Untitled, 1994, Farbe und Wachs auf Leinwand auf Holz courtesy: Sammlung Goetz, München

Aus dem Augenwinkel

Francis Alÿs erkundet die Welt en passant,

aber sehr präzise

Was sieht und erlebt ein Hund, wenn er durch die Straßen einer Megametropole streunt? In dem frühen Video »The Collector« (1989/92) hat sich der 1959 in Antwerpen geborene Francis Alÿs seine damals neue Wahlheimat Mexico-City mit einem Spielzeughund an der Leine erwandert. Sehr praktisch: Das Tier sammelte beim gemeinsamen Flanieren dank magnetischem Unterbau den Metallmüll des Molochs gleich mit auf. Dieses Schlüsselwerk selbst ist zwar in Schloss Morsbroich nicht zu sehen, wohl aber ein Remake des kubischen Vierbeiners als fabelhafte Skulptur. Wie ausrangiert steht er da, in verschiedenen Größen übereinander gestapelt, und erweist den Bremer Stadtmusikanten seine Referenz.

Das En-passant-Erkunden und eine tierische Perspektive sind zentrale künstlerische Strategien von Francis Alÿs. In der Doppel-Diaprojektion »Milk 4 Ice« lenkt er die Aufmerksamkeit auf Spuren urbaner Mikroökonomien: Milchflaschen vor den Haustüren Londons, dort abgestellt von Lieferanten, Eisblöcke in Mexico-City für die fliegenden Händler, die damit ihre Waren kühlen können. Und dann dieser erhabene, unaufdringliche Blick auf den zentralen Platz »Zocalo« in der mexikanischen Hauptstadt: Im gleichnamigen Video suchen die Passanten den Schattenstrich eines riesigen Fahnenmastes und folgen seinem langsamen Verlauf.

Der international agierende Alÿs arbeitet mit gutem Gespür für die Themen unserer Zeit, meist in großen, länger angelegten Projekten. Er begleitet sie durch kleine Arbeiten in unterschiedlichsten Medien, die sich beim Gang durch die barock gereihten Leverkusener Ausstellungsräume ideal erfahren lassen. Besonders Freund*innen figurativer Malerei werden an den Ölbildern größte Freude haben: Oft wählt Alÿs‘ als Motiv absurde, traumartige Situationen, ganz in der belgischen Tradition von René Magritte bis Luc Tuymans.

Neben den Déjà-Vu-Paintings, die mit der Irritation spielen, ob man das gleiche kleine Bild nicht schon einmal gesehen hat, sind Arbeiten des »Sign Painting Projects« zu sehen. Alÿs kooperierte dafür mit mexikanischen Schildermalern und hatte sie gebeten, von seinen malerisch erfassten Beobachtungen vergrößerte Kopien zu erstellen. Auf die antwortete er mit neuen, am Ende wieder hoch gehandelten Interpretationen —
auf lakonische Weise verspielt und subversiv gleichermaßen.

Museum Morsbroich, Gustav-Heinemann-Str. 80, 51377 Leverkusen, Di–So 11–17 Uhr, bis 5.1.2020., museum-morsbroich.de