Ein Park für Porz

Die Innenstadt von Porz wird gerade umgestaltet, doch soziale Projekte kommen zu kurz. Ein Bürgerbündnis will das ändern. Am Rande eines sozialen Brennpunkts soll es einen neuen Park geben. Das Beteiligungsverfahren hat die Initiative jetzt selbst in die Hand genommen

Was tun mit vier Millionen Euro? Das fragen sich rund zwanzig ­Menschen, die Ende September im Saal des Jugend- und Begegnungszentrums Glashütte in Porz zusammenkommen. Sie sind dem Aufruf des Bürgerbündnisses Porz-Mitte gefolgt, in dem sich mittler­weile 300 Menschen versammeln, die sich einen Aufbruch für das Porzer Zentrum wünschen. Seit der Eingemeindung der damaligen Stadt, ging es hier bergab. Seit das Hertie-Warenhaus am Marktplatz leerstand, setzte ein, was Soziologen einen ­Trading-down-­Effekt ­nennen, eine Abwärtsspirale. Ladenbesitzer gaben auf, das Angebot wurde schmaler. Vor einigen Jahren kaufte die Stadt deshalb das marode Warenhaus, riss es ab und bebaut nun den Marktplatz mit drei neuen Gebäuden für Konsum samt einigen Wohnungen. Vielen in Porz reicht das nicht, sie glauben, dass es auch soziale Maßnahmen geben muss, für jene, die arm sind, die keine Arbeit und keine Per­s­pektive haben.

An diesem Samstagmittag geht es darum, Ideen für einen Park zu ent­wickeln, für den die Stadt in einem Integrierten Stadtentwick­lungs­­konzept (ISEK) rund 4 Millionen Euro einplant. Das Gebiet ist 25.000 Quadrat­meter groß, das entspricht dreieinhalb Fußball­feldern. Der Streifen verläuft zwischen der Trasse der KVB-Linie 7 und den Hochhäusern der Papageiensiedlung, die als sozialer Brennpunkt gilt. Es ist stadtplanerisch ein undefinierter Raum, zur Hälfte verwitterter Parkplatz, dazu etwas Grün mit Hügel, ein Bolzplatz. Einige junge Männer stehen hier vor einem Sportwagen, aus dem Musik dröhnt. Vom Bolzplatz ist das Donnern der Gitter zu hören, wenn der Fußball dagegen geschossen wird. Abends ­meiden Porzer das unbeleuchtete Gebiet, obwohl es auf direktem Weg ins Zentrum mit Bahnhof und Einkaufszentrum führt. »Unsere Umfrage hat ergeben, dass 75 Prozent der Befragten das Gebiet als Angst­raum ansehen«, sagt Jochen Reichel, Vorsitzender des Bürgerbündnisses. »Wir wollen das ändern, es soll ein attraktiver Park für alle Porzer werden.« Zusammen mit Bündnis-Geschäftsführer Klaus Schäfer moderiert er den Workshop. Schäfer sagt, nur wenn die Gruppen des Viertels die Idee mittragen und der Park eine Anziehungskraft für ganz Porz besitze, werde das Projekt gelingen. Beim Workshop ­stellen Vertreter von drei Gruppen ihre Wünsche vor: Kinder und Jugendliche, Senioren und die Bewohner der Papageiensiedlung.

Reichel und Schäfer haben Ideen aus rund hundert Städten mit ähn­lichen Ausgangslagen recherchiert, sie zeigen Bilder von Wasser­spiel­plätzen, Trimm-dich-Geräten, Bänken und Sitzgelegenheiten, sie erläutern Vor- und Nachteile. Vertreter der Gruppen berichten, was ihre Klientel sich wünscht: etwa ein Café und Toilettenhäus­chen für Senioren, Sportgeräte und einen Skatepark für Jugendliche, einen großen Wasserspielplatz und einen Spielgeräteverleih. Vieles auf diesen Inventarlisten taucht bei allen Gruppen auf, ein gutes Zeichen.

Am Samstagabend, nach viereinhalb Stunden Vorträgen, Diskussionen, Wortgefechten stellen die Gruppen auf Plänen ihren Wunsch-Park mit allen Elementen vor. Mit den Platzierungen kommt man sich nicht ins Gehege, es sei genug Platz, dass sich die Gruppen nicht störten und dass der Park übersichtlich bleibe, so dass sich alle sicher fühlten, stellt man fest. Es sei aber nicht mehr als ein Vorentwurf, sagt Klaus Schäfer. »Wir gehen hier in Vorleistung für die Stadt, und legen dem künftigen Planungsbüro schon mal die Wünsche der Menschen vor.«

Fühlt sich die Stadt da überrumpelt? Joachim Bauer vom Grünflächen­amt, federführend bei den Planungen für den Park, drückt es so aus: »Die Initiative des Bündnisses ist zwar nicht in Absprache, aber in Kenntnis erfolgt.« Er warnt vor zu hohen Erwartungen: »Vier Millionen klingt viel«, sagt Bauer. »Aber die Hälfte des Areals ist asphaltiert, und es gibt einen Hügel. Da weiß man nicht, was einen bei der Sanierung erwartet.« Doch das Bündnis Porz-Mitte hat nicht länger warten wollen, bis die Stadt die Öffentlichkeitsbeteiligung beginnt, zumal ein Werkstattverfahren abgelehnt wurde. Vieles dauert zu lange in Porz, findet Klaus Schäfer. Aber so schnell wie beim Bündnis könne es bei der Stadt eben nicht gehen, sagt Bauer. Zunächst musste eine aufwändige EU-weite Ausschreibung formuliert werden. Fünf Planungs­büros sind bereits in der engeren Auswahl. Die Entscheidung trifft Ende November eine sechsköpfige Jury, in die auch Jochen Reichel als Vertreter des Beirats berufen wurde. »Der Beirat zum ISEK ist das eigentlich legitimierte Gremium«, sagt Bauer. »Und dann ist da ja auch noch die Politik in der Bezirksvertretung.« Gut sei, dass das Bündnis bestimmte Gruppen besser erreiche als die Stadt, sagt Bauer. Allerdings ist das noch nicht ganz geglückt. Nur wenige Bewohner der Siedlung kommen an diesem Samstag zum Workshop. Ein Vertreter der Sinti und Roma beäugt die Veranstaltung mit verschränkten Armen, dann platzt es heraus: »Wer ist das da eigentlich, was bestimmt ihr über die Siedlung? Wo sind die Bewohner?« Schäfer und Reichel müssen mühsam erläutern, dass sie hier moderieren und keine eigenen Interessen verfolgen. Erst allmählich verfliegt die Skepsis, man tauscht Telefonnummern, bis zum Ende bleibt der Mann trotzdem nicht. Mehrfach habe das Bündnis an den Eingängen der Hochhäuser Einladungen ausgehängt, sagt Reichel. Ein Bewohner sagt: »Ja, aber die haben die Kinder abgerissen, weil sie dachten, ihr Bolzplatz solle weg!«

»Viele glauben erst gar nicht, dass man an ihrer Meinung interessiert ist«, sagt Karim Mahdad, der mit seiner Familie in der Papageien­siedlung wohnt. Er vertritt die Interessen der Bewohner. Seine Eltern stammen aus Marokko, er selbst ist in der Siedlung groß geworden. »Mein Vater hat die Siedlung Anfang der 70er Jahre mitgebaut«, sagt Mahdad, der sich im Mieter­beirat engagiert. Es gebe zu viele Vorurteile. »Wir gelten hier als die Asis«, sagt Mahdad bei Tee und Gebäck in seiner Wohnung. Er berichtet, wie hier Müll abgeladen werde, von Menschen, die gar nicht in der Siedlung wohnen. Mahdad, hochgewachsen und athletisch, mit einer sonoren Stimme, sagt, er habe sie dann freundlich, aber bestimmt darauf angesprochen. Überhaupt sei es wichtig, in direkten Kontakt zu treten. »Ich habe aber auch schon Nachbarn gesagt, dass man hier keinen Müll aus dem Fenster wirft.« Aber dass es hier so viele Drogen­abhängige und häufig Gewalt gebe, das stimme nicht. Die Siedlung sei stigmatisiert. Dazu trage auch der Gitter­zaun bei, der vor einigen Jahren um das Jugend- und Gemein­schafts­zentrum Glashütte gezogen wurde. Es habe Einbrüche und Vandalismus gegeben, heißt es dort. Leiterin Petra Riemann sagt auch, dass viele Kinder sich durch den Zaun auf dem Gelände sicherer fühlten. Allerdings habe sich die Situation verbessert, sagt Riemann, Der Zaun könne bald vielleicht weg. Philipp Neuhaus von der Glashütte sagt zwar, er werde manchmal abends auf dem Handy angerufen: »Kannst Du kommen? Hier gibt’s gerade Stress.« Aber es sei nicht so schlimm wie noch vor Jahren: »Das hat auch mit unserer Sozial­arbeit hier zu tun.« Sein Kollege Paul Rösler, seit einigen Monaten Honorarkraft, hat mit 16 Jahren einen guten Draht zu den Kindern und Teenagern. »Die fühlen sich oft nicht ernst genommen«, sagt Rösler. »Für die ist jede politische Veranstaltung mit Erwachsenen immer ein Auswärtsspiel.« Wenn es im Park ein Kiosk oder Café mit Spieleverleih gebe, sei wichtig, dass dort Angestellte von der Glashütte arbeiten, finden die beiden. »Wir kennen die Leute hier schon jahrelang, das ist wichtig.« Bis zu 80 Jugendliche betreut die Glashütte täglich im offenen Jugend­bereich. Allerdings gibt es auch Ideen, das Café von einem noch zu gründenden Verein betreiben zu lassen, sagt wiederum Karim Mahdad vom Mieterbeirat. Es gibt also noch einiges zu diskutieren.

Das Bündnis hat nach dem Workshop einen fast 40-seitigen Abschluss­bericht vorgelegt. Den wird auch Joachim Bauer vom Grün­flächen­amt interessiert lesen. Anfang kommenden Jahres soll die Öffentlichkeitsbeteiligung der Stadt beginnen. Dann wird ­Joachim Bauer wissen, ob das Engagement der Porzer ihm die Arbeit einfacher oder schwieriger gemacht hat.