Je nach Rottegrad

Dem Kompost werden geradezu magische Eigenschaften zugeschrieben. Aber wehe, wenn er richtig heiß läuft

 

Die Erntesaison geht zu Ende. Aus dem Beet schauen nur noch ein paar Mangoldblätter heraus, dünne Lauchstangen und ein zerzaustes Gewächs, aus dem eher kein Fenchel mehr wird. Unsere Erntebilanz fiel in diesem Jahr bescheiden aus, jedoch: Jetzt werden die Grundlagen gelegt für eine reiche Ausbeute in der kommenden Saison. Die Rede ist vom Kompost. Mein Mann glaubt fest an dessen segensreiche Wirkung. Brav tragen wir unsere Küchenabfälle in den Garten und werfen sie auf den Kompost, damit all die fleißigen kleinen Larven, Würmer und Pilze sie in fruchtbare Humuserde verwandeln. Darauf soll das Gemüse im nächsten Jahr gedeihen. Es ist wie Zauberei!

Kein Wunder, dass diese Kreislaufwirtschaft der Natur längst eine weltanschauliche Dimension erreicht hat. Diese geht über den notorischen Streit, ob Eierschalen nun auf den Kompost gehören oder nicht, weit hinaus. Schon Aristoteles begann mit der Überhöhung des organischen Bodens und vertrat in seiner Humustheorie die Auffassung, eine Pflanze ernähre sich aus dem Humus. Richtig Fahrt nahm die Kompostwirtschaft in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft auf, die im Nationalsozialismus auf besonders fruchtbaren Boden fiel. Der Öko- und Kompostpionier Alwin Seifert sah den Mutterboden als »lebendigen Organismus« und »unersetz­liches Volksgut« an, und brachte die Nazis dazu, beim Bau der Reichsautobahn im großen Stil auf Kompostwirtschaft zu setzen: Größenwahnsinnige Naturzerstörung, gesäumt von organisch gedüngten Böschungen.

Wir haben gleich zwei Sammelstellen im Garten: eine Art Misthaufen, auf den der ganze Grünschnitt kommt, und einen ­großen Bottich mit Deckel. In letzterem geht der Kompostier­vorgang, die sogenannte Rotte, schneller vonstatten, denn es wird schön warm da drin. Hohe Rottetemperaturen haben den Vorteil, dass sie Krankheitserreger und Unkrautsamen abtöten. Man muss gut aufpassen: Mit Kompost wächst alles besser, auch das Unkraut, wenn den Wurzeln nicht bei höchsten Rotte­graden der Garaus gemacht wird. Tipps dafür gibt das Umweltbundesamt alle paar Jahre in seiner Kompostfibel, Stichwort: Seuchenhygiene. Was biologisch-dynamisch ist, muss offenbar nicht immer auch gesund sein.

Im Sommer fing unser Bottich-Kompost mal an zu qualmen. Bei dem läuft’s aber, dachten wir. Dann explodierte ein paar Gärten weiter ein Schnellkomposter. Stichflamme, Feuerwehr, Schaum drauf. Aus war’s mit dem schönen Humus.