Wölfe im Hipster-Pelz

 

Neufundland vereinen Systemkritik mit ­poppiger Leichtigkeit

»Mein Glück ist mir schon in die Wiege gelegt, mein Glück zerdrückt euch, ich mach‘s mir bequem.« Für sich genommen, nicht gerade die zwingendste Aussage für den Refrain eines Hitsongs. Die Kölner Band Neufundland sieht das anders. In der ersten Single »Männlich, blass, hetero« aus dem schon bald erscheinenden zweiten Album »Scham« singen die fünf Jungs von sich selbst und hadern mit dem Kreuz der eigenen Privilegiertheit: »Immer noch weiß wie Schnee, white supremacy, ich blick zurück, weil ich nie untergehe«. Das Unverhohlene daran ist, dass es sich bei der musikalischen Untermalung nicht etwa um wütenden Punkrock, sondern um leichtfüßigen Wohlfühlpop handelt.

 


»Wir versuchen dem Pop eigent­lich nur jene Reibung zurückzugeben, die früher ganz normal war«, erklärt Robin Lussu, der Bassist des Quintetts, und hat den Verweis direkt parat: »Die Madonna der 80er war ja auch beides — glamouröser Pop und eben auch subversiv und kritisch. Das macht für uns Pop aus: ein Lied schreiben, für das man kein Musikdiplom oder Spex-Abonnement braucht, das aber trotzdem etwas aussagt«.

 


Neufundland setzen sich zwischen die Stühle Diskurs- und Chartpop und könnten mit diesem Ansatz noch am ehesten mit Bilderbuch verglichen werden — obwohl bei den Österreichern die Subversion eher in der hedonistischen Überaffirmation zu finden ist denn in einer offensichtlich kritischen Haltung, wie sie von Neufundland zum Ausdruck gebracht wird. Wobei der Look der Band dann doch wieder mit der Affirmation flirtet, werden die Insignien des Hipstertums — Schnurrbärte und Männerdutts — doch offenkundig zur Schau getragen. Eine verzwickte Sache, das Ganze.

 


Bemerkenswert ist jedenfalls, wie viel Mühe die Band (mithilfe des Produzenten Tillmann Ostendarp) in die Arrangements gesteckt hat. Hier handelt es sich nicht um 0815-Deutschrock, sondern um ein fein zisiliertes Hybrid aus klassischem Rock­instrumentarium und elektronischen Sounds, das aber nicht plump, sondern leichtfüßig und elegant daherkommt. Bei dem mit Atemgeräuschen versetzen Trommel-Beat von »Männlich, blass, hetero« könnte man sich gar an Justin Timberlake erinnert fühlen. »Wir haben eben auch gelernt, dass ›sauber produzierte‹ Musik nicht flach oder eindimensional sein muss«, bestätigt Robin Lussu, »im Gegenteil: Oft steckt in solchen Produk­tionen deutlich mehr Zeitaufwand und Herzblut.«

 

 


Tonträger: »SCHAM«, erscheint am 31.5. (Unter Schafen Records / Kontor Media)

 


Konzert: Sa 16.11., Gebäude 9, 20 Uhr