Roter Teppich statt grauem Beton: »Aufbruch Fahrrad« auf der Vogelsanger Straße

»Wir wollen ein Gesetz«

Ute Symanski und Harald Schuster über die Volksinitiative »Aufbruch Fahrrad«

Das Aktionsbündnis »Aufbruch Fahrrad« wurde vom Kölner Verein RADKOMM ins Leben gerufen. Nach dem Vorbild des Volksentscheids Fahrrad, der in Berlin ein neues Mobilitätsgesetz angestoßen hat, sammelte die Volksinitiative innerhalb eines Jahres 206.687 Unterschriften für den Ausbau des Radverkehrs in NRW. 66.000 Stimmen waren erforderlich, damit sich der Landtag mit dem Anliegen beschäftigen muss. Anfang Oktober wurden Vertreter von »Aufbruch Fahrrad« vom Landesverkehrsausschuss in Düsseldorf angehört. Die Initiative fordert ein Fahrradgesetz. Der Landtag wird in den kommenden Monaten darüber entscheiden. Die Stadtrevue sprach mit den Kölner »Aufbruch Fahrrad«-Initiatoren Ute Symanski und Harald Schuster.

Sie haben der Landespolitik das Thema Radverkehr aufs Auge gedrückt. Haben Sie sich in Düsseldorf unerwünscht gefühlt?

Symanski: Verkehrsminister Hen­drik Wüst hat betont, dass wir bei ihm offene Türen eingerannt hätten. Ich bin mir aber nicht sicher, wie groß die Freude tatsächlich war. Wir verstehen Aufbruch Fahrrad auch als Ermutigungsprogramm für die Politik. Fast alle Parteien haben noch immer Angst, Stimmen von Wählern zu verlieren, wenn sie Verkehrspolitik machen, die die Privilegien des Autoverkehrs abbaut. Wir wollen zeigen: Da sind sehr viele Menschen, die sich eine andere, nachhaltigere Mobilität wünschen.

Nutzen Sie die 200.000 Unterschriften gegenüber der Politik als Drohkulisse?

Symanski: Als Drohkulisse nicht, aber man spürt den Respekt vor dieser Zahl. Eine Volksinitiative ist eine Ausdrucksform der direkten Demokratie. Wir haben ein in der Landesverfassung verbrieftes Recht wahrgenommen. Das Format entwickelt damit eine Verbindlichkeit für die Politik. In einer der nächsten Sitzungen bis November wird der Verkehrsausschuss über unsere Forderungen beraten. In der Anhörung Anfang Oktober haben sich Grüne und SPD klar dazu bekannt. CDU und FDP waren unsicher. Gerade die CDU scheint in dieser Frage gespalten.

Schuster: Ich glaube, dass der CDU zumindest klar ist, dass ihr im Kommunalwahlkampf im nächsten Jahr ein Fahrradgesetz gut stünde. Die Themen Umwelt und Fahrrad haben Konjunktur.

Sie haben einen Katalog mit neun Forderungen aufgestellt, etwa 1000 Kilometer neue Radschnellwege in NRW oder vier Meter breite Fahrradstraßen in Städten. Haben Sie Sorge, mit Symbolpolitik abgespeist zu werden?

Symanski: Wir wollen ja ein Gesetz, um genau das zu verhindern. Dort sollen die Ziele konkret ausformuliert und Zwischenziele festgehalten werden. Abstrakte Forderungen versauern in der Schublade.

Ist es nicht utopisch, den Radverkehrsanteil in NRW bis 2025 von acht auf 25 Prozent zu erhöhen?

Symanski: Sicher, die Ziele sind ambitioniert. Aber das Verkehrsministerium selbst will den Radverkehrsanteil bis 2030 auf 25 Prozent anheben und ist nicht gerade dafür bekannt, ambitionierte Ziele für Radfahrende zu formulieren. Deshalb müssen schnell umsetzbare Lösungen in den Vordergrund rücken, wie die Umwidmung von Autostraßen zu Radwegen.

Gerade bei der Verkehrsinfrastruktur fehlt oft nicht der politische Wille, sondern dessen Umsetzung.

Schuster: Wenn man nach Köln schaut, sieht man, dass hier einiges beschlossen wurde, aber nicht gehandelt. Auch die Planer in der Verwaltung sollen durch Aufbruch Fahrrad ermutigt werden, sich zu fragen, was es mit einer Stadt machen würde, wenn mehr Menschen die Möglichkeit hätten, sicher Fahrrad zu fahren. Dann würden viele Probleme gelöst: weniger Parkdruck, weniger Stau, bessere Luft. Aufbruch Fahrrad ist ein Aufbruch in die Zukunft der Städte.

Aber NRW besteht nicht nur aus Städten.

Schuster: Als wir anfingen, sagten einige Skeptiker: Radfahren ist ein Großstadtthema. Aber wir haben schnell gemerkt, dass das nicht stimmt. Von 396 Kommunen in NRW haben sich 394 beteiligt. Wir hatten sehr aktive Gruppen in Kleinstädten. NRW ist dicht besiedelt. Das Fahrrad ist bis zu einer Entfernung von 15 bis 20 Kilometern ein Verkehrsträger, erst recht mit E-Bike-Unterstützung.

Symanski: Der Leidensdruck auf dem Land ist genauso groß. Nur die Wünsche sind andere. In der Stadt haben Radfahrende das Bedürfnis nach Sicherheit, sauberer Luft, mehr Platz. Menschen auf dem Land fehlt komplett die Infrastruktur. Sie hätten gerne die Wahl, das Fahrrad zu nehmen, können aber nur auf Landstraßen ohne Radweg fahren. Ich habe mit vielen älteren Frauen gesprochen, die noch fit sind, sich aber nicht mehr trauen, Fahrrad zu fahren, weil alles so schnell und aggressiv geworden ist. Da geht es um selbstbestimmte Teilhabe.

Ist Aufbruch Fahrrad gescheitert, wenn es kein Fahrradgesetz geben wird?

Symanski: Wir haben nie geglaubt, dass wir Unterschriften sammeln und dann das Fahrradparadies kommt. Aber je mehr Menschen ihre Mobilität überdenken, desto weiter verschiebt sich der Diskurs in Richtung einer nachhaltigen Mobilität.

Schuster: Viele, die Unterschriften gesammelt haben, haben sich erstmals aktionistisch betätigt und sich als selbstwirksam erlebt. Für die war das ein Einstieg ins organisierte politische Handeln.