Foto: Manfred Wegener

Die Vertreibung aus dem Badeparadies

Am Rather See soll eine Freizeitanlage mit Wasserski und Badestrand entstehen. Doch wegen des Widerstands einiger Lokalpolitiker und eines Angelvereins kommt das Projekt nicht richtig voran

Das Paradies beginnt hinter Brombeersträuchern und löchrigem Maschendrahtzaun. Im Hintergrund sind die klobigen Hochhäuser von Neubrück zu sehen, davor ein idyllisches Biotop mit Spazierwegen, Wasservögeln, seltenen  Eidechsen und Wasserlilien. Und eine der beliebtesten illegalen Badeseen im Rechtsrheinischen, der an Sommertagen begeistert genutzt wird.

 

André Honerbach las vom Rather See erstmals in der Zeitung. Der 34-jährige Bankkaufmann ist bislang noch nicht als Investor von Großprojekten in Erscheinung getreten. Aber er fährt gerne Wasserski, und das ist in diesem Fall kein unwesentliches Detail. Schon lange träumt Honerbach davon, eine eigene Anlage zu betreiben. Als er 2009 erfuhr, dass die Firma Heumar Beton Knoll GmbH die Anfang der 50er Jahre begonnene Auskiesung beendet, setzte er sich mit der Erbengemeinschaft in Verbindung, die große Teile des Geländes besitzt. 

 

Gemeinsam entwickelte man ein Konzept für den Baggersee: Zwei Wasserskianlagen sollen entstehen, ein kostenpflichtiger Badebereich mit Liegewiese, Beachvolleyball und ein wenig Gastronomie. »Das wird schick werden, ob man nun baden, Wasserskifahren oder einfach ein bisschen Erholung will«, freut sich Honerbach. Die Anlage sieht er auch als Chance für den Stadtteil: »Den Standort Rath-Ostheim macht das um Längen attraktiver.« 

 

Ursprünglich sollte die Anlage im Sommer 2013 eröffnet werden. Die Auskiesung ist bereits seit 2011 beendet, noch bis Ende dieses Jahres kümmert sich die Firma um die Rekultivierung des Geländes. Doch der Zeitplan wird nicht eingehalten werden. Zu groß ist der Widerstand gegen »Kölns größtes Freizeitprojekt«, wie Florian von Stein, der Sprecher der Erbengemeinschaft, es nennt. 

 

Wie stark der Gegenwind ist, wurde zuletzt bei der Bürgerversammlung im Februar deutlich. Mehr als drei Stunden wurde in der Aula der Kurt-Tucholsky-Hauptschule diskutiert. »Bei solchen Veranstaltungen kommen immer nur die Leute, die dagegen sind, und selten die, die das gut finden. Das ist schade«, sagt Honerbach.

 

Hans Peter Fischer ist einer von denen, die dagegen sind. »Ich höre oft von Menschen, die dort angeln möchten. Oder schwimmen, oder Spazierengehen. Von Wasserskifahren ist eher selten die Rede«, so der Linken-Politiker, der selbst in Neubrück wohnt. Die Bedürfnisse der Menschen, die den See hauptsächlich nutzen, spielten bei den Planungen keine Rolle, kritisiert er. Das Baden, wenn auch bislang illegal, und der Angelsport würden einfach verdrängt. Fischers Idealvorstellung ist ein überwachter Badestrand, dazu Spazierwege und ausreichend Rückzugsräume für die Natur. Ein Naherholungsgebiet, mit Betonung auf der ersten Silbe. »Aber natürlich macht man damit keinen Gewinn«, fügt er an. 

 

Auch Rüdiger-René Keune, Vorstandssprecher der Grünen in Kalk, findet kaum positive Worte für das Projekt. Auch für ihn steht die Nutzung als Badesee im Vordergrund, und der nach den derzeitigen Planungen dafür vorgesehene Bereich sei schlichtweg zu klein: »Der Badesee macht nur ein Zwanzigstel des gesamten Sees aus. Das wird als Badeparadies verkauft, ist aber eher ein Wasserskiparadies.«

 

SPD und CDU in Kalk unterstützen das Projekt. »Am wichtigsten ist das Baden, klar. Und auch ein schöner Rundweg für Spaziergänger wäre wichtig«, sagt Bezirksbürgermeister Markus Thiele. Aber dass der Investor einen Weg suche, um schwarze Zahlen zu schreiben, hält er für nachvollziehbar. Die Gefahr einer Ballermannisierung sieht Thiele jedenfalls nicht, sagt er.

 

Fischer wirft Politik und Verwaltung vor, das Projekt am Bürger und den Ausschüssen vorbei durchbringen zu wollen. Tatsächlich lesen sich die Protokolle der städtischen Sitzungen zum Thema mitunter verwirrend. Im September 2010 beschloss der Stadtentwicklungsausschuss ein Bebauungsplanverfahren für den Rather See, mit dem Ziel einer Nutzung als Bade- und Freizeitsee. Die Planung sollte entgegen der ursprünglichen Pläne der Projektentwickler mit nur einer Wasserskibahn erfolgen, eine zweite Bahn lediglich als »Option« geprüft werden.

 

Im Dezember 2011 wurde dann ein neuer Beschluss verhandelt — diesmal war die zweite Wasserskibahn nicht mehr nur optional. In den aktuellen Plänen der Stadt Köln ist zudem eine so genannte Easy-Start-Anlage aufgeführt, eine kleine Übungsbahn, von der in vorigen Plänen nie die Rede war und die auch bei der Bürgerversammlung nicht erwähnt wurde. Die Planungen seien den Vorstellungen der Eigentümer und des Investors angepasst worden, klagt Fischer. Noch im Februar 2013 schrieb er eine Anfrage an Thiele und Roters bezüglich der Änderungen. Eine Antwort hat er noch nicht erhalten.

 

Florian von Stein von der Erbengemeinschaft kann die Aufregung nicht verstehen.  Man habe schon viel umgearbeitet und gehe auf alle Wünsche ein. Gerade im Moment bearbeite man zusammen mit dem Stadtplanungsamt die rund 90 Einwendungen, die Bürger im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung einreichen konnten. Auch Honerbach kann

die Kritik nicht nachvollziehen. Die zwei Wasserskibahnen seien schlicht notwendig, damit das Projekt sich rentiere, sagen er und von Stein unisono. Was genau die geplante Anlage kostet, möchte Honerbach nicht sagen, aber es geht um einen Betrag von mehreren Millionen. Eine Wasserskibahn alleine kostet um die 350.000 Euro.

 

Die Kalker Lokalpolitiker von der Linkspartei und von den Grünensind indes nicht die einzigen, die von Stein und Honerbach Sorgen bereiten. Neben der Erbengemeinschaft gibt es auch drei weitere Eigentümer, und mit denen gibt es Ärger. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht der Angelsportverein, kurz ASV Rath. Die Angler nehmen für sich die ältesten Rechte in Anspruch. Der damalige Eigentümer des Auskiesungsunternehmens initiierte bereits in den 50er Jahren den Verein, der sich 1974 dann auch formal gründete.

 

Jürgen Richartz ist erster Vorsitzender des ASV Rath. »Wir sind seit über 40 Jahren da, haben Pacht gezahlt, Müll aufgesammelt und uns um den See gekümmert. Und jetzt sollen wir in die Röhre gucken«, sagt er. Auch er erfuhr von den Plänen aus der Zeitung und setzte sich dann mit von Stein in Verbindung. Man sei eigentlich nicht gegen das Projekt, im Gegenteil, versichert Richartz. Sie wollen lediglich dabei sein, wollen weiterhin das Gewässer bewirtschaften, erklärt Richartz. Anfangs seien die Gespräche noch kooperativ verlaufen, sagt er. Mit zunehmender Dauer habe man ihn jedoch regelrecht einzuschüchtern versucht, das Projekt nicht zu behindern.

 

Von Stein wehrt sich gegen die Vorwürfe. Man habe ja versucht, gemeinsam mit der Stadt mit den Anglern zu verhandeln, »aber die stellen nur Forderungen, und ihr einziges Argument ist: Wir sind schon seit Ewigkeiten da«, sagt er. Richartz hält dagegen. Das Stadtplanungsamt habe auf Nachfrage angeboten, eine 100 Meter lange Uferlinie zu nutzen. »Das geht nicht. Wir sind 100 Leute im Verein, wo sollen die hin? Das ist, als würde man einem Kegelclub eine halbe Kegelbahn zur Verfügung stellen.« 

 

Momentan sieht es nicht nach einer Einigung aus. Beide Seiten beteuern, die jeweils andere behindere die Zusammenarbeit. Von Stein schließt eine Zusammenarbeit mit dem ASV Rath mittlerweile kategorisch aus. Der Streit mit den anderen Eigentümern — neben den Anglern unterstützen noch zwei weitere Eigentümer kleiner Parzellen das Projekt nicht — zwang die Planer zu weiteren Änderungen: Die gesamte Ostseite des Sees soll nun nicht mehr genutzt werden. Dass dort dann aber vermutlich weiterhin wild gebadet werden wird, darüber gibt es ausnahmsweise keine Meinungsverschiedenheiten. Zumal der geplante Badestrand nachmittags im Schatten liegt — das Ostufer dagegen hat am längsten Sonne.

 

Sicher scheint eines: es wird noch eine Weile dauern, bis es los geht am Rather See. »2014 wäre schön, es wird aber eher 2015 werden«, sagt Florian von Stein angesichts des Widerstands und der vielen Gremien, die die veränderten Planungen nun erneut abnicken müssen. Die Grünen wollen weiter dagegen stimmen, sagt Rüdiger-René Keune. Hans Peter Fischer ist vor allem die Preisgestaltung wichtig. Wenn die Pläne umgesetzt werden wie geplant, soll der Eintritt wenigstens unter den Raten für städtische Bäder liegen. Und der ASV Rath hat sich Rechtsbeistand geholt, um seine Fischereirechte notfalls einzuklagen. »Wir haben nicht viel zu verlieren, wir werden durch alle Klageinstanzen gehen«, kündigt Jürgen Richartz an. 

 

Seit Ende vergangenen Jahres gibt es auch eine Facebookseite »Wasserskianlage Rather See«. Momentan liegt die Anzahl der »likes« bei unter 20.