Nicht mehr aufzuhalten: Am Roncalliplatz soll die »Historische Mitte« entstehen

Kollateralschaden einer Chefsache

Das Museumsprojekt »Historische Mitte« wird abstruse Folgen haben. Eine Polemik

Etwas zur Chefsache zu erklären, ist eine wichtige Strategie von Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Ob das der vor Jahren angekündigte »neue Politikstil« ist? Fakt ist: Entscheidungen und Kommuni­kation werden zunehmend monopolisiert, die Verwaltung selbst gerät in die Defensive. Das gilt für immer mehr Projekte: Bühnensanierung, Bühnenintendanz oder Klinikfusion. Reker hat das Sagen, auch bei der Historischen Mitte. Die Stadt in Gestalt von ­Henriette Reker und die Hohe Dom­kirche in Gestalt von Gerd Bachner haben jetzt die Gründung einer Bauherrinnengemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts angekündigt. Damit soll das Projekt am Roncalliplatz vorangetrieben werden — schneller zumindest als andere Projekte der Stadt.

Bis 2028 sollen nach Plänen des Architekten Volker Staab ein rechteckiger und ein quadratischer Kubus auf der Südseite des Römisch-Germanischen Museums errichtet werden, in denen das Kurienhaus der Hohen Domkirche, das Stadtmuseum sowie ein Verwaltungshaus des Römisch-Germanischen Museums Platz finden. Die Bauherrinnengemeinschaft erlaubt es, das Projekt aus der städtischen Verwaltungsstruktur herauszulösen. Die Gesellschaft übernimmt die Projektsteuerung, die Entscheidungsstrukturen werden schlanker, die knapp 20 Beschäftigen können besser bezahlt werden, und sie muss sich nicht an die Kölner Vergabeordnung halten. Dinge, die der überlasteten städtischen Gebäudewirtschaft offenbar nicht zuzutrauen oder ihr nicht möglich sind.

Bei zwei so unterschiedlichen Bauherrinnen wie Kirche und Stadt mag eine solche Gesellschaft sinnvoll sein. Ordnungspolitisch allerdings darf man schon fragen, warum die Stadt eine Gesellschaft mit dem Ziel gründet, die eigenen Vergaberichtlinien zu umgehen, und warum Reker einer Ausgründung effizienteres Arbeiten zutraut als ihrer eigenen Behörde. Welche abstrusen Folgen das haben kann, zeigt das Beispiel der Stadtentwicklungsgesellschaft Moderne Stadt. Sie klagt derzeit wegen des Denkmalschutzes der Ellmühle im Deutzer Hafen gegen ihren Eigentümer, die Stadt Köln. Wer solche Tochterunternehmen hat, braucht keine Feinde.

Die Anteile an der Bauherrinnengemeinschaft der Historischen Mitte sollen im Verhältnis 80:20 zwischen Stadt Köln und Hoher Domkirche aufgeteilt werden. Man darf gespannt sein, wie die 2016 bekundete Absicht, in dem Gremium Entscheidungen gleichberechtigt zu treffen, bei Konflikten gehandhabt wird. Die Hohe Domkirche hat der Gründung der Gesellschaft bereits zugestimmt, der Kölner Rat soll in seiner Sitzung Ende September liefern. Und das wird er. Bei kaum einem Bauprojekt war die Politik so sehr Büttel wie bei der Historischen Mitte: Folgsam hat sie das Projekt seit 2015 durch die Gremien gewinkt, stimmte in der Jury Volker Staabs uninspiriertem Entwurf zu und dürfte 2021 den endgültigen Baubeschluss samt Kostenprognose fassen. Derzeit wird das Bauprojekt auf 144 Millionen Euro geschätzt — 2015 war noch von 79 Millionen die Rede. In einer Ratsvorlage vom vergangenen Jahr wurden die 144 Millionen Euro angesichts von Baupreisen, Nachtragsforderungen und dem komplexen Untergrund bereits in Frage gestellt.

Bis 2021 dürften zudem knapp 12 Millionen Euro für Planungen und die gemeinsame Gesellschaft aufgelaufen sein. Und auch die Kosten für die Sanierung des Zeughauses, in dem heute das Stadtmuseum untergebracht ist, sind noch nicht in die Bausumme eingepreist. Dass die Politik das Projekt 2021 noch stoppt, ist trotzdem unwahrscheinlich angesichts der finanziellen Vorleistungen. Hier wäre dem Rat endlich mehr demokratischer Eigensinn zu wünschen. Die Kollateralschäden, die Chefsachen nach sich ziehen, sind enorm — für die politische wie die städtebauliche Kultur.