Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein: Maradona

Diego Maradona

Asif Kapadia beendet seine Trilogie über Genie und Ruhm mit einer grandiosen Fußball-Doku

Stets musste Gott zum Vergleich herhalten, wenn in den 80er Jahren über Diego Maradona gesprochen wurde. Auch der argentinische Fußballer bemühte diese überirdische Referenz nicht nur, als er im Viertelfinale der Weltmeisterschaft 1986 den Ball ins englische Tor pritschte und anschließend von der »Hand Gottes« sprach. Dabei ließ er offen, ob ihm höhere Mächte die linke Hand führten oder ob er sich selbst als höheres Wesen meinte. Das Megalomane konnte kaum ausbleiben, folgt man Asif Kapadias grandioser 130-Minuten-Dokumentation, denn mehr Gegensätze lassen sich in einem Leben kaum unterbringen. Da ist der Junge aus ärmlichen Verhältnissen, der mit sieben Geschwistern am Stadtrand von Buenos Aires aufwächst, und wenige Jahre später kaum noch weiß, wohin mit seinen Millionen. Da ist der Superstar, in dessen Aufstieg der spätere Niedergang bereits angelegt ist, da ist Diego, das ewige Kind, das immer nur spielen will, und da ist Maradona, die Marke, die zum Spielball vieler Akteure wird.

Maradona hat Kapadia sein privates Archiv überlassen, und nicht alle Aufnahmen sind schmeichelhaft. Vielleicht war es die gefeierte Doku »Senna« über den tödlich verunglückten brasilianischen Formel-1-Piloten Ayrton Senna, die Maradona Vertrauen in den Filmemacher fassen ließ, der als Spielfilmregisseur bislang wenig Erfolg hatte, spätestens seit seinem vielfach prämierten Film »Amy« über Amy Winehouse jedoch einen exzellenten Ruf als Dokumentarfilmer besitzt.

Maradonas Leben wird weitgehend chronologisch erzählt; Dreh- und Angelpunkt sind die Jahre beim SSC Neapel. 1984 war Maradona von Barcelona zu dem süditalienischen Club gewechselt, der von (nord-)italienischen Fans abgrundtief gehasst und geschmäht wurde. »Wascht euch«, war noch die freundlichste Aufforderung an die Spieler und Anhänger aus dem armen Süden. Dass Maradona ausgerechnet hier anheuerte und den Club in den folgenden Jahren zu nationalen und internationalen Erfolgen führte, dankt ihm die Stadt noch heute. Alle suchten seine Nähe — auch die Camorra, die ihn mit Kokain und Frauen versorgte; Dopingtests wurden ihm großzügig erspart. Alles änderte sich 1990, als Maradona mit Argentinien im WM-Halbfinale auf Italien traf und zu Italiens Ausscheiden beitrug — ausgerechnet im unerbittlichen Neapel. Nun wurden ihm die Drogen und Affären zum Verhängnis, alles was bislang aus Zuneigung geduldet wurde, waren jetzt Mittel, ihn zu ruinieren. Dass Asif Kapadia nicht reißerisch spekuliert, sondern alles mit Aufnahmen belegt, die ihm Diego Maradona anvertraute, macht diese Dokumentation außergewöhnlich und zum würdigen Abschluss von Kapadias Trilogie über Genie und Ruhm.

Diego Maradona (Maradona) GB 2019,
R: Asif Kapadia, D: Diego Maradona, 130 Min. Start: 5.9.