Jetzt aber losgeflitzt: Der Weg bis zur kinderfreundlichen Kommune ist noch weit

Köln zur Halbzeit hinten

Seit zwei Jahren nennt sich Köln »Kinderfreundliche Kommune«, ohne große Sprünge zu machen

»Da ist noch sehr viel Luft nach oben,« sagt Anne Lütkes, Vorsitzende des Vereins »Kinderfreund­liche Kommune«. Vor zwei Jahren hat eine breite Ratsmehrheit beschlossen, dass Köln kinderfreundlicher werden soll. Die Stadt reichte einen umfassenden Aktions­plan bei der »Kinderfreundlichen Kommune« ein, ein Verein der von Unicef und Deutschem Kinderhilfswerk getragen wird und das gleichnamige Siegel verleiht. Damit verpflichtete sich Köln als erste deutsche Millionenstadt auf stärkere Beteiligung von Kindern und den Vorrang des Kindeswohls, wie es die UN-Kinderrechtskonvention vorsieht.

Nach zwei Jahren fällt die Bilanz von Anne Lütkes, ehemals Regierungspräsidentin von Düsseldorf mit grünem Parteibuch, bloß durchwachsen aus, vor allem wegen Defiziten in der Verkehrs­politik. »Köln muss da einen qualitativen Sprung hinbekommen«, sagt sie. »Es ist halt nur Halbzeit«, sagt Lütkes über die Umsetzung des Programms, das auf vier Jahre angelegt ist. Über die tatsächliche Kinderfreundlichkeit einer Kommune sagt die Zertifizierung wenig aus, das Label bezeugt nur eine Art Selbstverpflichtung auf die Ziele.

Der Kölner Aktionsplan hat 58 Maßnahmen aufgelistet — von tatsächlichen Förderprogrammen im Sport- und Gesundheitsbereich bis hin zu einzelnen Aktionen wie »Sterneküche macht Schule«, bei der ein TV-Koch mit Schülern ein Menü zubereitet. Gerade beim Thema Schul- und Kita-Essen, ein Dauerbrenner unter Kindern, Eltern und auch Politik, hätte man sich mehr als Symbol­politik gewünscht. Es wurden aber auch nachhaltige Projekte verankert: So ist eine unabhängige Beschwerdestelle in der Kinder- und Jugendpädagogischen Einrichtung der Stadt Köln (KidS), dem früheren Kinderheim, errichtet worden, ebenso wie ein kooperatives Jugendbüro (siehe Stadtrevue 4/2019), das von Stadt und Jugendring getragen wird.

Die Mitarbeiter des Jugendbüros möchten konkret die Themen der Jugendbefragung 2018, ebenfalls Teil des Programms, angehen. 5000 Jugendliche machten sich in der Befragung vor allem für eine autofreie Innenstadt, mehr Fahrradwege, mehr Sicherheit stark. »Die Jugendlichen müssen zeitnah merken: Beteiligung lohnt sich, damit keine Frustration eintritt«, sind sich die Mitarbeiter im Jugendbüro einig. Gerade bei der Frage, wie der Schulweg sicherer werden könne, müsse man ihre Erfahrungen einbeziehen: »Wir müssen sie endlich als Experten ihrer eigenen Lebenswelt wertschätzen.« Und dann die Ergebnisse auch umsetzen: breitere Gehwege, Tempo-30 rund um Schule und Kita, längere Grünphasen an Fußgängerampeln.

Versäumnisse aufholen soll nun eine »Steuerungsgruppe«, die im September erstmals tagte. »Die Steuerungsgruppe trifft sich regelmäßig und begleitet die Umsetzung des Aktionsplans. Sie prüft die Ergebnisse, sichert und veröffentlicht diese«, heißt es im vor zwei Jahren veröffentlichten Papier. Warum aber geschieht das erst jetzt? Ulrike Kessing, jugendpolitische Sprecherin der Grünen, ist ratlos. »In den anderen Kommunen hat sich das Format ja bewährt«, so Kessing. Neben den jugendpolitischen Sprechern der Fraktionen, dem Jugendbüro sowie dem Schuldezernat sitzen darin auch Vertreter der freien Jugendhilfe sowie Jugendliche. Auf der Agenda stehen nun verkehrspolitische Themen. Aber wo bleiben das Verkehrsdezernat und die verkehrspolitischen Sprecher? Zumal ja die Umsetzung der Kinderrechte als Querschnittsaufgabe deklariert ist. Alle 17.000 Verwaltungsangestellten sollen lernen, die Interessen der Kinder mitzudenken. »Mir geht es darum, deren Haltung zu verändern, einen Paradigmenwechsel in den Köpfen hinzubekommen«, sagt Stephan Glaremin, Leiter des Jugendamts.

Bundesweit wird nun der Blick auf Köln gerichtet sein. Anlässlich 30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention findet vom 15. bis 18. Oktober der erste »Internationale Gipfel kinderfreundlicher Kommunen« statt. Auf Einladung von Stadt und Unicef kommen 500 Teilnehmer aus 50 Nationen zusammen. Die Veranstalter hoffen, vom Kölner Gipfel werde ein Startsignal für mehr Kinderrechte in die Welt getragen. Vielleicht kommt das nicht nur in Lima an, sondern auch im Kölner Verkehrsdezernat.