Gin, Bier, Tomaten-Sugo — »Die Menschen machen sich wieder mehr Gedanken über die Qualität ihrer Lebensmittel«

Date mit den Erzeugern

Die Marktschwärmer bringen Lebensmittel aus der Region in die Veedel

 

»Lokaler geht’s nicht«, sagt Saskia von Klitzing. Sie lacht und zeigt Richtung Osten. »Aus Kalk.« Von Klitzing ist eine der »Brewsistas«. Seit knapp zwei Jahren brauen die drei Frauen in kleinen Mengen Bier. Zum Beispiel ein Indian Pale Ale. »Das ist ziemlich fruchtig«, sagt von Klitzing. Der Honig darin stamme aus der eigenen Imkerei. Die Craftbiere der Privatbrauerinnen gibt es nur bei wenigen Kölner Einzelhändlern — einem Bierladen in Nippes oder einem Hostel in Ehrenfeld. Anfang Juli sind die Brewsistas zu Gast bei den »Marktschwärmern Schäl Sick« im Lokschuppen des Mülheimer Hafens. Sie haben ihren Stand neben einem Gemüsegärtner aus Bornheim und einem Milchviehzüchter aus Lindlar. Draußen präsentieren die Jungs vom »Chorweiler«-Kümmelschnaps ihre neue Gin-Kreation. Man findet auch Dinkel-Kamut-Brot, Schweinegeschnetzeltes, Espressobohnen und Kartoffeln.»Mittlerweile kann man bei uns fast einen kompletten Wocheneinkauf abwickeln«, sagt Sonja Langner. Die Mülheimerin ist eine der beiden Organisatorinnen des Marktes.

»Marktschwärmer« ist ein internationales Projekt, das 2011 in Frankreich entstanden ist. Über eine Online-Plattform finden Verbraucher regionale Erzeuger. Man bezahlt alles vorab im Internet und holt seinen Einkauf einmal in der Woche bei einem Markt in der Nähe ab. Dort treffen sich Erzeuger und Verbraucher und tauschen sich aus — ein Dating-Portal für regionale Lebensmittel.

Gerade feierten die Marktschwärmer Ehrenfeld ihr fünfjähriges Bestehen: Die erste Schwärmerei kam als »Food Assembly« nach Köln. Mittlerweile gibt es fünf Verteilorte in Köln, neben Mülheim und Ehrenfeld noch Nippes, Sülz und Südstadt. Fast 10.000 Kölnerinnen und Kölner haben die Plattform bereits benutzt.

»Die Menschen machen sich wieder viel mehr Gedanken über Herkunft und Qualität ihrer Lebensmittel«, sagt Sonja Langner von den Marktschwärmern Schäl Sick. »Die Erzeuger haben plötzlich neue Kunden, von denen sie nicht geglaubt haben, dass es sie gibt. Außerdem lernen sie die Menschen kennen, für die sie produzieren« sagt Langner. Die Verbraucher wiederum bekommen die Geschichte hinter den Produkten erzählt. Das schaffe, sagt Langner, eine Wertschätzung für Lebensmittel. »Die habe ich nicht, wenn ich im Supermarkt schnell was aus dem Regal reiße.«

Regionale Lebensmittel bieten viele Vorteile: Sie sind kulinarisch hochwertig, weil sie frisch und saisonal sind. Die Transportwege sind kurz und emissionsarm. Die Brewsistas etwa brauen nur knapp anderthalb  Kilometer von Mülheim entfernt. Und die legen die Bierbrauerinnen auch noch mit dem Lastenrad zurück.

»Von jedem Euro, den du ausgibst, gehen 81,65 Cent direkt an die Erzeuger«, heißt es bei der Bestellung. Den Rest bekommen die Organisatoren der lokalen Märkte vor Ort sowie die Betreiber der Plattform, die ihren deutschen Hauptsitz in Berlin haben. Um eine Marktschwärmerei zu gründen, braucht es zehn Erzeuger, die einen lokalen Markt regelmäßig beliefern können. »Wir wollen die öko-soziale Ernährungswende mitgestalten«, sagt Sonja Langner. Sie selbst hat dafür Anfang des Jahres nicht nur die »Marktschwärmer Schäl Sick« gegründet, sondern bietet dort auch Wildkräuter-Produkte an. »Im Tomaten-Sugo ist diesmal weniger Spitzwegerich«, sagt Langner. »Es gibt zu dieser Jahreszeit einfach nicht so viele Blüten.«

marktschwaermer.de