Sich selbst erlauben, alles zu fühlen: Mariama

Sich selbst zu erlauben, alles zu fühlen

Die Kölner Sängerin Mariama feiert große Erfolge in Frankreich — jetzt kommt sie zurück

Endlich sind es nicht mehr nur die Pariser, die etwas von Mariama ­mitbekommen. »Love, Sweat and Tears«, das zweite Album der jungen Sängerin, ist im September hierzulande erschienen und bietet für alle, die sich von ihr auf der Bühne bisher noch nicht verzaubern ließen, ein paar wunderbare musikalische Exkursionen und ehrlich formulierte Gefühle.


Mariama, steht hinter dem Album so etwas wie eine Weisheit, die vermittelt werden soll?

Mariama: Es geht um den Weg ins eigene Herz, darum, sich selbst zu erlauben, alles zu fühlen. Und es geht darum, Liebe als einen Prozess und eine Handlung zu be­grei­fen, als die Art und Weise, wie wir unsere Beziehungen gestalten, zuallererst mit uns selbst und von dort ausgehend mit allem anderen.

Man erkennt auf diesem Album ei­ni­ge musikalische Neuheiten. Wel­ches »Experiment« wünschst du dir für die Zukunft, gibt es zum Beispiel Menschen, mit denen du gerne mal zusammen arbeiten würdest?

Mariama: Gerade arbeite ich daran, für die Bühne die Botschaft hinter den Liedern noch anders umzusetzen. Mit Bühnenbild, Tanz, ­Poesie und in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern aus diesen Bereichen.


Mariama, geboren in Sierra Leone und aufgewachsen in Köln, verbrachte die letzten Jahre vor allem in Paris, wo die meisten ihrer Songs entstanden. Liebe — an das wohl älteste Thema der Welt wagen sich diese Songs heran, entwickeln im Laufe des Albums eine Narration und suchen von akustischem Soul-Folk bis hin zu elektronischem R’n’B unterschiedliche Zugänge dazu. Inspiriert und begleitet werden viele der Songs von Musikern wie Sékou Bembeya, als »lebende Legende der guineischen Musik« beschrieben, oder auch Leif Bräutigam aus Köln, der unter anderem mit Akua Naru zusammenarbeitete.


Inwiefern haben Köln und Paris dich unterschiedlich inspiriert?

Mariama: In Köln habe ich zum ersten Mal mit meinen eigenen Liedern auf der Bühne gestanden, mich in verschiedenen Projekten, sowohl Musik als auch Theater ausprobiert. Hier war ich zum ersten Mal auf Konzerten, auf Partys und natürlich dem Summerjam. Im deutschlandweiten Vergleich sind die Kölner ja sehr offen, freund­lich und zugänglich. Das hat mich natürlich auch geprägt. In Köln bin ich aufgewachsen, und alles, was ich hier erlebt habe, ist in meine ersten Lieder einge­flossen. Paris hat meinen Horizont erweitert: der Austausch zwischen den Künsten und Künstlern, der ständige Input, auch jenseits von Musik. Nicht nur in Museen und auf großen Bühnen, auch auf der Straße. Nicht zuletzt die Musiker, die ich dort kennen­gelernt habe und meine Zeit in der Truppe von James Thierrée, dem Enkel von Charlie Chaplin, haben mich in meiner Arbeit beeinflusst. Ich bin dort nochmal anders gewachsen. Die Stadt ist so viel größer, noch viel­fältiger, kontrastreicher und bis­weilen auch härter.

Welches Gefühl wünschst du deinem Publikum, wenn es deine Konzerte verlässt?

Mariama: Das Schönste für mich ist, wenn mir Leute nach dem Konzert sagen, dass es ihnen für ihr Leben und die Situationen, in denen sie gerade stecken, etwas gegeben hat, sie irgendwie mit sich selber mehr in Berührung gekommen sind. Da bin ich dann selber immer total gerührt.


Tatsächlich weiß jeder, der die Sängerin schon einmal live erlebt hat, dass das keine Phrase ist. ­Mariama betritt die Bühne mit einer faszin­ierenden Ehrlichkeit, erzählt zwischen ihren Songs, lächelt bis in den hintersten Winkel des Konzertsaals. In ihrer Biographie steht geschrieben, dass sie mit ihrer Musik einen Raum schaffen möchte, in dem wir Mensch sein können. Auf eine angenehm unaufdringliche Art und Weise gelingt ihr das jedes Mal.


Gab es in deinem Leben einen ­konkreten Moment, der dich dazu veranlasst hat, deinen ersten Song zu schreiben?

Mariama: Den gab es tatsächlich. Nämlich als meine Mutter ­mir den Gitarrenunterricht gestrichen hat, weil ich nicht die Disziplin zum Üben aufbringen konnte. Da habe ich aus Trotz selber Lieder geschrieben, mit den paar Akkorden, die ich bis dahin gelernt hatte.

Eine klassische, aber immer interessante letzte Frage zum Album: Welcher ist dein Lieblingssong?

Mariama: Ich habe mehr als einen Lieblingssong, zum Glück, aber auf meinem Album hat der Song »I can’t help myself — hard to explain« eine besondere Bedeutung für mich. Er handelt davon, sich und anderen auch in schwierigen Zeiten mit ­Mitgefühl zu begegnen. Das fehlt uns leider oft. Ich liebe das Intro von Ballaké Sissoko und Vincent Segal an Kora und Cello. Hinzu kommt, dass einer meiner Lieblingsbassisten, Hilaire Penda, der auf dem Album einige Lieder ein­gespielt hat, mich extra wegen dieses Titels anrief, um mir zu sagen, dass er unbedingt darauf spielen wollte. Er ist letztes Jahr verstorben, und ich denke immer an ihn und die Tatsache, dass ich nie wieder die Gelegenheit haben werde, mit ihm Musik zu machen. »I can’t help myself — hard to explain« ist einer der Songs des Albums, die auf die Zerbrechlichkeit der Liebe verweisen und gleichzeitig verdeutlichen, dass es keine Schande ist, sich diese auch einzugestehen. Letztlich kann man Traurigkeit und Verzweiflung nur begegnen, in dem man sie zuerst als Schmerzen akzeptiert. Genauso wie in »Raindrops«, einem Song, der ebenfalls zum eher trau­rigen Teil des Albums gehört, geht es darum, in Krisen einen ­Neuanfang erkennen zu können. Blumen blühen schließlich nur dort, wo es geregnet hat.

Tonträger: Mariama, »Love, Sweat and Tears« ist auf Membrane / Musthave