Gemeinsam implodieren: Die Psychonauten

Geschlossene Gesellschaft

Die Studiobühne denkt mit »Rausch« laut über den Menschen nach

 

Grell strahlt die Schaukastenbühne in der Dunkelheit. Darin eingepfercht: Fünf Protagonisten, die sich stumm durch eine Choreo­grafie von immer gleichen Bewegungsabläufen kämpfen. Wer erschöpft zu Boden fällt, wird vermöbelt. »We love das Kopf with all our heart«, erklärt die Stimme aus dem Off, die gebetsmühlenartig in einer irritierenden Mischung aus Englisch und Deutsch ihre Philosophie über die Defragmentisierung des Menschen erklärt. Aber was bedeutet dieser Begriff überhaupt?

In »Rausch« gehe es um Gruppen, die implodieren, sagt Regisseur Daniel Schüssler im Gespräch nach der Premiere. Es ist der zweite Teil der Reihe »Die Psychonauten«, mit der Schüssler die neue Spielzeit an der Studiobühne eröffnet hat, inklusive kleinem Festakt, denn das von ihm gegründete Analog-Theater feiert in diesem Jahr sein 15-jähriges Jubiläum. »Rausch«, das ist wie ein lautes Nachdenken über den Zustand des Menschen, der nicht alleine im Angesicht des Fremden sein will — und sich der Macht einer Gruppe unterordnet. Die Bühne fungiert dabei als Zelle, Tapezierfolie grenzt sie als doppelte Membran von der Außenwelt ab. Sie schützt die Protagonisten und sperrt sie gleichzeitig als geschlossene Gesellschaft ein.

Doch so durchdacht die Bezüge auch sein mögen, die das Analog-Theater in seinem Stück zeigen möchte, an einem krankt auch diese Inszenierung: Wie im ersten Teil »Asche« stockt der philosophische Versuch, den Menschen in all seinen schwarzen Schattierungen zu ergründen, weil viele Zeichen und Symbole unkommentiert bleiben — und ihre Bedeutung deshalb nicht begriffen werden kann. Dass es sich etwa bei allen musikalischen Stücken (außer dem Scooter-Song) um Hymnen handelt, erkennen wohl nur die wenigsten, ebenso wie die Tatsache, dass die minutenlang ausgeführten Gesten der Protagonisten eigentlich Handzeichen von Kampfpiloten sein sollen. Wüsste man es, würde man die Implikationen der schemenhaft dargestellten Gewalt auf der Bühne vielleicht besser verstehen.

Gerade in diesen Zeiten habe das Theater die moralische Pflicht, die richtigen Geschichten zu erzählen und an das Menschliche zu appellieren, sagt Dietmar Kobboldt, Leiter der Studiobühne, später bei einer Pressekonferenz zur diesjährigen Theaternacht. Regisseur Schüssler hat dies erneut gewagt. Mehr Deutlichkeit in seiner Aussage über Macht und Missbrauch hätte dem Stück jedoch gut getan.