Um zehn ist Feierabend!

Der Kölner Haus- und Grundbesitzerverein fordert, dass die Polizei den Brüsseler Platz am Abend partyfrei hält. Vorbild soll Berlin-Kreuzberg sein.

Ganz gleich, ob zwischen schmiedeeisernen Jugendstilgeländern oder bunt bepflanzten Blumenbeeten – an der Admiralbrücke in Berlin-Kreuzberg und am Brüsseler Platz zeichnet sich dasselbe Phänomen ab: An warmen Abenden treffen sich hier Hunderte zum »Outdoor-Clubbing«, wie man in Berlin sagt, oder zum »mediterranen Chillen«, wie es der Kölner gerne umschreibt. Die Anwohner sind genervt vom nächtlichen Lärm, der sie nicht schlafen lässt, und vom Müll, der zurückbleibt. Ein typisches Großstadtproblem, die Diskussionen verlaufen ähnlich. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wem gehört der öffentliche Raum?

 

In Berlin ist jetzt Schluss mit der Brücken-Romantik. Seit April übernehmen im rot-grün regierten Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain ab 22 Uhr Polizei und Ordnungsamt die Regie. Die Admiralbrücke,   eine Bogenbrücke über den Landwehrkanal, wird »freigesprochen«, so nennt Frank Schattling, der zuständige Leiter des Polizeibezirks, die möglichst friedvolle Räumung. Ab 18 Uhr fahren zwei Polizisten zusätzlich Streife, um 22 Uhr wird die Brücke geräumt. Einige Beamte bleiben bis zwei Uhr nachts. Bislang sei alles eskalationsfrei verlaufen, sagt Schattling – und das in Kreuzberg, wo man ja bekanntlich dazu neige, die Straße für sich zu beanspruchen.

 

Dem Kölner Haus- und Grundbesitzerverein gefällt das Berliner Modell: »Die Modera­tion am Brüsseler Platz ist gescheitert. Wir fordern eine härtere Gangart und sollten das Problem mit Polizeipräsenz wie in Berlin lösen«, sagt Geschäftsführer Thomas Tewes.

 

Hupke: »Vertreibung ist keine Lösung«

 

Kommunalpolitiker in Köln erteilen dem Berliner Ansatz jedoch eine Absage: Man halte an dem liberalen Kurs fest, repressive Maßnahmen seien immer nur die ultima ratio, so eine Sprecherin des Ordnungsamtes. Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) sieht das ähnlich: »Vertreibung ist keine Lösung, damit  würde man das Problem nur verlagern und eine ungeheure Provokation hervorrufen«, sagt er. Eine Nutzungsbeschränkung, wie sie der Haus- und Grundbesitzerverein zur Durchsetzung der Nachtruhe verlangt, hätte zur Folge, dass der Platz quasi abgesperrt werden müsste. »Es dürfte niemand mehr den Platz nutzen. Auch nicht die Anwohner zur Überquerung. Das wäre sicher nicht sachgerecht«, teilt die Stadt Köln mit.

 

Am Brüsseler Platz sollen stattdessen die Vorschläge von Mediator Detlev Wiener aus dem  »Abschlussbericht zur Moderation am Brüsseler Platz« (vgl. SR 04/2011) umgesetzt werden, die der Ratsausschuss für Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen im Februar beschlossen hat. Demnach wird die »kontrollierte Außengastronomie« erweitert und der Platz vor St. Michael bestuhlt und von einem Getränkekiosk der Kirchengemeinde bewirtet – damit die Feiernden weniger Platz haben.

 

Berlin orientierte sich zunächst an Köln

 

Interessanter Aspekt am Rande: Es waren die Berliner, die zuerst nach Köln geblickt haben. Dem Polizeieinsatz ging ein siebenmonatiges Mediationsverfahren – angelehnt an die Moderation am Brüsseler Platz – von Mai bis Dezember 2010 voraus, das Anwohner, Nutzer und Behörden an einen Tisch bringen sollte. Die Frage, ob die Mediation gescheitert sei, weisen die Schlichter vom Berliner Büro »Streit Entknoten« allerdings zurück: »Die Zeit war sehr knapp, dafür hatten wir gute Erfolge«, sagt Teamleiterin Doris Witfeld. Verzwickt sei gewesen, dass ein Großteil der Brückennutzer Touristen seien, die man mit einer Schlichtung nicht erreiche.

 

A propos Nutzer: Auch im Belgischen Viertel sollen schon die ersten Ortsunkundigen mit dem Reiseführer in der Hand auf dem Weg zum Brüsseler Platz gesichtet worden sein. Ebenso zieht es zunehmend am Wochenende Partygänger von außerhalb dorthin. Detlev Wiener sieht darin eine Ursache dafür, dass sich der Konflikt zugespitzt hat. Er hat auch schon einen Lösungsvorschlag: »Die Jungs vom Ring mit ihren Goldkettchen, die nach einer Braut suchen, sind schnell wieder weg, wenn die Mädels am Platz über die Freiheitsbewegung in Libyen sprechen«, sagt er schmunzelnd.