Abriss vielleicht unumgänglich: Sozialhäuser in Klettenberg

Laufendes Geschäft

In Klettenberg müssen Bewohner ihre Sozialsiedlung verlassen. Was mit den Häusern geschieht, ist offen

Mit dem Jahr 2019 geht ein besonderes Kapitel Klettenberger Geschichte zu Ende. Alle Bewohner der Geisbergstraße 47-53 müssen spätestens am 31. Dezember aus ihrer Wohnung ausziehen. Die vier grauen Mehrfamilien­häuser sind in schlechtem Zustand, sie müssen saniert oder neu gebaut werden. Seit Anfang der 60er Jahre hat die Stadt Köln in der Geisberg­siedlung »sozial labile Familien«, wie es damals hieß, unter­gebracht — arme, kinderreiche Familien, die sonst auf der Straße hätten leben müssen. Für viele der zuletzt rund 120 Menschen in der Siedlung gilt das bis heute: Sie sind arm, die meisten ohne Job, viele krank und ohne Chance auf dem freien Wohnungsmarkt. Eine Siedlung, wie es sie im wohlhabenden Klettenberg sonst nirgends gibt.

Dieser Gemeinschaft teilte die Stadt im Januar per Brief mit, dass sie zum Ende des Jahres ausziehen müsse. Ein Abriss der Gebäude sei unum­gänglich. Nachdem die Stadtrevue im März berichtet hatte, stellten Politiker von CDU und Grünen eine Anfrage im Sozialausschuss: Warum man darüber nicht informiert worden sei, zumal der letzte Sachstand aus 2016 die Sanierung der Häuser gewesen sei?

»Die Politik hätte vor der Unter­­bringung der Bewohner*innen in andere Unterkünfte zwingend unterrichtet werden müssen«, sagt die sozial­politische Sprecherin der Grünen, Marion Heuser. »Ich will mich doch sachkundig machen!« Daraufhin teilte die Verwaltung mit, die bisherige Planung sei als »laufendes Geschäft der Verwaltung« verfolgt worden, was so viel heißt wie: Das ist eine Routineangelegenheit, mit der wir die Politiker nicht zu belästigen brauchen. Doch dann fügte der Leiter des Wohnungsamts Josef Ludwig überraschend hinzu, über Abriss oder Sanierung sei noch nicht abschließend entschieden. Man habe ein externes Planungsbüro mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt, so Ludwig. Mit dem Ergebnis rechne man nicht vor Ende November. »Die Entscheidung der politischen Gremien über die konkrete Variante bleibt abzuwarten.« Sollte sich die Politik für einen Neubau entscheiden, so werden öffentlich geförderte Wohnungen entstehen, die zu je einem Drittel mit Menschen mit Wohnberechtigungsschein, Wohnungssuchenden mit »Zugangs­beschränkungen zum Wohnungsmarkt« sowie Obdachlose und Geflüchtete mit Aufenthaltsstatus vergeben werden.

Die Zukunft der Häuser ist also nach wie vor völlig offen. Trotzdem müssen die Bewohner bereits jetzt ausziehen. Hätte man das nicht besser planen können? »Eine alternative Unterbringung der Bewohner ist unabhängig von der noch zu fällenden Entscheidung erforderlich«, so Ludwig. Von 47 Parteien seien 26 in einem hochwertigen Neubau in Raderberg unter­gebracht worden, andere in Zollstock, Buchheim oder Riehl. Am 11.11. wurde nur noch für eine Familie aus der Siedlung Ersatzwohnraum gesucht. Also alles gut gegangen?

»Wenn die Wohnungen von Schimmel befallen sind, bedeutet das ein ernsthaftes gesundheitliches Risiko für die dort lebenden Menschen. Dann darf man sie dort nicht länger unterbringen«, sagt Marion Heuser von den Grünen. Sie hat einen Ortstermin beantragt, um die Häuser in Augenschein zu nehmen. Manche Bewohner wurden in andere Sozialhäuser vermittelt, etwa in die Siedlung an der Flemingstraße in Niehl. Das Wohnungsamt hatte als Reaktion auf die Wohnungsnot der Nachkriegszeit in den 60er Jahren in fast allen Stadtteilen Kölns so genannte Übergangshäuser errichten lassen. Viele davon sind heute in schlechtem Zustand. »Das Sanierungs- und Neubauprogramm wurde schon vor etlichen Jahren von der Politik in Auftrag gegeben. Aber die Umsetzung durch die Verwaltung dauert viel zu lange«, so Heuser. Insgesamt gibt es noch 38 Sozialhäuser in Köln; in den vergangenen Jahren wurden davon wenige saniert, andere abgerissen und neu gebaut. Mit Abriss und Neubau soll es in den nächsten Jahren weitergehen: an der Escher Straße in Bilderstöckchen, am Kalscheurer Weg in Zollstock, an der Lilienthalstraße in Kalk. Dort müssen die Bewohner im Sommer 2020 ausziehen.

Im November trifft man nur noch wenige Menschen in der Geisberg­siedlung an. »Meine Familie hat hier seit drei Generationen gewohnt«, sagt ein junger Mann. »Ich bin einfach nur traurig.«