Foto: Manfred Wegener

Nippes – Tälchen, Tower, Tadsch Mahal (komplett)

Sülz ist gesetzter, Kalk ärmer und Ehrenfeld hun­dert­­mal hipper. Nippes ist von allem nur ein bisschen — und doch besonders. Nur hier gibt es einen Wochenmarkt, der täglich stattfindet, und wo Türken, Bionade-Bourgeoisie und Alteingesessene zusammen einkaufen. Hier verstecken sich Sternwarte und Planetarium in einem gewöhnlichen Gymnasium. Und nur hier wird der Karneval schon um elf nach neun eröffnet.

Wilhelmplatz

 

Es heißt oft, in Köln gebe es kaum schöne öffentliche Plätze. Nippes können die Kritiker damit nicht gemeint haben: Hier gibt es das Nippeser Tälchen, das an schönen Sommertagen oft überfüllt ist, weil es so lauschig ist. Am Schillplatz stellen an warmen Tagen eine Weinstube und ein Kneipenrestaurant Tische und Stühle auf, und wer kein Geld fürs Bier zahlen will, setzt sich einfach direkt aufs Kopfsteinpflaster. Der Baudriplatz ist fest in der Hand von jungen Eltern, die nach dem Kinderturnen noch einen Cappuccino im Café Eichhörnchen trinken. Und an dem von Jugendstilhäusern gesäumten Leipziger Platz spielen tagsüber Kinder*, die abends von abenteuerlustigen Teenagern abgelöst werden.

 

Vielleicht nicht der schönste, aber der bekannteste Platz im Veedel ist der Wilhelmplatz. Hier gibt es einen beliebten monatlichen Trödelmarkt* und einen Wochenmarkt, der außer sonntags jeden Tag stattfindet — das erste mal bereits im Jahr 1900. Ur­sprüng­lich standen Ahornbäume auf dem Platz, in den 60er ­Jahren wurde er als Parkplatz benutzt — und für den Vorschlag, hier eine Tiefgarage zu errichten, wurde bis in die 80er Jahre ernsthaft geworben. Schöner ist der Wilhelmplatz im Laufe seiner Geschichte nicht geworden. Noch heute besteht er aus einer geteerten Platzdecke, die 1992 mit einem eigenartigen Gebäude versehen wurde, das den Nippesern von Beginn an Rätsel aufgab. Um eine Bühne zu sein, ist nicht genug Platz obendrauf. Um als Tribüne zu dienen, scheint es aber auch nicht geeignet — zumindest wurde bei einem Veedelsfest Anfang der 90er Jahre direkt vor dem Bau eine Tribüne errichtet.

 

Doch inzwischen haben die Nippeser sich an das Tadsch Mahal* genannte Bauwerk gewöhnt, und viele nutzen es, um von seinen Stufen aus das Treiben auf dem Markt zu beobachten oder die Kinder, die nachmittags auf dem Platz Fahrradfahren lernen. Und so ist der Wilhelmplatz ein bisschen wie der ganze Stadtteil: Nicht aufregend, nicht überall schön, aber freundlich und ein bisschen skurril. Und lebhaft — zumindest bis acht Uhr am Abend.

 

 


Relikte des Größenwahns

 

Mitte der 70er Jahre wollte die Stadtspitze Nippes komplett verändern. Die technokratische Euphorie dieser Ära, das großmaßstäbliche Denken, die Stadtplanung aus der Vogelperspektive — all das hat das Veedel einschneidend geprägt, obwohl die verrücktesten Ideen noch gestoppt werden konnten.

 

Berüchtigt sind die Pläne für eine Stadtautobahn mitten durch den Grüngürtel, entlang der Inneren Kanal­stra­ße. Proteste seit Anfang der 70er Jahre verhinderten zwar das Vorhaben, aber man sieht heute an Neusser Straße?/?Ecke Innere Kanalstraße noch jene Unterführung, unter der die Autos auf die Stadtautobahn gelangen sollten. Allerdings hatte die Stadt die 1973 errichtete Brücke später wieder zuschütten lassen, da man nun die Autobahn zwischen Zoobrücke und Nippes als Tunnel bauen wollte. Nachdem dieses Projekt 1979 endgültig aufgegeben worden war, legten 1988 Bagger die Unterführung wieder frei — heute dient die Brücke als breite Fußgängerunterführung am Grüngürtel und führt direkt zur Skater-Rampe*.

 

Gleichzeitig plante man Ende der 60er Jahre, die Neusser Straße von der Kempener bis zur Blücher Straße in eine Einkaufsstraße zu verwandeln. Vorbild waren Hohe Straße und Schildergasse in der City. Um die Shopping-Besucher anzulocken, sollten alte Wohnungen modernen Parkhäusern weichen. Auch hier wehrten sich die Nippeser weitgehend mit Erfolg. Parkhäuser oder Tiefgaragen, etwa am Wilhelmplatz oder Leipziger Platz, wurden verhindert.

 

Andere große Verkehrsprojekte sind umgesetzt worden. Dazu zählt die Hochbahn entlang des Gürtels, die ab Sommer 1973 errichtet wurde. Ursprünglich sollte darunter der Autoverkehr vierspurig von Bilderstöckchen auf die Mülheimer Brücke preschen können, doch das letzte Teilstück hinter Mauenheim wurde nie verwirklicht. In Nippes ist unter der Stadtbahntrasse derzeit nur Ödnis: staubige Parkplätze, wilde Müllhalden, ideenlose Grünflächen. Da helfen auch die Graffiti des City-Leaks-Festivals nicht, die hier seit 2013 prangen. Und so ist heute am Anfang und Ende von Nippes die irre Gedankenwelt einer Autogerechten Stadt zu bestaunen. Dass ausgerechnet in diesem Stadtteil eine »Autofreie Siedlung« entstanden ist, wirkt da nur wie lieblose Wiedergutmachung.

 

 


Die Liebe zur Hauptstraße

 

In Nippes auszugehen, ist ein exklusives Vergnügen. Nicht, weil Kneipen und Restaurants teuer oder versnobt wären — sondern weil »Nach Nippes zum Ausgehen« für alle Nicht-Nippeser ein wenig absurd klingt. Zum Ausgehen fährt man nach Ehrenfeld, ins Belgische Viertel und — Schauder — in die Altstadt. In Nippes geht man nur aus, wenn man eh schon da ist und sich entschließt, noch auf ein Bier zu bleiben. Das erkennt man schon bei der Anfahrt. Im Kornbrenner, im Nippeser Süden direkt an der Neusser Straße, sitzen ab sechs die Einheimischen an den Außentischen und teilen sich das Nippeser Stadttor mit vierspuriger Straße, Rad- und Fußverkehr.

 

Überhaupt sind die Nippeser ihrer Hauptverkehrsstraße geradezu libidinös verhaftet. Egal, ob veganes Frühstück, Frikadelle zum Mittagessen oder Döner zum Nachtmahl — die Neusser Straße ist Shopping-, Fress- und Flaniermeile zugleich. Dabei teilen die verschiedenen Nippeser Milieus die Straße unter sich auf. Bohème, Neu-Eltern und Kultur­prekariat gehen in die Café Bar, die türkischen Kids zum Frühstück ins Simitzade, und für alle anderen gibt es das Rosenstock. Diese Aufteilung des Stadtraums verschwindet auch nicht, wenn sich abends das Geschehen auf die Plätze verlagert. Am Schillplatz diniert man zwischen Italienisch und Weinbar, auf dem Leipziger Platz verdichtet sich die Diversität des Stadtteils. Auf dem Spielplatz und an der Bushaltestelle trinken die Jugendlichen ein Mitgebrachtes vom Büdchen, der Rest sitzt in der lauschigen Außengastronomie des Basil’s. Und das Kuen? Gibt es noch und wird es vermutlich immer geben. Schon alleine, weil das dortige Pop-Quiz einer der wenigen Anlässe ist, an denen sich auch Nicht-Nippeser ins Veedel verirren.

 

 


Vergessene Geschichte

 

Ende der 80er Jahre saß Katharina Scholl auf ihrem Fenstersims, als am späten Abend der alternative Geisterzug durchs Afrikaviertel zog. »Was macht Ihr hier?« fragte sie die Leute, die ihr Fenster passierten. Ein junger Mann gab die Frage mit der damals üblichen Selbstgerechtigkeit zurück: »Was machen Sie hier? Schämen Sie sich nicht?« Frau Scholl wohnt in einem der ersten Häuser im Afrikaviertel, das nördlich vom Leipziger Platz liegt, es ist ein Viertel mit einer unbekannten Geschichte.

 

1935 wurde beschlossen, mit den Straßennamen im Viertel an die deutsche Kolonialvergangenheit zu erinnern. Die »Tangastraße« erinnerten an den deutschen Sieg über die Briten in der Schlacht um Tanga im ersten Weltkrieg, andere wurden nach Carl Peters oder Adolf Lüderitz benannt. Lüderitz hatte sich in Südafrika durch betrügerische Verträge mit den Nama Land angeeignet. Carl Peters hatte 1891 einen Aufstand in Deutsch-Ost­afrika ausgelöst, weil er sowohl seine afrikanische Geliebte, als auch seinen Diener, für den sie ihn verlassen hatte, erhängen ließ. Die Nazis stilisierten Peters jedoch zum deutschen Kolonialhelden und widmetem ihm neben einem Propagandafilm auch eine Straße in Nippes.

 

Katharina Scholl war all das unbekannt. »Die meisten ­meiner Freunde in Nippes haben keine Ahnung, warum das Viertel und seine Straßen so heißen«, erzählt sie. Anfang der 90er forderten die Grünen in der Bezirksvertretung Nippes die Umbenennung der Straßen im Afrikaviertel. Sie schlugen vor, eine Straße nach Jakob Morenga, einem der Anführer des Herero-Aufstands, zu benennen. Erfolgreich waren sie damit nicht: Die Lüderitzstraße heißt heute Usambarastraße, die Carl-Peters-Straße Namibiastraße. Und die Tangastraße heißt noch immer so.

 

 


Türkisch für Vegetarier
Mahsum Güler, Geschäftsführer des Frühstückscafés Simitzade:

 

»Mein Lieblingsort in Nippes ist der Wilhelmplatz. Er ist vielleicht nicht schön, aber lebendig, man trifft immer jemanden, den man kennt. Auf dem Wochenmarkt habe ich viele Jahre Gemüse verkauft. Mit 14 habe ich schon angefangen, meinen Eltern zu helfen, und mit 18 habe ich mich als Marktbeschicker selbständig gemacht. Inzwischen hat sich der Markt verändert. Viele Türken sind weggezogen. Die Alten sind oft zurück in die Türkei gegangen, und die Jungen wollen irgendwann mal was Neues sehen und ziehen zum Beispiel zu ihrer Freundin. Dafür sind hier jetzt viele junge Familien, Akademiker, viele Lehrer vor allem. Die kommen auch gerne in meinen Laden, ich glaube, weil wir so viele vegetarische Gerichte im Angebot haben. Die türkische Küche hat nämlich mehr zu bieten als nur Döner. Das Frühstück zum Beispiel ist bei uns sehr reichhaltig, in der Türkei gibt es an jeder Ecke ein Frühstückscafé. Auch in Berlin habe ich das häufig gesehen.

 

Also habe ich mit meiner Schwester auf der Neusser Straße auch eines eröffnet, das erste türkische Frühstückscafé in Köln. Mein Cousin backt die Sesamringe, wir sind ein richtiger Familienbetrieb. Und die Nippeser lieben es, die frühstücken ausgiebig und bringen viel Ruhe mit. Überhaupt sind die Leute hier entspannter als in Kalk oder Ehrenfeld. Vielleicht, weil hier es hier so viele junge Familien gibt. Dafür ist abends nicht viel los: Ab acht wird es ruhig, ein Ausgehviertel ist Nippes nicht. Dabei könnte man leicht eins draus machen. Wenn ich an all die vielen Apotheken und Handyläden denke — die braucht doch kein Mensch!«

 

 


Nippes, amore mio

Anna & Francesco Pinto: seit 27 Jahren Betreiber der Pizzeria Da Franco:

 

»Die erste italienische Pizze­ria, die hier in Nippes aufgemacht hat, war das »Mimmo e Santo«, damals noch auf der Nordstraße. Die Mutter hat für alle gekocht, die Italiener aus der Gegend haben sich dort getroffen, Karten gespielt und gegessen — so wie zuhause. Auch die Bar Centrale am Wilhelmsplatz und das Cafe Sport an der Niehler Straße, das jetzt Casa Nova heißt, waren einschlägige Treffpunkte, und sie sind es noch heute. Eigentlich ist das Casa Nova aber das einzige Lokal, wo das Stammpublikum zum größten Teil noch aus Italienern besteht. Sonst ist es mittlerweile sehr gemischt: Marokkaner, Bulgaren, Türken, aber vor allem Deutsche kommen als Gäste.

 

Viele Italiener sind aus Nippes weggezogen, weil die Mieten in den letzten Jahren so teuer geworden sind — vor allem nach Mülheim, Kalk oder Vingst. Diejenigen, die noch hier sind und Geschäfte hier haben, sind schon seit Jahren im Viertel. Und klar, für viele ist Nippes Heimat: Renato, einer unserer Gäste, ist fast jeden Abend bei uns — der isst hier, wir trinken zusammen, er bringt selbstgemachten Li­moncello mit, das ist schon eine Art familiäre Freundschaft. Wenn er mal eine längere Zeit nicht auftaucht, beginnen wir uns zu fragen: Geht’s dem gut, ist er vielleicht krank? So etwas gibt es überall in den italienischen Lokalen in Nippes.«

 

 


Die Wohnung zum Latte Macchiato

Nachdem in den 70er Jahren auch Nippes »autogerecht« werden sollte, kam die Stadtplanung in den späten 80ern halbwegs zur Besinnung. Verkehrsberuhigung und neue Grünflächen waren kein Tabu mehr. Und so konnte auf dem lange brachliegenden Gelände des ehemaligen Eisenbahn-Ausbesserungswerks sogar eine »Autofreie Siedlung« konzipiert werden. Die Wohnungen wurden zwischen Ende 2006 und 2009 bezogen, rund 400 Haushalte gibt es hier. Nebenan steht eine Car-Sharing-Station — und ein Parkhaus. Und diejenigen, die konventionell an der Werkstattstraße wohnen, behaupten immer wieder, Bewohner der Autofreien Siedlung hätten sehr wohl Autos, parkten diese aber bei ihnen vor der Haustür.

 

Im bundesweiten Vergleich gilt das Projekt jedoch als vorbildlich. Der Erfolg fußt auch darauf, dass Nippes seit einigen Jahren als besonders familienfreundliches und doch urbanes Veedel vermarktet werden kann, wo Lebensqualität mit guten Einkaufsmöglichkeiten zusammengeht. So wie im »Parkveedel« auf dem ehemaligen Colonia-Sportplatz an der Niehler Straße. Zwischen 2003 und 2005 baute eine Immobiliengruppe hier 230 Eigentumswohnungen in sechsgeschossigen Mehrfamilienhäuser, direkt am Nordpark. Attraktiv ist das vor allem für Paare mit Kindern und gutem Einkommen, die zudem ein Faible für Gestaltung im Terrakotta-Look haben. Und wenn in der Forschung derzeit diskutiert wird, inwieweit auch Familien zur Gentrifizierung eines Viertels beitragen können, dann dient immer wieder Nippes als Beispiel. Das neue Stadtquartier, das derzeit auf dem Gelände der ehemaligen Gummiwarenfabrik Clouth entsteht und wo einmal 3000 Menschen leben werden, könnte den Prozess noch beschleunigen. Auch hier werden die meisten Wohnungen nicht günstig sein. Das ruft Kritiker auf den Plan, die hier eine weitere Aufwertung des Veedels befürchten, durch die in der Umgebung die Mieten steigen und alte Bewohner verdrängt werden. Bislang sich die Anwohner aber mehr wegen des Lärms auf der Großbaustelle.

 

 


»Die Menschen wollen hier eine Heimat finden«
Thomas Diederichs, Pfarrer der Kulturkirche, über den Wandel im Veedel

 

Herr Diederichs, viele Menschen treten aus der Kirche aus. Schrumpft Ihre Gemeinde auch?

 

Im Gegenteil, sie wächst und verjüngt sich. Als ich hier 1990 anfing, lag das Durchschnittsalter bei 47 Jahren, heute bei 38. Früher hatten wir 40 Taufen im Jahr, jetzt sind es um die hundert. Wenn man auf die Straße geht, kann man gar nicht anders, als jungen Familien zu begegnen. Das war vor zwanzig Jahren anders, da gab es viel mehr Alte.

 

Der Stadtteil ist also homogener geworden?

 

Es gibt ja unterschiedliche Akademiker (lacht). Ich kann jetzt nicht für alle Nippeser sprechen, aber zumindest bei den Protestanten ist es so: Das sind fast alles neu zugezogene, gut ausgebildete Menschen. Früher war Nippes mal ein echter Multikulti-Stadtteil, das ist er so nicht mehr. Auch den kölschen Kraat gibt es kaum noch. Die verschiedenen Milieus haben allerdings immer recht hermetisch gelebt. Dass hier jeder Kontakt mit jedem gehabt hätte, das ist nie so gewesen.

 

Seit 2002 veranstalten Sie nun schon Konzerte in der Kirche, inzwischen sind es siebzig pro Jahr. Sind sie jetzt Pfarrer oder Konzertveranstalter?

 

Fürs Pfarrersein werde ich bezahlt, das bin ich auch und das bleibe ich auch. Das mit den Konzerten ist ein Ehrenamt, aber ein wichtiges. Erstens kann man die Kirche nicht die ganze Woche leerstehen lassen. Zweitens wollen die neu Zugezogenen hier eine Heimat finden. Mit unserem Kulturangebot, mit den Festen und der Wandergruppe sind wir da ausgesprochen erfolgreich. Diese offenen Angebote entsprechen eher dem Lebensgefühl der Menschen, als sich einmal pro Woche in einer festen Gruppe zu treffen.

 

Die Konzerte sind aber keine Missionsveranstaltungen, oder?

 

Nein. Aber zu Beginn steht immer der alte Mann mit Bart und Brille vorne und begrüßt die Leute. Das ist etwas Besonderes, das fällt den Leuten auf, und das soll auch so sein.

 

 

NIPPES IN PÄCKCHEN


Flohmarkt — Der erste Flohmarkt auf dem Wilhelmplatz fand im März 1981 statt. In den vergan­ge­nen Jahren hat er sich zu einer regelrechten Attraktion entwickelt, auch weil das Angebot deutlich hochwertiger ist als an vielen anderen Orten. Schnäppchen kann man bei den rund 150 Händlern eigentlich nicht ma­chen, dafür schätzen die Besucher die freundliche Atmosphäre und das gut sortierte Angebot. Nächster Termin: 30.11.


Tadsch Mahal — Mag sein, dass vereinzelte Architekturhistoriker auch in diesem klobigen Betongebäude am Wilhelmplatz noch Qualitäten entdecken, bei allen anderen steht der 1992 fertig gestellte Multifunktionsklotz nicht allzu hoch im Kurs. Der da­­malige Kölner OB Norbert Burger sprach bei der Eröffnung vom »Tadsch Mahal« von Nippes. Vor gut zehn Jahren sollte der Klotz verschönert werden, ge­bracht hat das nichts. Schon eher das kleine Café mit Kiosk, das hier seit kurzem eingezogen ist.


Lohserampe — Den ganzen ­Sommer 2012 verbrachten Skater da­mit, die Lohserampe zu bauen — der Bürgerhaushalt macht’s mög­lich. Halfpipe, Bowl Corner und Spine Ramp sind mit einem Belag überzogen, der für BMX-Fahrer und Skater gleichermaßen taugt. Nichtskater können von einer Gras­tribüne den Jungs und Mädels beim Sliden und Flippen zusehen.


Eingemeindung — Für die vielen neuen Fabriken war Mitte des 19. Jahrhunderts in Köln kein Platz mehr. So siedelte sich um 1860 die Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft mit ihrem Ausbesserungswerk in Nippes an, 1869 folgte die Gummiwaren-Fabrik Clouth. Das sorgte für einen Boom und weckte die Gier der Kölner Stadtspitze. 1888 kassier­te Köln in einer großen Eingemeindungswelle Nippes, ebenso wie Deutz, Sülz, Klettenberg oder Ehrenfeld ein.


Lustige Ampelschaltung — New York, Tokio, Nippes: Wenn die Fußgängerampel an der Kreuzung Neusser Straße?/ Wilhelm­straße auf Grün springt, können alle Passanten gleichzeitig die Straße überqueren. In alle Richtungen, auch diagonal. Die im Fachjargon »Diagonalquere« genannte Ampelschaltung gibt’s nur dreimal in Deutschland und ist sonst vor allem in New York und Tokio verbreitet.


Nippes-Tower — An der Neusser Straße 284 steht das höchste Haus des Viertels. Der 13-stöckige Bau von 1970 wird heute als »Nippes Tower« beworben. Dort residierte bis Ende der 90er Jahre die Bezirksvertretung ­Nippes, bis das neue Bezirksrathaus an der Neusser Str. 450 in Mauenheim eröffnet wurde.


Kino — Im gesamten Stadtbezirk Nippes gibt es kein einziges Kino mehr, seit die »Filmburg« an der Neusser Straße im April 1968 den Betrieb einstellte. Immerhin gibt es seit diesem Sommer wieder Kino im Veedel, wenn das Olympia am Gleisdreieck Filme unter freiem Himmel zeigt. o-lympia.de


Familien und Kinder — Hartnäckig hält sich das Gerücht, Nippes sei das »kinderreichste Viertel Deutschlands« — ein Titel, den in Köln auch Sülz schon für sich beansprucht hat. Zwar stolpert man in Nippes alle naselang über einen Bollerwagen, aber nicht mal in jedem fünften Haushalt leben hier Kinder.


Planetarium und Sternwarte — Die Ausstattung im Planetarium am Blücher-Gymnasium stammt aus den frühen 60er Jahren, manchmal quietscht oder hakt etwas bei der Vorführung. Jeden Samstags gibt es Vorträge, man lernt etwas über Pulsare, Polarlichter oder die »schönsten Nebel im Universum«. Zum Schluss wird das Licht ausgeknipst und der Sternenhimmel über Köln simuliert. Die Sternwarte wird hauptsächlich von den Schülern genutzt. koelner-planetarium.de


Karneval — »Loss mer jet noh nippes jonn, in Nippes krieje mer Spass«, singen die Drei Söck. Und der Spaß beginnt in Nippes auch schon früher als im Rest der Stadt. Traditionell wird der Straßen­karneval auf dem Wilhelmplatz Weiberfastnacht bereits um 9.11 Uhr ausgerufen.


Sechzig-Viertel — Neben dem Werk der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft baute das Unternehmen Wohnungen für seine Arbeiter. Später folgten Geschäfte, Kneipen, eine Straßen- und Eisenbahnverbindung und danach eine Schule und die Pfarrkirche St. Joseph. Der Name des Viertels geht übrigens auf 60 Morgen Land zurück, die die Rheinische Eisenbahngesellschaft hier gekauft hatte.

 


Weitere Stadtteilporträts in der Stadtrevue:

→ Ehrenfeld (2010)
→ Kalk (2011)
→ Mülheim (2012)
→ Porz (2013)
→ Chorweiler (2015)
→ Deutz (2016)
→ Ehrenfeld (2017)