Mathematisches System: Ballet of Difference

In Stille tanzen

Mit Richard Siegals Ballet of Difference holt das Schauspiel eine Tanzkompanie nach Köln

Das Licht im Depot 1 brennt noch, als über die Lautsprecher Taj Mahals Soul-Song »You don’t miss your water« gespielt wird. Dann wird es still, und die Stille wird bleiben. Zumindest während des ersten Akts. Nur unterbrochen von Atemgeräuschen und minimalistischen Soundeffekten gehen die Tänzer auf der Bühne ihrer Aufgabe nach: Gleich den entfremdeten Bewegungsabläufen einer Massenproduktion wiederholen sie isoliert voneinander ihre Variation.

Mit »New Ocean (The natch’l Blues)« bringt der US-amerikanische Choreograph Richard Siegal sein erstes abendfüllendes Ballett nach Köln. »Der Tanz hat wieder eine Heimat in Köln«, verkündete Intendant Stefan Bachmann zum Auftakt der Kooperation zwischen dem Schauspiel und Siegals »Ballet of Difference«. Doch wie es nach dem Ende der zweijährigen Landesförderung durch das Kultusministeriums weitergeht, ist bislang noch ungewiss. Wird die Stadt Köln endlich die Chance auf eine eigene Tanzkompanie nutzen?

Inspiriert durch Merce Cunning­ham, einem Pionier des Modernen Tanzes, konstruiert Siegal eine Choreographie, die auf Daten des Klimawandels beruht, beginnend im Jahr 1994, dem Jahr, in dem Cunninghams »Ocean« Premiere feierte. Wie auch Cunningham in seinem Opus, wählt Siegal einen Ring als dominante Form. Eingehüllt in einem Raum aus weißen Wänden bildet eine kreisförmige Lichtkonstruktion den zentralen Punkt der Bühne. In der zweiten Hälfte des Stücks brechen ihn schwarz-weiße Projektionen auf und zeigen abstrakte Eisflächen und Wellenformen. Ein Ozean aus Licht und Schatten umspielt die angespannten Muskeln der Tänzer, durch die Nebelwolken scheinen ihre Silhouetten jenseits der binären Zweigeschlechtlichkeit. Auch Tänzer Long Zou trotzt auf Spitzenschuhe den Geschlechterklischees, der Tanz wird dynamischer: Auf gestreckte Körper folgen Kontraktionen, dann erstarren sie oder fallen leblos zu Boden.

Siegals Choreographie folgt einem strengen, mathematischen System. Showeffekte gibt es keine, statt dessen wird die Handlung vor allem über das Bühnenbild und den Einsatz von Nebel und Projektionen erzählt. Der tänzerische Fokus liegt auf seiner technisch genauen Ausführung und auf dem repetitiven Charakter seiner Variation. Mitunter wirken diese Wiederholungen monoton, doch Siegal lässt sich Zeit und führt das Publikum behutsam durch den Abend. Um es am Ende, entgegen dem anfänglichen Credo der Choreographie, doch noch zu attackieren.

30.11., Schauspiel Köln, 19.30 Uhr, weitere Vorstellungen bis April 2020