Nicht in Auflösung begriffen: John Stanier (links) und Ian Williams

Modus: Autopilot

Battles, die zum Duo reduzierten New Yorker Experimental-Elektroniker, packen auf ihrem neuen Album den Stier bei den Hörnern

 

Köln an einem Hochsommertag im Juli. John Stanier, Battles-Schlagzeuger und überhaupt einer der gefragtesten seines Fachs, ist in der Stadt, um mit der Kölner Metal-Band ZON die zweite gemeinsamen Platte einzuspielen und an einer Teamsitzung des Kollektiv-Projekts Cologne Tape teilzunehmen. Aber warum bei der Gelegenheit nicht auch die »Familienbande« besuchen, die aktuelle Ausstellung im Museum Ludwig mit Arbeiten von Kai Althoff, Cosima von Bonin, Lucy McKenzie, Isa Genzken und Dan Graham? Für Stanier, der Effizienz sehr schätzt und ein Freund der bildenden Künste ist, ein überzeugender Vorschlag, zumal wir auch noch über seine Band sprechen können.

Denn dass es ein neues Album geben würde, das schien für die Fans völlig offen. Mit Gitarrist Dave Konopka stieg nach dem letzten Album »La Di Da Di« ein Gründungsmitglied aus, das sehr wichtig für das Songwriting der Band war. Sein Abschied sei allerdings so überraschend gekommen, dass Ian Williams, Keyboarder und Gitarrist, und er in den »Autopilotmodus« geschaltet hätten, erzählt John Stanier. »Zu keinem Zeitpunkt sind Ian und ich in eine Krise geraten. Ich glaube, wenn wir eine Auszeit genommen und ernsthaft über die Situation nachgedacht hätten, dann wären auch andere Entwicklungen möglich gewesen. So aber haben wir den Stier einfach bei den Hörnern gepackt und weitergemacht.«

Waren Battles-Alben in der Vergangenheit immer gekennzeichnet von einem längeren Diskussionsprozess aller Bandmitlieder, so wirkte die neue Duo-Konstellation für »Juice B Crypts« wie ein Katalysator. »Seltsamerweise fühlte es sich leichter an, das Album zu entwickeln«, gewährt John Stanier Einblicke in die neuen Abläufe. »Es gab nur diesen Prozess: Ian kam mit jeder Menge Ideen an, und ich habe ihnen einen Twist verpasst, indem ich sie manipulierte und rhythmisch veränderte.«

So wenig Wiliams und Stanier einen Masterplan für »Juice B Crypts« verfolgten, so wenig gab es strategische Überlegungen für die Platzierung der Gäste: Xenia Rubinos, Jon Anderson, Prairie WWWW, Sal Principato, Shabazz Palaces und Tune-Yards, die alle ihre Rolle auf einem Song des neuen Albums spielen, sind einfach eine nach dem anderen im Studio vorbeigekommen, und so sind dann plötzlich wieder Stimmen zu hören. Erstaunlich viele für eine Band, die als primär instrumental wahrgenommen wird.

Ein Name erregt besonderes Interess: Jon Anderson — Sänger der Progrock-Saurier Yes! Sein Auftritt überzeugt, aber wie um Gottes Willen ist er auf »Sugar Foot« gelandet, dieser langsam hochköchelnden Ursuppe von einem Battles-Song? »Vor acht Jahren hat das Management von Anderson mir eine Mail geschickt und angefragt, ob ich interessiert wäre, auf einem Stück seines neuen Albums Schlagzeug zu spielen«, erklärt Stanier. »Damals kam es aus irgendeinem Grund nicht dazu. Aber trotz der Absage bot Anderson später an, mal bei uns zu singen, wenn es passen würde. Tja, und plötzlich stieß ich wieder auf die alte Mail und habe ihm geschrieben.«

Stanier geht es trocken und lakonisch an, aber man muss natürlich unterstreichen, was für ein beachtliches Album Williams und ihm gelungen ist. Nicht weniger als ein Paradigmenwechsel für die Battles stellt »Juice B Crypts« dar, weil sich die beiden freigeschwommen haben von den einengenden Erwartungshaltungen an das klassische Battles-Set-up aus Synthie-Loops, signifikanten Riffs und Drum-Exzessen und gleichermaßen ein beachtliches Maß an Einflüssen zuließen. Das kann man direkt auf den instrumentalen Eröffnungsstücken »Ambulance« und »A Loop So Nice« hören. Ersteres klingt wie von zwei Teenagern produziert, für die die Welt ein großer Spielplatz ist. Auf »A Loop So Nice« zerbröseln sie dann eine Keyboard-Melodie unglaublich jazzig cool, eine Geste, die »Fort Greene Park« in dunkler Soundsignatur und inspiriert von Krautrock zu einem ganz anderen Ergebnis führt, aber nicht weniger mitreißend.

Überhaupt kommt einem dauernd irgendwas mit Jazz in den Kopf. »Titanium 2 Step« etwa, die Zusammenarbeit mit der New Yorker No-Wave-Legende Sal Principato besticht mit einem unwirklichen Jazzrock-Habitus. Beim Jazz-Wording reagiert John Stanier skeptisch: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieser Interpretation zustimmen kann«, merkt er nachdenklich an. »Natürlich sind wir Fans, aber ich denke nicht, dass die Musik von uns viel mit Jazz zu tun hat.« Nun, vielleicht sollte er es sich noch mal anders überlegen, immerhin wäre es endlich ein Weg weg vom Label Math Rock, das so unerbittlich an ihnen klebt »Das ist doch ein langweiliger Begriff aus den 90ern!«, ätzt Stanier.

Aber mit Wahrnehmungen und Zuschreibungen ist das sowieso immer so eine Sache. Während ich »Izm«, das Stück mit Shabazz Palaces für ihren eingängigsten Song halte und dem HipHop-Track echte Hitqualitäten zuschreibe, ist es für Stanier »einer der seltsamsten Stücke des Albums«. Noch genannt werden sollten »They Played It Twice«, auf dem die in New York lebende Puerto Ricanerin Xenia Rubinos zu hören ist, deren Gesang den Titel negiert und ihn in Endlosschleife versetzt, und »The Last Supper On Shasta«, die Zusammenarbeit mit Tune-Yards, ein würdig zappelndes Schlussmomentum des Albums. Aber worauf verweist denn nun der Albumtitel? Auf den Crypto­währungeshype der letzten Jahre? Die achselzuckende Antwort von John Stanier: »Da musst du schon die Kinder von Ian fragen, die zwei haben sich das ausgedacht.«

 

Battles, »Juice B Crypts«, erscheint am 18.10. auf Warp (Rough Trade)