Literaturpreisprämiertes Lächeln: Norbert Scheuer

Summender Widerstand

In Norbert Scheuers »Winterbienen« hilft ein Imker Juden bei der Flucht nach Belgien

Norbert Scheuers Bücher haben eine Heimat: Kall in der Eifel, 11.000 Einwohner, CDU-Bürgermeister. Dort hat er seinen Episodenroman »Kall, Eifel« angesiedelt, eine Hommage an »Winesburg, Ohio« des amerikanischen Autors Sherwood Anderson. Denn die Eifel von Norbert Scheuer ist eine literarische Fiktion, deren Namensgleich­heit mit realen Personen und Orten zufällig ist.

Das gilt auch für »Winter­bienen«, Scheuers neuesten Roman, der gerade mit dem ­Wilhelm-Raabe-Preis ausgezeichnet wurde und nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe vielleicht auch mit dem Deutschen Buchpreis. In einem »Bergarbeiter­städtchen« lebt Egidius Arimond, ein ehemaliger Lehrer, der von den Nazis aufgrund seiner Epilepsie entlassen wurde. Mit dem Verkauf von Honig hält sich Arimond danach über Wasser. Es ist der Winter 1944, und über den Bienen­stöcken in seinem Garten fliegen die alliierten Bomber in Richtung Köln und Ruhrgebiet. Der Luftkrieg verschont die Eifel, aber mit seinen Bienenstöcken ist Arimond dennoch Kriegsteilnehmer. Darin versteckt er Juden, die er über die Grenze nach Belgien bringt. »Ich verlange zweihundert Reichsmark pro Person für den Transport — zuerst kommt doch immer das Geld, dann erst die Tugend —, aber ich brauche viel Geld für meine Antiepileptika«, schreibt Arimond in sein Tagebuch, anhand dessen Scheuer die Geschichte erzählt. Diese Erzählperspektive ist die Stärke des Romans. Scheuer kann seinen Protagonisten so in seiner moralischen Ambivalenz zeigen. Selbst vor einer Affäre Arimonds mit der Frau des örtlichen NSDAP-Chefs schreckt Scheuer nicht zurück. Aber dominiert wird das Tagebuch von einer Liebeserklärung an Bienen, die das Gegenteil des NS-Regimes verkörpern: »Bienen sind nicht aggressiv, sie würden niemals andere Völker erobern und sie unterjochen.«

An einer Stelle schreibt Norbert Scheuer sich selbst in den Roman ein. Ältere Einwohner von Kall hätten ihm Arimonds Tagebücher gegeben, denn Scheuer solle endlich einmal »etwas Gutes« über seinen Heimatort schreiben, erzählt er da. Das hat Scheuer nicht getan. Aber ein gutes Buch ist daraus geworden.

Roman

Norbert Scheuer: »Winter­bienen«, C. H. Beck Verlag, 319 Seiten, 22 €

Lesung

Stadtrevue präsentiert:
13.11. Maternus Buchhandlung, 20 Uhr