Foto: Manfed Wegener

»Nur der Reis, der ist schrecklich«

Beim »Welcome Dinner« werden Geflüchtete von Kölnern eingeladen. Ein Abendessen mit zwei Syrern

 

Ich habe den halben Tag damit verbracht, die Wohnung aufzuräumen und zu kochen, und bin aufgeregt. Wer wird gleich mit meinen Mitbewohnern und mir essen? In welcher Sprache können wir uns unterhalten? Schmeckt den Gästen was ich gekocht habe? Trinken sie Alkohol? Wie seltsam wird es sein, Menschen, die ihr Zuhause verloren haben, in eine gut ausgestattete, gemütliche Wohnung einzuladen?  Wir haben, was unsere Gäste wahrscheinlich sehnlichst vermissen — ein sicheres Zuhause.

 

Ein paar Tage zuvor habe ich mich über das Internet bei »Welcome Dinner Köln« als Gastgeberin angemeldet. Dafür musste ich Alter, Sprachkenntnisse, aber auch die Größe des Tisches, an den ich einlade, angeben. Die Organisatoren suchen dann Gäste aus und vermitteln den Kontakt. 

 

Das »Welcome Dinner« gibt es seit September diesen Jahres. In Hamburg, München oder Stuttgart wird schon länger zu privaten Abendessen für Geflüchtete eingeladen. Friederike Lück, vom Kölner Welcome-Dinner-Team erzählt, dass sich viele als Gastgeber anmelden. Gäste finden sich vor allem in Integrationskursen, in denen das Team die Idee vorstellt.  

 

Meine drei Mitbewohner und ich erwarten Aziz und Ahmad. Die beiden Brüder, 23 und 26 Jahre alt, stammen aus Syrien. Als sie da sind, wieseln wir aufgeregt umher, nehmen Jacken ab, bieten Getränke an, und sofort entsteht eine Unterhaltung. Kein unangenehmes Schweigen. Aziz und Ahmad sprechen sehr gut Englisch. Deutsch lernen sie gerade im Integrationskurs. 

 

Die beiden waren aus Syrien zunächst in die Türkei geflohen, wo sie zwei Jahre in Istanbul lebten. Als es dort keine Perspektive mehr für sie gab, sind sie mit einem wackeligen Boot nach Kos, von dort nach Athen, Mazedonien, Ungarn, Österreich, Dortmund und dann nach Köln gekommen, weite Strecken zu Fuß. 

 

Seit vier Monaten sind die Brüder in Deutschland und warten auf die Entscheidung, ob sie hier bleiben können. Die vergangenen zwei Jahre haben sie in Istanbul verbracht, wo sie ihre Mutter und einen jüngeren Bruder zurückgelassen haben, um mit zwei älteren Brüdern nach Deutschland zu kommen. Zwei weitere Brüder leben schon länger in Köln, einer ist in Dänemark, ein anderer in Ägypten. Eine Schwester lebt noch in Syrien, erzählt Ahmad.

 

Das Essen, Ratatouille mit Reis und Lammköfte kommt gut an. »Nur der Reis«, sagt Ahmad und lacht, »der ist schrecklich, den mache ich euch nächstes Mal besser!«

 

Während wir essen, führen meine Mitbewohner und ich unsere geringen Arabisch-Kenntnisse vor. Es wird viel herumgealbert. Aber dann sagt Ahmad auf einmal: »Auch wenn ihr in meinem Gesicht ein Lachen seht, in meinem Herzen sieht es ganz anders aus.« Und Aziz erzählt, dass er nachts nicht schlafen könne, dass die Unterkunft an der Xantener Straße in Nippes furchtbar sei. Auf Drängen des Flüchtlingsrates schloss diese Unterkunft Anfang 2014 zunächst. Aber trotz Baufälligkeit wurde die Einrichtung, wegen fehlender Plätze für Geflüchtete provisorisch wieder in Betrieb genommen. Mit ihren Brüdern teilen sich Ahmad und Aziz ein kleines Zimmer. Die Stimmung unter den Bewohnern der Unterkunft sei angespannt, die hygienischen Zustände katastrophal, sagen sie. Ahmad und Aziz hoffen, bald eine eigene Wohnung zu bekommen und arbeiten zu dürfen. Ahmad war in Syrien Chef einer Klimatechnik- und Heizungsfirma. Aziz hat Mathematik studiert und hofft, in Deutschland ein Ingenieur-Studium beginnen zu können. Aber das wird noch dauern. Denn auf das persönliche Gespräch, das letztlich über die Bewilligung des Asylantrags und die Chance auf eine Wohnung und Arbeit entscheidet, warten Ahmad und Aziz noch. Nach einem positiven Bescheid müssen dann noch einmal drei Monate vergehen, bevor die Ausübung einer Beschäftigung genehmigt wird.

 

Nach den anfänglichen Späßen, sieht man den Brüdern beim Erzählen ihrer Geschichte die Anspannung an. Die beiden schenken sich noch ein Glas Wein ein, und unsere Unterhaltung schwenkt wieder zurück zu leichteren Themen. Ahmad und Aziz zeigen uns auf YouTube Musik, die sie momentan hören, und sie bitten uns um Tipps für gute deutsche Filme. 

 

Nach dem »Welcome Dinner« müssen unsere Gäste schon bald gehen — zurück in ihre Unterkunft nach Nippes. Sie wollen wegen ihres laufenden Asylverfahrens keinen Ärger riskieren. Wir bleiben aufgewühlt zurück. 

 

Es war ein aufregender Abend. Wir hatten uns überwunden, fremde Jungs einzuladen. Wir haben einen Einblick in die schwer vorstellbare Situation der Flüchtlinge bekommen, und wir haben zwei nette Menschen kennengelernt, die sich in ihren Hoffnungen und Wünschen kaum von uns unterscheiden. Und dann verabschiedet man sich und weiß, die beiden müssen zurück in die Notunterkunft, zurück in eine ungewisse Zukunft. Und wir wischen die letzten Reste des Dinners vom Tisch.

 

Alle Infos zum Kölner Welcome Dinner auf welcome-dinner.koeln