Kölner Firma Pandora Film. Szenenbildner Bertram Strauß aus Rösrath hat als Art Direc­tor bzw. Filmarchitekt maßgeblich zum Look beigetragen.

 


Gemeinsam mit seinem Ausstattungsteam oder Art Department errichtet der Filmarchitekt die Bauten für das Set und kümmert sich um die Einrichtung. Er setzt die Ent­würfe des Szenenbildners künstlerisch um und ist für die Planung der Bauten und deren Kosten verantwortlich. Zu seinem Team zählen Außen- und Innenrequisiteure, der Setdekorateur mit den Set Dressern, also Filmbühnenbildnern, die das Set einrichten, Möbel planen und organisieren. Außerdem die Bauabteilung mit Schreinerei, Schlosserei und Malern, der Spezialeffektebau und die Set-Bauleute.

 


Bis zu vierzig Mitarbeiter waren das bei »High Life«. »Mit ihnen bespricht man täglich die Abläufe und guckt, dass alles läuft«, erklärt Strauß. Hinzu kommt der Austausch mit den anderen Abteilungen: Mit dem Oberbeleuchter bespricht er etwa, wo Lampen hängen können, mit der Regieassistenz, welcher Teil des Sets wann gebraucht wird, mit den Kostümbildnern im Falle von »High Life«, welche Helme und Garderobenhaken zu den Raumanzügen passen und mit den Produzenten und Projektleitern das Budget.

 


»Man will einen Hintergrund und eine Umgebung bauen, die sich nicht aufdrängt, aber trotzdem den Inhalt gut transportiert und visuell interessant ist«, so sein Anspruch. Strauß hat schon mit internationalen Regiestars wie Olivier Assayas, Peter Grennaway und Eran Riklis zusammengearbeitet. Nicht immer seien deren Vorstellungen klar formuliert, manchmal müsse er gehörig interpretieren.

 


Regisseurin Claire Denis betont im Presseheft, »High Life« sei kein Science-Fiction-Film, sondern »sehr geerdet«, auch wenn er im Weltraum spielt. Im Vorfeld legte sie Wert auf den Rat des Astrophysikers Aurélien Barrau. So setzt sie sich etwa mit der kastigen Form ihres Raumschiffs von vielen anderen Science-Fiction-­Filmen ab, verstößt damit aber nicht gegen Gesetze der Physik. »Im All braucht man nichts Aerodynamisches«, erklärt Strauß. Denn im Vakuum gibt es keinen Luftwiderstand. Er habe lange mit Barrau telefoniert, um die Form und Dicke von Kupferkabeln zu besprechen, die in einer Szene zu sehen sind, in der Pattinson das Raumschiff repariert. Kupfer habe es sein müssen, weil es die Strahlung aus dem Weltraum abschirme. Solche Details seien Denis wichtig gewesen.

 


Sonst galt es eher, »wegzukommen von diesem Science-Fiction-Look, den man aus Hollywood kennt, und etwas Eigenes zu kreieren«, was zum Teil natürlich auch den begrenzten Mitteln geschuldet war. »Der Wunsch von Claire Denis war, nicht diesen klassischen Raum­schiff-Vorbildern nachzueifern, sondern davon zu abstrahieren.« Aus diesem Grund hätten sie zum Beispiel einfache Materialien wie Wellblech verwendet. »Außerdem gesteppte Stoffe, die auch etwas Struktur in die Oberflächen gebracht haben.« Im Bauch des Raumschiffs wuchert zudem ein Garten — auch eher untypisch fürs Sci-Fi-Genre. »Er ist sehr natürlich und lebendig geworden durch echte Pflanzen.« Sie über so lange Zeit mit Kunstlicht am Leben zu halten, sei allerdings ein Problem gewesen.

 


Ein sehr interessanter Teil des Drehs war für Strauß das Treffen mit Künstler Olafur Eliasson, der an der Visualisierung des Schwarzen Lochs mit einem Kunstwerk beteiligt war. »Wir haben sein Studio besucht, und ich habe kurz mit ihm gesprochen. Das war sehr inspirierend. Er hat den Balken des Ereignis­horizonts als gelbes Lichtband entworfen.« Der Ereignishorizont ist sozusagen der sichtbare Rand oder die Grenze des Schwarzen Lochs. Materie oder Strahlung, die ihn überschreitet, wird mit gewaltiger Anziehungskraft eingesogen, denn im Schwarzen Loch konzentriert sich enorme Masse auf kleinstem Raum. So viel, dass sie die Raumzeit krümmt und dahinter alles für immer verschwindet.

 


Auch im Film symbolisiert das Schwarze Loch das Ende von Raum und Zeit — oder den Beginn von etwas Neuem. Was aber sicher ist: Wenn am Ende Robert Pattinson und seine Filmtochter ins Ungewisse starten, dann tun sie das in einer Raumkapsel, die nach einer Idee von Bertram Strauß entstand.