Aus Tradition an heiklem Standort: das Geißbockheim im Äußeren Grüngürtel

Reingegrätscht

Nun ist auch OB Henriette Reker dagegen, dass der 1. FC Köln den Grüngürtel bebaut

Seit fast fünf Jahren will der 1. FC Köln sein Trainingsgelände im Äußeren Grüngürtel vergrößern. Auf der Gleueler Wiese in Sülz soll das Geißbockheim um 36.000 Quadratmeter erweitert und zu einem modernen Trainingszentrum ausgebaut werden, unter anderem mit drei neuen Kunstrasenplätzen. Die Bezirksregierung Köln hatte der Änderung des Flächennutzungsplans Anfang Juli zugestimmt. Damit hat der 1. FC Köln die nächste Hürde übersprungen. Doch weitere Hindernisse folgen.

Überraschend hat sich Oberbürgermeisterin Henriette Reker gegen die Ausbaupläne des 1. FC Köln gestellt. »Ich würde mir wünschen, dass wir im Einvernehmen mit dem FC einen anderen Platz finden«, sagte Reker Mitte August dem Kölner Stadt-Anzeiger. Bisher hatte die Stadtverwaltung hinter den Plänen des FC gestanden, auch die OB. Ihr Umdenken begründete Reker damit, dass sie den vom Stadtrat im Juli beschlossenen Klimanotstand ernst nehme.

Rekers Kurswechsel bringt Schwung in die politische Debatte. Die OB schlug sich auf die Seite der Grünen, die gegen den Ausbau im Äußeren Grüngürtel sind. Sie bringen erneut das Gewerbegebiet Marsdorf als Standort für ein neues FC-Leistungszentrum ins Spiel: »Marsdorf ist weiterhin machbar«, sagt Jörg Frank, Grünen-Ratsmitglied und Vorsitzender des Liegenschaftsausschusses. Auch Baudezernent Markus Greitemann hält den Standort für möglich. Zwar werde auf der Fläche an der Grenze zu Frechen das Frischezentrum entstehen, das 2024 den Großmarkt in Raderberg ersetzen soll. Aber Frank betont, das Areal im Kölner Westen sei groß genug, um auch noch den Bedarfen des FC gerecht zu werden. Das Geißbockheim, sagt Frank, könne als Traditionsstandort in jetziger Form erhalten bleiben.

Die Initiative argumentiert mit Umweltschutz, der FC mit Kölschseligkeit

Der FC aber will nicht nach Marsdorf und weiß auch nach Rekers Kehrtwende eine Mehrheit des Stadtrats für seine Ausbaupläne in Lindenthal hinter sich: SPD, CDU und FDP, die im Jahr 2016 das Bebauungsplanverfahren gemeinsam eröffnet hatten, haben ihre Meinung nicht geändert. »Wir stehen weiterhin hinter den Plänen des FC«, sagt Niklas Kienitz, CDU- Fraktionsgeschäftsführer und Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses. Doch während sich die SPD mit dem Thema politisch profilieren kann, lastet auf der CDU Druck: Die Christdemokraten haben ihre Unterstützung zugesichert, sollte Reker im kommenden Jahr erneut für das Amt der OB kandidieren. Bei diesem Thema aber, das zur Stimmungsmache im Wahlkampf taugt, liegen Reker und CDU über Kreuz.

Wann sich der Stadtrat mit den Ausbauplänen des FC beschäftigt, hängt vor allem von der Zahl der Stellungnahmen aus der Bürgerschaft ab. Bis Ende August liegen die Pläne noch aus, zehn Tage zuvor waren bereits mehr als zweitausend Stellungnahmen eingegangen. Die Verwaltung muss jede einzeln beantworten. Beide Lager mobilisieren: Die Initiative »Grüngürtel für alle« argumentiert mit dem Umweltschutz, der FC mit Fannähe und Kölschseligkeit.

Selbst wenn die Politik die Ausbaupläne beschließen sollte, geht der Streit um das Geißbockheim wohl erst im Anschluss in die entscheidende Runde. Umweltverbände wie der Nabu und Anwohner werden klagen. Auf einer Pressekonferenz von »Grüngürtel für alle« gab Rolf Josef Hamacher, Leiter der Arbeitsgruppe Recht beim Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, einen Einblick in vermeintliche juristische Schwachstellen der Pläne: das notwendige öffentliche Interesse für den Eingriff in den Landschaftsschutz fehle ebenso wie eine sogenannte Unverträglichkeitsprüfung für die Kunststoffabfälle, die den Belag der Kunstrasenplätze bilden, auch sei der Eingriff in einer Grundwasserschutzzone nicht ausreichend geprüft worden.

»Klagen könnten einen Rattenschwanz nach sich ziehen — und das kostet viel Zeit«, sagt Jörg Frank von den Grünen. Zeit, die der 1. FC Köln, ein Wirtschaftsunternehmen mit einem Jahresumsatz von 172 Mio. Euro, womöglich nicht hat.