Fintenreicher Kampf gegen die Armut: »Parasite«

»Parasite«

Bong Joon-ho lässt in einer wahnwitzig bissigen Farce Arm gegen Reich antreten

Eine Hochstapler-Geschichte: Arme Familie aus der koreanischen Unterklasse schleicht sich in eine Oberklassen-Familie hinein, manipuliert sie durch Tricks und infiltriert sie systematisch. Insofern ist »Parasite« vom Koreaner Bong Joon-ho ein klassischer »Intruder-Film«, der alle möglichen bürgerlichen Ängste und Besorgnisse triggert: Dass Fremde ins Innerste, Intimste eindringen, die eigenen Schwächen durchschauen und gnadenlos ausnutzen. »Parasite« zeigt, was mit Menschen geschieht, die nur noch auf sich selbst achten, und darauf, ihre Komfortzone zu verteidigen. Diese Sicherheitszone der wohlhabenden braven Bürger wird durch die arme Familie, die alles wagen kann, weil sie nichts besitzt, von Anfang an in Frage gestellt, und schließlich zerstört.

»Parasite« ist einerseits eine over the top inszenierte Komödie, mokiert sich über Amerika-Hörigkeit und -Faszination der koreanischen Neureichen, die noch jedes Spielzeug für ihre Kinder aus den USA bestellen. Der Film macht sich zudem lustig über den Hype, der um Diplome und Abschlüsse gemacht wird, und um Visitenkarten als Prestigeobjekte. Als ließen sich von der Qualität eines Visitenkartendrucks Rückschlüsse auf die des Karten-Besitzers ziehen.

Die Reichen hier sind freundlich, aber nur, weil sie es sich auch leisten können. Und weil in ihren guten Manieren auch Unverbindlichkeit steckt, sie dienen als Abwehr. »Wäre ich reich, dann wäre ich auch freundlich«, sagt der Sohn der armen Familie einmal.

Zugleich ist der Film eine in komödiantische Form gekleidete offene Farce. Bong Joon-hoo zeigt eine Gesellschaft, die ihr Maß verloren hat. Gier und Materialismus bestimmen ihr Verhalten. Vieles wird erst einmal wortwörtlich genommen in diesem Film: Die Unterklasse wohnt tatsächlich in einem Kellergeschoss unter drastischen Verhältnissen, die Oberklasse auf dem Hügel über der Metropole Seoul in einem lichten, transparenten Haus, auch wenn dieses — und das wird noch einen Rolle spielen — ebenfalls einen Keller hat.

Zunehmend absurdere Wendungen nimmt die Handlung, bis alles in einem furiosen Finale gipfelt. Wer Vorläufer wie »Snowpiercer« oder »Okja« von Bong Joon-ho kennt, ahnt vielleicht, was bevorsteht. Doch ist »Parasite« ein Film, der keineswegs nur mit den Reichen böse und streng umgeht: Im Keller haust das von beiden Seiten Verdrängte.

Parasite (Gisaengchung) KOR 2019, R: Bong Joon-ho, D: Song Kang-ho, Lee Sun-kyun, Jo Yeo-jeong, Choi Woo-sik, Park So-dam, Jang Hye-jin, 132 Min.