Nick Mauss, »Traktat über den Schleier«, 2019

Das gläserne Foyer

Mit »Transcorporealities« befragt das Museum Ludwig den Körper — und sich selbst

Es gab Zeiten, da war man als Museum gut damit beschäftigt, seinen traditionellen Kernaufgaben nachzugehen: Sammeln, Bewahren, Forschen und Ausstellen. Die Reflexion über die Rolle der Institution und der eigenen Arbeit spielte sich eher intern ab, ohne das Publikum daran teilhaben zu lassen. So einfach ist es heute — zum Glück — nicht mehr.

Die Ausstellungsreihe »HIER UND JETZT im Museum Ludwig« öffnet diesen Monat zum fünften Mal das Haus für Experimente, die auch der Selbstbefragung dienen. Diesmal unter dem Titel »Transcorporealities«, in dem das Durchlässige, Transparente genauso steckt wie der Begriff des Körpers. Das bezieht sich nicht nur auf ein Oberthema, das die Arbeiten der acht beteiligten internationalen Künstler*innen verbindet, sondern auch auf das Haus selbst, das als durchlässiger Körper betrachtet und in Hinblick auf seine Transparenz, Öffnung und Interaktion mit der Umgebung hinterfragt wird. Kuratorin Leonie Radine hat sich dafür einen der schwierigsten und gleichzeitig prominentesten Orte innerhalb des Hauses ausgesucht: Das Eingangsfoyer mit seinen gläsernen Wänden, Drehtüren, mit Garderobe und Museumsshop, das wie eine semipermeable Membran vor äußeren Einflüssen schützt und gleichzeitig einzelne Stoffe (in diesem Fall die Besucher*innen) ins Innere durchlässt. Hier wird vier Monate lang eine Tribünenarchitektur des Künstlers Oscar Murillo installiert, eine Art Agora für diskursive Veranstaltungen aller Art. Auch Flaka Haliti und Jesse Darling greifen in die Architektur des Foyers ein: Haliti bevölkert es mit obskuren Tiefseekreaturen und rückt nichtmenschliche Körper in den Mittelpunkt ihrer Arbeit, während Darling einige Schließfächer zu Vitrinen umfunktioniert. Der New Yorker Performancekünstler Nick Mauss spannt gemeinsam mit Studierenden der Kölner Hochschule für Tanz und Musik ein Netz zwischen Werken aus der Sammlung und sich tänzerisch durch den Raum bewegenden Körpern.

»Transcorporealities« legt das Augenmerk auf die Zwischenräume, im architektonischen Sinne, aber auch im gesellschaftlichen, auf die Räume zwischen menschlichem und nicht-menschlichem Leben, zwischen starren Identitäts- und Geschlechterkonstruktionen, zwischen Individuum und Masse. Es macht das Museum zu dem, was es qua Definition immer sein sollte: ein öffentlicher Ort, der allen zugänglich ist.

Museum Ludwig
Di–So 10–18, jeden 1. Do/Monat 10–22 Uhr
Eröffnung 20.9., 19 Uhr, 20:30 Uhr
Performance von ­Trajal Harrell
museum-ludwig.de

Künstler*innen: Jesse Darling, Flaka Haliti, Trajal Harrell, Paul Maheke, Nick Mauss, Park McArthur, Oscar Murillo, Sondra Perry