Perle vor dem Abriss: das WDR-Parkhaus soll einem »hochwertigen« Projekt weichen. Foto: Dörthe Boxberg

Kultur zwischen Kiosk und Parkhaus

Mit zehn Jahren Verspätung beginnt das Werkstattverfahren zur Via Culturalis

Er sei vom Engagement und der Kreativität Kölns beeindruckt, schrieb 2003 der damalige Städtebauminister Michael Vesper an Fritz Schramma, als die Stadt mit der Via Culturalis einen Landeswettbewerb gewann. Der Gedanke, den Weg zwischen Dom und St. Maria im Kapitol als Kulturmeile in Szene zu setzen, die sich zwischen der Konsummeile Hohe Straße im Westen und der touristischen Meile am Rhein im Osten wiederfindet, wurde erstmals von dem Architekten Oswald Mathias Ungers formuliert, der damit nicht zuletzt sein neu gebautes Wallraf-Richartz-Museum ins rechte Licht setzen wollte. Zweitausend Jahre Stadtgeschichte sollen auf der Via Culturalis erfahrbar sein, die über den Roncalliplatz den Straßen Unter Goldschmied, Quatermarkt und Kleine Sandkaul folgt und dabei unter anderem das Historische Rathaus und die Archäologische Zone, Alt St. Alban und Gürzenich passiert.

 

2003 stellte das Land NRW 48.000 Euro in Aussicht, und der Rat beschloss zwei Jahre später, die Summe mit eigenen Mitteln zu verdoppeln, um einen Workshop zur Via Culturalis zu veranstalten. Passiert ist seither: nichts. Man habe erst einmal abwarten müssen, wie sich der Rathausvorplatz mit Archäologischer Zone entwickle, so Anne Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamts. Weil die Planung nun aber weit fortgeschritten sei — und mehr noch, weil andernfalls die Fördergelder ausgelaufen wären, wie Müller einräumt — hat das Werkstattverfahren mit zehn Jahren Verspätung nun begonnen.

 

Im Herbst sollen die Pläne dann der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Bis dahin beschäftigen sich drei interdisziplinär arbeitende Büros, jeweils mit mindestens einem Architekten oder Stadtplaner sowie einem Kommunikationsdesigner, Freiraumplaner oder Lichtdesigner besetzt, mit der Frage, wie man den abstrakten Begriff der Via Culturalis mit Leben füllen könnte. Die Aufgabenstellung umfasst zweierlei: »Einerseits sollen städtebauliche Rahmenbedingungen definiert werden, die für alle künftigen Bauprojekte entlang des Weges bindend sind, und Empfehlungen für die Ausgestaltung des öffentlichen Raumes erarbeiten. Zweitens wünschen wir uns ein Kommunikationskonzept, das die Idee der Via Culturalis begreifbar macht«, erläutert Müller.

 

Vor allem das erste Ziel steht im Fokus, denn gebaut wird in nächster Zeit so einiges: Auf dem Roncalliplatz soll das Kurienhaus samt Verwaltungsgebäude des Römisch-Germanischen Museums abgerissen und, wenn es nach den Vorschlägen der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner geht, durch einen repräsentativen Großbau ersetzt werden — ganz nach dem Vorbild des ehemaligen erzbischöflichen Palasts, der an dieser Stelle stand. Nur wenige Schritte entfernt kündigt sich ein weiterer drastischer Eingriff an: Das Grundstückskarree mit dem WDR-Parkhaus Unter Goldschmied soll abgerissen und zu einem »hochwertigen Projekt« entwickelt werden.

 

Selbst, wenn bis dahin vernünftige bauliche Rahmenbedingungen für diese Projekte gelten sollten: Für den Großteil des Kulturpfads kommen sie zu spät. »An der Via Culturalis sind die meisten kleinteiligen Strukturen der mittelalterlichen Altstadt durch Großbauten ersetzt worden«, so die ehemalige Stadtkonservatorin ­Hiltrud Kier. Eins der wenigen Karrees, das die mittelalterlichen Grundrisse noch erahnen lässt, muss gerade dem »Gürzenichquartier« weichen, einem wuchtigen Büro- und Geschäftskomplex. Hoffnung setzt Kier noch auf die Neugestaltung des Quatermarkts. »Die Freifläche mit dem Café wird gut angenommen; genauso wie der Durchgang zur Hohe Straße. Es ist zu wünschen, dass diese offene Situation beibehalten wird.«

 

Die größte Herausforderung steht den beteiligten Büros jedoch mit dem letzten Abschnitt der Via Culturalis bevor. Durch die Pippinstraße bleibt St. Maria im Kapitol hoffnungslos abgeschnitten, einen akzeptablen Fußgängerüberweg gibt es nicht. 1950 hatte der frühere Kölner Stadtplaner Rudolf Schwarz die Idee, den Verkehr auf der Ost-West-Achse auf Höhe der Nordsüdfahrt abzufangen und über den Blaubach abzuleiten. Ergebnis wäre heute ein zusammenhängender, beruhigter Altstadtbereich westlich des Heumarkts. Diese Pläne ließen sich jedoch schon damals nicht gegen die Verkehrslobby durchsetzen.

 

Was den kommunikativen Aspekt des Werkstattverfahrens betrifft, so stellt Anne Luise Müller sich eine mediale Inszenierung der Via Culturalis vor: »Wir wollen nicht die üblichen Wegstelen mit Infotexten.« Müller denkt da etwa an eine besondere Form der Internetpräsenz, die auch die archäologischen Attraktionen virtuell zugänglich macht. Die Via Culturalis-App als Lösung? Auch wenn sich Hiltrud Kier unter einem medialen Konzept nicht viel vorstellen kann, begrüßt sie doch das Werkstattverfahren insgesamt. »Die Via Culturalis ist wichtig für Köln. Wir haben hier Bauten von großer Bedeutung, aber sie stehen nicht auf dem Präsentierteller. Die Perlen liegen nicht als Kette da.«