Hier bitte keine Dehnübungen: Engel auf Melaten

Doch kein Yoga am Grab

Die Bürgerbeteiligung zum neuen Friedhofskonzept zeigt, wie zurückhaltend die Kölner sind

Die Trauerhalle auf Melaten ist nicht gerade der Ort, an dem man Rolly Brings erwarten würde. Schon gar nicht mit einem Konzert, auch wenn es unter dem Motto »Memen­­to Mori — Ne kölsche Dudedanz« steht. So geschehen im Rahmen der Kölner Friedhofswoche im Juni. Mit ihren Führungen, Konzerten, Vorträgen und Diskussionen war die diesjährige Friedhofswoche auch ein Probelauf dafür, wie die 55 Kölner Friedhöfe demnächst genutzt werden könnten. Seit Jahren beraten das Amt für Grünflächen und Friedhöfe zusammen mit Kirchen, Steinmetzen, Bestattern, Friedhofsgärtnern und Floristen. Gestorben wird in Köln mit 8000 Toten pro Jahr relativ verlässlich. Doch der Trend zur Urnen- oder Waldbestattung und zu Kolumbarien lassen sogenannte Überhangflächen auf den Friedhöfen entstehen. Welche Folgen haben die neuen Bestattungsformen? Was soll mit den nicht benötigten Flächen geschehen? Und was bedeutet der Klimawandel für die Friedhöfe?

Das Thema ruft bei der Bevölkerung sofort seismische Erschütterungen der Pietät hervor

Der Arbeitskreis Friedhof hat da durchaus ungewöhnliche Ideen. Doch da das Thema bei der Bevölkerung sofort seismische Erschütterungen der Pietät hervorruft, sorgte die Verwaltung vor: Sie unterzog ihr neues Bürgerbeteiligungsverfahren einem ersten Stresstest. In einer Interviewrunde befragte die Kölner Freiwilligenagentur im Mai zunächst unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen. Im Juni folgte eine vierwöchige Online-Befragung. Die Friedhofswoche bot dann eine weitere Möglichkeit für Anregungen und Kritik zur künftigen Nutzungen der Friedhöfe. Jetzt steht fest: Die Befürchtungen der Stadt waren berechtigt.

Im Juni gründeten Bürger im Umfeld des Nordfriedhofs die IG Friedhöfe, die eine Online-Petition lancierte und Unterschriften sammelte. Ihr Ziel, so Sprecher Ralph Bickel, sei der »Erhalt der Friedhöfe als Orte der Ruhe und Besinnung«. Man wende sich gegen eine Änderung der Friedhofssatzung sowie gegen die »Öffnung der Friedhöfe für Freizeitaktivitäten«.

Die Bürgerbefragung muss Ralph Bickel allerdings keine Sorgen bereiten. Manfred Kaune, Leiter des Grünflächenamts, stellt fest: »Die Vorschläge der Bürger waren sehr zurückhaltend.« So sollen die Friedhöfe auch weiterhin in erster Linie Orte der Besinnung und der Ruhe bleiben. Das betrifft insbesondere ein umfassendes Sportverbot. Der Arbeitskreis hätte sich immerhin Yoga oder Tai-Chi vorstellen können, doch man beuge sich dem Bürgervotum. »Wir werden der Politik vorschlagen, auch auf die leisen Sportarten zu verzichten«, kündigt Manfred Kaune an. Gleichzeitig sind die Bürger offenbar bereit, den Friedhof als Lern- und Bildungsort zu verstehen. Sie würden mehrheitlich etwa Führungen von Schulklassen tolerieren. Das wiederum hat eng mit der ökologischen Funktion der Gräberfelder zu tun, die die Bürger gern ausgebaut sähen. So macht das Verbot von Hunden, das bestehen bleiben soll, die Friedhöfe zu Oasen für bodenbrütende Vögel. Manfred Kaune spricht von Naturlehrpfaden, naturbelassenen Arealen, Wildblumenwiesen und sogar von Obstwiesen mit Patenschaften. »Wir werden mit dem BUND, dem Nabu, aber auch in Eigenregie viel mehr Projekte machen«, sagt er. Eigentlich spielt Kaune der Klimawandel in die Karten, doch er eröffnet auch ein Spannungsfeld, in dem das neue, noch nicht veröffentlichte Friedhofskonzept steht: Einerseits sind da die Forderungen der Bürger nach Ruhe, andererseits gilt es, den Friedhof als ökologisch wichtige Grünfläche zu definieren. »Wir wollen diese Funktion unterstreichen, damit der Anteil aus dem allgemeinen Haushalt größer wird«, so Kaune. Mit anderen Worten: Es geht um Geld. Derzeit liegt der Friedhofsetat bei knapp 23 ­Millionen Euro, der Anteil aus
dem allgemeinen Haushalt wurde gerade von zwei auf drei Millionen Euro erhöht.

Für viele Bürger sind Friedhöfe nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch der Begegnung. Deshalb will Kaune mehr Bänke aufstellen lassen. Nichtsdestoweniger steigt gerade bei älteren Menschen das Bedürfnis nach Sicherheit. Mehr Personal, so Kaune, könne man nicht finanzieren. Er möchte aber das Modell »Friedhofs-Paten« ausbauen«, um so das Sicherheitsgefühl zu steigern, und schließlich sollen die nachmittags meist ungenutzten Trauerhallen als Treffpunkte für Trauernde, für Vorträge oder Konzerte geöffnet werden.

Bei der IG Friedhöfe stoßen diese Pläne dennoch auf Skepsis. Ralph Bickel hält die Bürgerbeteiligung für nicht repräsentativ. Daraus nun ein Konzept zu entwickeln, findet Bickel fragwürdig. Er moniert, dass die Stadt schon jetzt ihren Verpflichtungen wie der Bereitstellung von Pförtnern oder der Sanierung von Trauerhallen nicht nachkomme. So wird die Stadt noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen.