»Das ist so beeindruckend!«: Schulbaustelle an der Overbeckstraße

Pleiten, Pech und Sahnestücke

Köln versucht verzweifelt, seine Schulen zu sanieren

Henriette Reker steht auf der Bühne des brandneuen Kammermusiksaals. Hier, im fast fertigen Anbau des Humboldt-Gymnasiums am Kartäuserwall, beginnt eine Tour über die Schulbaustellen der Stadt. Fast könnte man denken, die Oberbürgermeisterin habe sich ihren beigen Ledermantel zu Tarnzwecken angezogen, damit sie vor der hellen Holzvertäfelung des Konzertsaals weniger auffällt. Denn Schulbau, das ist kein angenehmes Thema für die Stadt.

Viele Kölner Schüler müssen unter unwürdigen Bedingungen lernen, manche verbringen ihre gesamte Schullaufbahn in Containern oder maroden Klassenzimmern. Dächer müssen saniert, Turnhallen instandgesetzt und Klassenzimmer hergerichtet werden — die Liste ist so lang, dass die Stadt kaum hinterherkommt. Doch jetzt, in den Schulferien, soll auch das Klagen mal Pause machen. Jetzt führt Reker die Sahnestücke des städtischen Schulbaus vor, begleitet von den zuständigen Spitzenleuten aus der Stadtverwaltung: Baudezernent Markus Greitemann (CDU), die Leiterin der Gebäudewirtschaft, Petra Rinnenburger, und der neue Kölner Schuldezernent Robert Voigtsberger (SPD). Er ist erst seit Juli dieses Jahres im Amt. »Das ist ganz toll für mich, die Schulen endlich mal aus nächster Nähe zu sehen«, freut er sich.

Es geht zwar nicht schneller, aber wenigstens ist die miese Lage nun für alle transparent

»Der Kammermusiksaal hat eine exzellente Akustik«, schwärmt die Oberbürgermeisterin. Dann nennt sie viele Zahlen, die zeigen sollen: Die Stadt packt das an. 176,3 Millionen Euro fließen in diesem Jahr in den Kölner Schulbau, in mehr als einem Viertel aller Schulen laufen während der Ferien Sanierungsarbeiten, 61 große Schulbaumaßnahmen sind gerade im Bau oder in der Planung. Schulbau habe Priorität, denn: »Gute Schulen sind für Köln ein wichtiger Standortfaktor«, so Reker.

Für den Bau und die Sanierung der Schulen ist die Gebäudewirtschaft zuständig, eine »eigenbetriebsähnliche Einrichtung« der Stadt. Doch die konnte ihre Aufgaben schon seit ihrer Gründung im Jahr 1997 kaum bewältigen; die Mitarbeiter erbten den Sanierungsrückstand vom Hochbauamt. Missmanagement, Sparen am Personal und später der Fachkräftemangel verschärften die Misere. Nun wächst Köln bekanntlich, und NRW kehrt zum Abitur nach neun Jahren (G9) zurück. Köln braucht dringend viel mehr Schulplätze; zuletzt sah die ehemalige Schuldezernentin Agnes Klein einen Bedarf von 46 zusätzlichen Schulen in den nächsten Jahren. Wie um alles in der Welt soll die Stadt das schaffen?

In ihrer Not hat die Stadt zwei Sonderprogramme aufgelegt; bis 2022 sollen Generalunternehmer elf Schulen sanieren, erweitern oder neu bauen, zudem werden vier Schulen in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) gebaut. Dafür hat der Rat insgesamt rund 730 Millionen Euro bewilligt. Baudezernent Markus Greitemann bemüht sich, Aufbruchstimmung zu verbreiten. Während sich der Erweiterungsbau des Humboldt-Gymnasiums verzögert habe, weil es politischen Hickhack um die Bauweise gab, habe man inzwischen feste Standards definiert. »Solche Probleme haben wir nun nicht mehr«, so Greitemann.

Gerd Brust (Grüne), Sprecher im Bauausschuss, will später am Telefon etwas zum Thema Bauweise hinzufügen. »Seit zehn Jahren haben wir einen Ratsbeschluss, dass alle neuen städtischen Gebäude in Passivhausbauweise gebaut werden sollen«, so Brust. Doch immer wieder habe der damalige OB Jürgen Roters (SPD) Gegenrechnungen machen und Mitarbeiter der Gebäudewirtschaft Alternativen planen lassen, um angeblich günstiger zu bauen. »Mit diesem Streit haben wir viel Zeit verloren«, findet Brust. Froh ist er jedoch darüber, dass Schul- und Baudezernat zu Beginn des Jahres eine Prioritätenliste präsentiert haben. Darin ist aufgeführt, welche Neubau- und Sanierungsprojekte wann fertig werden sollen. Davon geht nichts schneller, doch wenigstens ist die miese Lage nun für alle transparent.

Als die Reisegruppe am Klingelpützpark ankommt, kennt die Begeisterung der Dezernenten keine Grenzen mehr. »Ich war so froh, als meine Schulzeit vorbei war«, sagt Baudezernent Greitemann. »Aber hier würde selbst ich noch mal zur Schule gehen!« Anlass für die Verzückung ist die Bildungslandschaft Altstadt-Nord. Sie umfasst Kita, Grundschule, Gymnasium, Realschule, Jugendzentrum und Abendgymnasium sowie eine Mensa und ein Studienhaus, die sich alle teilen.

Im Inneren der fünfeckigen, verklinkerten Bauten zeigt Petra Rinnenburger, Chefin der Gebäudewirtschaft, wie die Schüler hier demnächst lernen sollen: Nicht mehr im herkömmlichen Klassenverband, sondern in »Clustern«. Lernen in Gruppen oder ganz individuell, alles nach den Bedürfnissen des einzelnen Kindes. »Das stellt hohe Ansprüche an die Räume«, so Rinnenburger. Ein Raum mit angrenzender Teeküche und Nischen zum Zurückziehen, alles in »flaschengrün« auf dieser Etage, soll das ermöglichen. Schuldezernent Voigtsberger bekommt leuchtende Augen: »So was sehe ich zum ersten Mal. Das ist so beeindruckend!«

Nach der Besichtigung der ehemaligen Grund- und Hauptschule an der Overbeckstraße, die rundum saniert wurde, fährt der Bus die Reisegruppe zurück zum Humboldt-Gymnasium. Beim Aussteigen fällt der Blick auf den zweistöckigen Containerbau auf dem Schulhof. Er steht seit acht Jahren hier. Jetzt kann er aber weg, oder? Leider nein, sagt ein Stadtsprecher. Aufgrund des extremen Flächenmangels bleiben die »Pavillons« für Auslagerungszwecke bestehen. Die Sanierung geht weiter.