Geschichten vom Exil in freier Form: Kamilya Jubran und Werner Hasler

Heimat ohne Heimat

 

Mit dem Auftritt der palästinensischen Künstlerin Kamilya Jubran gelingt dem neuen »Global Diffusion«-Festival zum Auftakt ein Coup

 

Zugegeben: Das Label »Weltmusik« ist schon lange verbraucht, es wurde einst analog zur »Weltliteratur« gebildet, aber an diese Pointe erinnert sich keiner mehr. Heute denkt man bei Weltmusik wohl zuerst an politisch-musikalisch unterkomplexen Ethno-Karneval.

Als gälte es, auf einen Schlag all das in seiner gesamten Komplexität zu rehabilitieren, was einst in die klemmende Weltmusik-Schublade gesteckt wurde, haben Kölner Kuratoren für diesen Herbst ein feinsinnig gesponnenes, bisweilen kompliziert verschachteltes Festival ausgeheckt: Global Diffusion. Innerhalb dieses Festivals gibt es drei »Schaufenster«: In Between Spaces (1.-3.10.), Unity in Diversity (2.-4.10.) und das Zigeunerwagenfest (4.10.). Diese Schaufenster präsentieren in sich geschlossene, thematisch divergente Abende. So lautet der Titel der Eröffnung von In Between Spaces »Indie Idiosyncracies«, die zudem Teil der »Themenlinie Hybrid Transactions der Akademie der Künste der Welt« ist.

Aber bitte nicht verwirren lassen, sondern den Fokus auf die Sache selbst richten, und die beginnt spektakulär. Denn der Eröffnungsabend wird von der Sängerin und Lauten-Spielerin Kamilya Jubran bestritten. Sie versteht ihre Musik emphatisch als palästinensisch, greift aber nicht auf einen traditionellen Kanon zurück, denn den gibt es für sie nicht: Jubran lebt in Paris, ist Inhaberin eines israelischen Passes, sie weiß, dass auch dort, wo die Palästinenser politische Autonomie errungen haben, Korruption und Repression regieren. Es existieren schlichtweg nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen sich eine musikalische Identität ausbilden könnte.

Das alles thematisiert die fragile, tastende, von einer großen inneren Spannung durchzogene Musik Jubrans, die durch den Elektroniker und Trompeter Werner Hasler kongenial ergänzt wird. Einerseits ist diese Musik durchsetzt von volkstümlichen Elementen, andererseits kommen diese nur als zersplitterte, vielfältig gebrochene vor. Jubrans Gesang ist so heimatlos wie zugleich den Geschichten — etwa von Vertreibung und Exil — ihrer Leute verpflichtet. Sie bricht mit Konventionen klassischer arabischer Musik und hält ihr doch die Treue.

Ein starkes Statement also, Global Diffusion mit Jubran zu eröffnen. Denn assoziierte man mit »Weltmusik« ein fröhliches Come Together, stehen bei In Between Spaces Widerspruch, Dissonanz und erratische Klangbrocken im Vordergrund. Das ist so sperrig wie vielversprechend — und politisch angemessen.