1981 fertiggestellt, heute angeblich abbruchreif: Justizzentrum in Sülz

WG im Gerichtssaal

Das Justizzentrum zieht in einen Neubau auf dem Nachbargrundstück

Erst die Presse, dann das Personal. Auf einer Pressekonferenz verkündeten NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker Anfang August, wie es mit dem Justizzentrum weitergehen soll. Eine Stunde später erfuhren es dann auch die rund 1800 Mitarbeiter des Justizzentrums. Die Personalversammlung war schnell wieder vorbei. Denn wirklich neu sind die Pläne für den Komplex, der einmal Amts- und Landgericht sowie Staatsanwaltschaft beherbergen soll, nicht.

Das NRW-Justizministerium plant einen Neubau mit 90.000 Quadratmetern für Büros und Gerichtssäle, direkt neben dem erst 1981 fertig gestellten, aber jetzt schon maroden Hochhaus an der Luxemburger Straße. Eine Sanierung sei nicht machbar, so die Begründung, schon gar nicht im laufenden Betrieb. Die Carl-Nipperdey-Straße, bislang die rückwärtige Zufahrt des Areals, wird überbaut, ein Parkhaus abgerissen. Für die Büros der Staatsanwaltschaft wird wohl ebenfalls ein Bebauungsplan aufgestellt. Im Herbst soll der Rat das Verfahren starten, mit dem die künftige Nutzung und Vorgaben für die Bebauung festgelegt werden.

Wie wird das Viertel zwischen Südbahnhof, Uni und Sülz in Zukunft aussehen?

Ein renommiertes Kölner Architektenbüro hat dem Vernehmen nach bereits erste städtebauliche Ideen für den Neubau vorgestellt, hinter verschlossenen Türen im zuständigen Ratsausschuss. Im Herbst steht der Neubau dann auf der Tagesordnung der öffentlichen Sitzungen. Und damit auch die Frage: Wie wird das Viertel zwischen Südbahnhof, Uni und Sülz in Zukunft aussehen? Das Land wird ein gewichtiges Wort mitsprechen.

Die Kölner SPD-Landtagsabgeordneten Martin Börschel und Jochen Ott kritisierten, dass die Oberbürgermeisterin die Nutzung der bestehenden Gebäude nach dem Auszug nicht jetzt schon festgezurrt habe. Sie fordern: bezahlbaren Wohnraum, etwa für Studierende: »Das ist auch Landesaufgabe«, sagt Ott. Der Verkauf an einen meistbietenden Investor jedenfalls, wie bei der benachbarten Bundesimmobilie, aus der Anfang 2018 die Agentur für Arbeit auszog, müsse unbedingt vermieden werden. Das Gebäude ist seitdem bereits weiterverkauft worden. »Klassische Spekulation«, sagt Ott. Unwahrscheinlich, dass hier günstige Wohnungen entstehen.

Für das Justizhochhaus stelle sich die Frage aber vorerst gar nicht, sagt Bernd Petelkau, Fraktionsvorsitzender der CDU und ebenfalls Landtagsmitglied. Die Qualität der Bausubstanz sei noch völlig ungeklärt. Der Altbau werde zudem noch benötigt, bis der Neubau fertig sei. Die Beteiligten rechnen mit 2028. »Das ist noch nicht abzusehen«, sagt Petelkau.

Weder Stadt noch Land wollten sich auf Anfrage zu den Verhandlungen der vergangenen Monate äußern, auch nicht zu möglichen Zusatzvereinbarungen, etwa zum Grundstück des Landes an der Alteburger Straße, wo Köln eine Gesamtschule bauen will, im Rahmen des Großprojekts Parkstadt Süd. Fest steht aber: Über das Justizzentrum wurde nicht isoliert gesprochen und teils energisch gerungen. Sein Ministerium habe zwischenzeitlich erwogen, Köln zu verlassen, so Biesenbach. Doch realistische Alternativen waren wohl nicht verfügbar. Biesenbach nannte keine möglichen Standorte außerhalb Kölns, auch in der Stadt selbst fanden sich keine innenstadtnahen Alternativen zum aktuellen Standort.

Bereits 2014 hatte sich der Rat für die nun verkündete Variante ausgesprochen. Es scheint, als habe sich das Land diesen Vorstellungen endlich gebeugt. Es will sogar eine Fläche an die Kommune abtreten, die seit Jahren für die Erweiterung des Grüngürtels entlang des Eifelwalls eingeplant ist. Die Grünfläche für den Neubau zu nutzen, hätte der Rat ohnehin nicht gebilligt. Stattdessen soll das neue Gebäude nun mehr als sechs Geschosse hoch werden.

Der Bau wird unweigerlich Symbolkraft haben. Biesenbach sprach von einem vorgelagerten »Platz der Justiz«, der sich zum Grüngürtel öffnet, und sieht die Lage am Innenstadtrand gar als Mittel, »den Rechtsstaat zu stärken«. Reker sprach von einem »Eingangstor in die Parkstadt Süd«, die allerdings erst jenseits des Bahndamms beginnen wird. Was der Neubau, in dem wochentags ab 17 Uhr und am Wochenende Ruhe herrschen wird, für die Umgebung bedeutet, dürfte eine der spannendsten Fragen sein.

Zwischen Luxemburger Straße und Eifelwall befindet sich derzeit noch das ehemalige Kanalbauamt, das vom Autonomen Zentrum (AZ)genutzt wird, genau an der Stelle, an der der alte auf den neuen Teil des Grüngürtels treffen wird. Deshalb soll das AZ verschwinden. Für den Neubau des historischen Archivs am Eifelwall hingegen hatte der Rat Abstriche am künftigen Grünzug in Kauf genommen.

Sabine Pakulat, die für die Grünen im Stadtentwicklungsauschuss sitzt, freut sich über die Einigung zwischen Stadt und Land. »Wir sind froh, dass der Grüngürtel nicht angetastet wird«, sagt sie. Für das neue Viertel hat sie klare Prioritäten: einladende Wege und belebte Erdgeschosszonen. Sie ist aber skeptisch, ob sich mit dem bestehenden Gebäude bezahlbarer Wohnraum schaffen lässt: »Aus Gerichtssälen kann man schlecht WG-Zimmer machen«.