Nein, das ist kein wild entsorgter Sondermüll, das ist die Verkehrswende: Straßenszene mit E-Scooter

Neues Rollen-Verständnis

Klar, Autofahren macht Spaß. Aber sind Sie schon mal E-Scooter gefahren?

Die Verkehrswende sei »in vollem Gange«, teilt die Stadt Köln mit. Gemein, wer da lacht! Denn es stimmt. Nur eben anders als gedacht. Während der Straßenkampf zwischen PS-Prolls und CO2-Sen­sibelchen tobt und die Lastenräder bald den Umfang von Gelände­wagen erreicht haben, merken die Kontrahenten gar nicht, dass längst ein anderer triumphiert. Die Zukunft, sie gehört dem E-Scooter!

Es geht nicht darum, vom SUV auf den Scooter umzusteigen. Warum auch? Es macht einfach keinen Eindruck, mit diesem elek­trifizierten Kinderspielzeug in zweiter Reihe zu parken. Und für Lastenfahrradfahrer ist es auch nichts, weil hier weder Blagen noch Biokiste draufpassen.

Geschenkt. Denn hier kommt die ganz andere Verkehrswende: weder zurück noch nach vorn, statt­dessen wird die aufgeheizte Debatte einfach gut gelaunt umfahren. Der städtische Verkehr, bislang ein großer Truppenübungsplatz, ist bald nur noch Vergnügungs-Park and Ride. Zu Tausenden steigen gelangweilte Touristen, verliebte Teenager und jene, die »das auch mal ausprobieren wollen«, auf den magischen Roller. Ist man das Ding leid, pfeffert man es einfach in die nächste Ecke und steigt nach ein bisschen Shopping und Streetfood anderswo wieder auf. Man braucht sich nur zu bü­cken, die Roller liegen überall rum.

Aber es geht gar nicht darum, von A nach B zu gelangen — sondern einfach um urban fun. Der E-Scooter ist seit langem der erste Mega-Trend, der kaum etwas mit Digitalisierung zu tun hat. Nachdem man sich seine Aufmerksamkeitsspanne und Empathie erfolgreich weggedaddelt hat, besitzt man nun die besten Voraussetzungen für das Menschen-Tetris in den sonst so öden Fußgängerzonen. Ein völlig neues Rollen-Verständnis als Verkehrsteilnehmer: der E-Scooter als Ego-Shooter. Die meinen’s nicht böse, die wollen nur fahren. Verhalten Sie sich ruhig, dann passiert Ihnen auch nichts. Sie dürfen die Rollerfahrer aber bitte nicht provozieren, indem Sie etwa nur zögerlich zur Seite springen — ja, dann darf man sich auch nicht wundern, wenn man sich anderntags namenlos mit Altersangabe in Klammern in den Blaulicht-Rubriken wiederfindet.

Derweil sorgen sich die üblichen Bedenkenträger um das Fehlen von Blinkern, Helmpflicht und Null-Promille-Grenze. Aber dann könnte man es ja gleich sein lassen! Dass die Stadt jetzt einen Runden Tisch einberuft, ist richtig und wichtig. Am besten, man verteilt anschließend Broschüren zu Achtsamkeit, Diversität und gendersensiblem Verhalten im Straßenverkehr. Dann nämlich macht es erst richtig Spaß, die Sau rausrollen zulassen. Oder die Runden Tischler verfassen drastisch formulierte Bußgeldkataloge mit Geldstrafen im oberen einstelligen Bereich, die dann »aufgrund der aktuell angespannten Personalsituation« nicht vollstreckt werden können. Jetzt, wo auf den Ringen Tempo 30 angeschlagen ist, macht es ja auch mehr Spaß als früher, mit 70 Stundenkilometern auf die rote Ampel zuzubrettern.

Wer glaubt, die Verkehrswende werde hart und entbehrungsreich, kann nun beruhigt sein. Einfach aufsteigen und Spaß haben!