Unsere Königin soll grüner werden: Grüne Wahlplakate 1986 und 2019, Foto Plakat: Manfred Wegener

Linksgrün-verzwickt

 

Bei der letzten OB-Wahl war Henriette Reker der Joker. Nun wird sie für die Grünen zum Problem

 

 Im September des kommenden Jahres könnte sich in Köln Histo­risches ereignen. Erstmals könnten die Grünen nicht nur stärkste Kraft im Stadtrat werden, sondern auch die OB-Wahl für sich entscheiden. Ende Mai bekamen die Grünen bei der Europawahl in Köln 32,9 Prozent der Stimmen — CDU (19,8 ­Prozent) und SPD (17 Prozent) lagen abgeschlagen dahinter. Und das bei einer Rekord-Wahlbeteiligung von fast 64 Prozent. Köln ist grün wie nie.

 


Auch wenn die Europawahl nicht auf die Kommunalwahl übertragbar ist, die stärker von Personen geprägt ist, steht fest, dass die Grünen fast nirgendwo so viel Ober­was­ser haben wie in Köln. Das schüttelt die Kölner Politik derzeit gehörig durch.

 


Die Lage in Köln ist dennoch un­durchsichtig. Denn es war 2014 ein Clou der Grünen, die damalige Umwelt- und Sozialdezernentin Henriette Reker ins Rennen zu schicken. Hinter der Parteilosen versammelten sich Grüne, CDU, FDP und kleine Wählergruppen — und deklassierten die SPD und ihren Kandidaten, den damaligen Parteichef Jochen Ott. Doch noch ist unklar, ob Reker wieder antritt. Ursprünglich hatte sie angekündigt, Ende des Jahres öffentlich bekannt zu geben, ob sie erneut kandieren wolle. Dann zog sie den Zeitpunkt eigenhändig nach vorne und äußerte, sie wolle sich schon im Sommer festlegen. Wie man aus dem Rathaus hört, wird die Entscheidung wohl im Herbst ­fallen.

 


Dass Reker zögert, hängt mit dem Höhenflug der Grünen zusammen, die jetzt sogar im OB-Büro landen könnten. Zwar stehen naheliegende Kandidaten wie der Kölner Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann oder Berivan Aymaz und Arndt Klocke aus dem NRW-Landtag offenbar nicht zur Verfügung. Würden die Grünen dennoch einen Kandidaten stellen, würde Reker ohne Unterstützung der Grünen wohl nicht wieder antreten.

 


Doch für die Grünen birgt es Risiken, sich frühzeitig auf eine eigene Kandidatur festzulegen: Behalten die grünen Themen ihre Wucht bis ins kommende Jahr, oder endet der bundesweite Höhenflug, wenn der nächste Hitze- und Dürresommer ausbleibt?

 


Mit einem eigenen Kandidaten könnten die Grünen in der Opposition enden, an der Seite von Reker wäre ihnen ein Platz in der Regierung so gut wie sicher. Das noch größere Problem aber: Die Grünen haben Schwierigkeiten, in einem erneuten Reker-Bündnis ihre Themen voranzubringen. Bisher kennt das » Gestaltungsbündnis« aus CDU, Grünen und FDP in Köln nur Verlierer, die Grünen gehören dazu. In der Verkehrswende ist Köln langsam, das Thema Kalkberg ist noch immer nicht vom Tisch, im Klimaschutz hinkt Köln hinterher. Für ihr junges, forderndes Wähler­klientel brauchen die Grünen aber sichtbare Ergebnisse. Auf Reker können sie nicht zählen. Sie vermeidet es, zu unbequemen Fragen wie dem Kalkberg oder der Ost-West-­Achse klar Stellung zu beziehen. Dem von den Grünen bestellten Umweltdezernenten Rau fährt sie öffentlich in die Parade, während die Dezernatsspitzen mit CDU-Parteibuch munter agieren: Verkehrsdezernentin Andrea Blome wirbt für einen Tunnel auf der Ost-West-Achse, Stadtdirektor Stephan Keller hält am Kalkberg fest — beides kann den Grünen nicht passen.

 


Trotzdem ist es sehr wahrscheinlich, dass Reker erneut antritt und auch die Grünen sie unterstützen. In der Partei gibt es zwar viele, die Reker mittlerweile kritisch sehen, die Grüne Jugend Köln hat bereits öffentlich kund­getan, Reker nicht zu unterstützen. Doch noch verfängt ihr Image als unerschrockene Frau im ­OB-Amt und parteilose Klüngel-Gegnerin. Die Grünen werden von Reker mehr Unterstützung fordern als bisher. Besonders pikant ist, dass sich auch die CDU wohl hinter Reker stellen wird. Tritt Reker an, geht die CDU an ihrer Seite, hat Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau zuletzt bekannt. Einen eigenen Kandidaten, wie ihn nicht wenige in CDU-Kreisen fordern, würde man demnach nur suchen, wenn man müsste. Grüne und CDU würden Reker also gemeinsam unterstützen, obwohl das schwarz-grüne Bündnis im Rat als gescheitert gilt.

 


Die Grünen werden aber kaum ihr altes Bündnis mit der SPD wieder aufleben lassen können. Ihr Verhältnis ist zu angespannt, als dass man vor der Wahl einen gemeinsamen Kandidaten in Stellung bringen könnte. Einen persönlichen Vorstoß unternahm SPD-Fraktionsvize Andreas Pöttgen. Im Express ermutigte er die Grünen nach der Europawahl zu einer eigenen Kandidatur — für eine »progressive, meinetwegen grün-rot-rote Mehrheit«. Wenn die Grünen einen ihrer Spitzenleute, etwa Sven Lehmann oder Arndt Klocke, als OB-Kandidat aufstellten, so Pöttgen, »bin ich unbedingt dafür, dass die SPD das unterstützt«. Der genannte Lehmann winkte direkt via Facebook ab: kein Interesse. Pöttgen solle sich mit solchen Vorschlägen lieber an den grünen Parteivorsitz als an die Boulevardpresse wenden. Bezeichnender noch: Auch aus der SPD bekam Pöttgen für seinen Vorstoß Gegenwind. Die SPD wird bis Jahresende eine eigene Kandidatur nominieren, obwohl es keine realistische Chance auf das OB-Amt gibt.

 


Es sieht danach aus, als würde Henriette Reker 2020 im Amt der Oberbürgermeisterin bestätigt. Auch aus Mangel an Alternativen.