Noch ist alles ruhig, aber bald rücken hier die Bagger an: das Gelände der früheren Gummiwarenfabrik Clouth in Nippes; Foto: Manfred Wegener

Extrem laut und unglaublich nah

Auf dem ehemaligen Clouth-Gelände in Nippes sollen Wohnungen für bis zu dreitausend Menschen entstehen

 

Seit zehn Jahren schon soll das 14,6-Hektar-Gelände der ehemaligen Gummiwarenfabrik Clouth für Wohnungen, Büros und kleinere Gewerbe entwickelt werden. Seit 2004 liegt der Siegerentwurf eines Architektenwettbewerbs vor, doch die Vermarktung des Geländes verlief erfolglos. Schließlich beauftragte der Rat der Stadt im Juni vergangenen Jahres die Stadtentwicklungsgesellschaft Moderne Stadt damit. Die Gesellschaft gehört zu etwa gleichen Teilen der Stadt Köln und dem Stadtwerkekonzern.

 

Nun, da der Abriss der alten Industriehallen ansteht, fühlen sich viele Anwohner spät darüber unterrichtet, was hier geschehen wird. Auf der überfüllten Informationsveranstaltung Ende Februar bemängelten die 300 Besucher zwar kaum das Projekt als solches, jedoch die unzureichende Information durch Moderne Stadt und ihren Geschäftsführer Bernd ­Streitberger. Dabei hatte der vormalige Baudezernent in seiner Amtszeit gerade für mehr Information, Transparenz und Beteiligung geworben. Doch betreibt Moderne Stadt zum Projektstart keine aktuelle Homepage, und auf ein Info-Büro, wie es bei Großprojekten längst zum Standard gehört, verzichtet man. Aus Kostengründen, wie es heißt.

 

1000 Wohnungen für bis zu 3000 Menschen

 

Insgesamt investiert Moderne Stadt 35 Millionen Euro in Abriss, Erschließung und Dekontamination des Areals. Auch 70 Wohnungen errichtet Moderne Stadt selbst, darunter auch geförderten Wohnungsbau. 1000 Wohnungen für bis zu 3000 Menschen sollen entstehen. Doch das Gelände der ehemaligen Gummiwarenfabrik Clouth ist hochgradig kontaminiert, entsprechend aufwendig ist die Schadstoffbeseitigung und der Abtransport des Bauschutts. Weil der Boden auf dem Fabrikgelände vollständig versiegelt ist, ist die Entfernung der Fundamente sehr aufwendig und laut.

 

Bernd Streitberger hatte zumindest das über die Tagespresse vor einigen Wochen betont und trat rhetorisch die Flucht nach vorn an. Dass die Abriss- und Sanierungsarbeiten allerdings täglich außer sonntags von 7 Uhr bis 21 Uhr dauern werden, erfuhren die Bürger erst auf Nachfrage. Wenn man täglich weniger arbeite, so Streitberger, würde es zum einen teurer und zum anderen noch länger dauern. Bislang heißt es, die Anwohner sollen sich auf anderthalb Jahre Lärm vorbereiten. "Ganz ehrlich", so Streitberger auf der Veranstaltung, "ich bin froh, nicht dort zu wohnen." Ob es bei den anderthalb Jahren bleibt, ist auch fraglich. Das Clouth-Gelände wurde im Zweiten Weltkrieg bombardiert. Nicht unwahrscheinlich, dass bei den Sanierungsarbeiten noch Blindgänger entdeckt werden.

 

Zu wenig öffentlich geförderte Wohnungen?

 

In der neuen Siedlung sind neben Luxus-Wohnungen mit Blick auf den Johannes-Giesberts-Park auch rund 250 öffentlich geförderte Wohnungen vorgesehen. Manch einem ist das für Nippes zu wenig. Andere kritisieren, dass es keine Einkaufsmöglichkeiten hier geben wird, weil keine Konkurrenz zu den Geschäften an der Neusser Straße entstehen soll. Ebenso wenig sind für die 3000 Bewohner besser getaktete Busverbindungen geplant. Schon jetzt aber führe der Autoverkehr auf der angrenzenden Xantener Straße zu Staus, berichten Anwohner.

 

Ein heikler Punkt sind die Auswirkungen der Planungen auf dem Clouth-Areal für den angrenzenden Johannes-Giesberts-Park. Moderne Stadt plant auf der Ostseite des Geländes fünf Wege, die auf den Hauptweg des Parks zulaufen. Denn die Menschen sollen rasch zur KVB-Haltestelle an der Amsterdamer Straße gelangen. Dafür muss eine 8,50 Meter hohe und 400 Meter lange Mauer an der Ostseite des Clouth-Geländes abgerissen werden. Allerdings stehen dort rund 50 Bäume, die Parkschützer nun gefährdet sehen. Zum einen, weil der Windschutz durch die Mauer wegfiele, zum anderen, weil die Bäume teilweise unter dem Fundament der Mauer wurzeln und durch den Abriss beschädigt würden.

 

Weißer Trauerflor für 50 Bäume

 

Eine Initiative, die sich dafür einsetzt, dass der angrenzende Johannes-Giesberts-Park nicht beeinträchtigt wird, hat sich bereits gespalten: Da ist zum einen der Freundeskreis und zum anderen die Bürgerinitiative. Der Freundeskreis Johannes-Giesberts-Park betont, man wolle mit Moderne Stadt und den beteiligten Ämtern ins Gespräch kommen. "Wir wollen an den Planungen beteiligt werden", fordert ihr Sprecher Alexander Gelhausen. Denn der Park drohe von einem Wege-Netz überzogen zu werden. "Die Menschen wollen aber nicht an Wegen liegen, sondern auf einer Wiese." Der Freundeskreis wundert sich zudem, warum Moderne Stadt planerischen Zugriff auf den Park habe. Man wolle den "Grünfraß in Köln aufhalten", sagt Gelhausen.

 

Auch die Bürgerinitiative Johannes-Giesberts-Park findet es unzulässig, dass der neue Eigen­tümer des Clouth-Areals den Park neu plant. Sprecher Michael Brückner, selbst Landschaftsarchitekt, hat Kontakt zur Initiative "Bürger für Bäume" geknüpft, die in Fragen des Baumschutzes bei Projektplanern als radikale Hardliner gelten. Den 50 Bäumen entlang der Mauer haben Brückner und seine Mitstreiter weißen Trauerflor umgebunden.

 

"Bananensprayer" hat bereits Widerstand angekündigt

 

Auch unter den Künstlern, die noch auf dem Gelände Ateliers haben, steigt der Unmut. Die Künstlergemeinschaft CAP Cologne, die zurzeit noch etwa zwei Dutzend Mitglieder hat, will nicht aus der Halle 10 ausziehen. Moderne Stadt will allerdings dort Wohnungen bauen lassen. Zwar gibt es für die Künstler ein Angebot, in eine andere Halle zu ziehen, dort müssten sie aber für die Sanierung selbst bezahlen. Noch Mitte 2012 war den Künstlern in Aussicht gestellt worden, bleiben zu können. Der "Bananensprayer" Thomas Baumgärtel hat bereits Widerstand angekündigt.

 

Trotz der Belastungen für die Anwohner, trotz der verärgerten Künstler, trotz besorgter Parknutzer, hat sich noch kein gemeinsamer Widerstand formiert. Auch wurde auf der Informationsveranstaltung das Projekt nie grundsätzlich infrage gestellt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Nippes von Stadtteilen wie Ehrenfeld oder der Südstadt. Dort hätte Moderne Stadt auch kaum eine solch sparsame Informationspolitik betreiben können. In einem längeren Prozess den  Bürgern das Projekt zu erläutern und mit ihnen zu diskutieren, hat man in Nippes nicht für nötig befunden. Und bislang ist diese Strategie aufgegangen. Dass dies so bleibt, wenn die ersten Bagger die Hallen niederreißen und täglich bis zu vierzig LKW den Schutt über die Xantener Straße abtransportieren, ist aber kaum zu erwarten.