Ärger mit der Zensur: »The Red Line« von Masoud Kimiai

Vorwürfe und Flammen

Das Filmfestival »1979 — Revolution der Bilder« verfolgt die Um­­brüche im Iran im Spiegel der Filmgeschichte

Es gibt nur wenige Bilder der Islamischen Revolution, die den Iran 1979 erschütterte. Wenn es überhaupt eine einzelne Revolution war und nicht eine Abfolge von Revolten, die zum Sturz des Schahs führten. Zum Neujahr 1978 inmitten einer sich zuspitzenden Lage zeigte das iranische Fernsehen eine Auswahl von Filmen mit Dick und Doof. Auf den Straßen Männer mit langen Haaren und Schlaghosen. Die Bilder, die bis heute überlebt haben, stammen aus wenigen Quellen, werden immer wieder neu arrangiert. Während vor einigen Jahren, der Arabische Frühling die Region aufwühlte, hat Robert Safarian diese Bilder erneut gesichtet und mit denen der Gegenwart verglichen. »Conversation with Revolution« eröffnet die Filmreihe »1979 — Revolution der Bilder«, die sich den filmischen Spuren der iranischen Revolution von 1979 widmet.

Am folgenden Abend laufen zwei Filme von Dariush Mehrjui. Der erste entstand vor der Revolution, der zweite kurz danach. Mehrjuis ungebrochene Karriere ist beispielhaft für die Kontinuitäten des iranischen Kinos. Den Auftakt macht sein Meisterwerk »Die Kuh« (1968), ein reduzierter Film über den Tod einer Kuh, die das Ein und Alles ihres Besitzers Mashdi Hassan ist. Als die Kuh stirbt, versucht das Dorf deren Tod zu verheimlichen. Doch Hassan stützt in eine Krise, beginnt sich selbst wie eine Kuh zu verhalten. Der Film wurde wegen seiner Darstellung des Elends auf dem Land verboten, nach Venedig geschmuggelt und dort beim Filmfestival ausgezeichnet. »Die Kuh« ist einer der zentralen Filme der vom europäischen Neo-Realismus inspirierten Neuen Welle im Iran, die in den Jahren vor der Revolution entsteht. Sie zeigt, dass es auch Aufbrüche in der iranischen Gesellschaft gab, die in eine ganz andere Richtung wiesen als die folgende Revolution.

Mehrjuis »The School We Went To« entsteht ein Jahr nach der Machtübernahme der Ajatollahs und zeigt Schüler im Aufstand gegen einen repressiven Schulleiter. Als die Aufführung eines Theaterstücks verboten wird, verfasst einer der Schüler einen Artikel für die Schulzeitung, der die verlogene Moral und die fehlenden Freiheiten kritisiert. Auch die neuen Machthaber verboten Mehrjuis Film umgehend.

Filmkopien iranischer Klassiker zu beschaffen, ist eine mühsame Arbeit. Umso mehr sollte man sich die kleine, aber feine Auswahl von Filmen nicht entgehen lassen. Dies gilt insbesondere für die selten gezeigten Werke aus der Zeit vor der Revolution. Masoud Kimiais »The Deer« (1974) zeigt das Wiedertreffen zweier Freunde nach langer Zeit — beide sind mittlerweile aus der Gesellschaft ausgestoßen. Auf der Flucht nach einem Raubüberfall sucht Ghodrat bei dem heroinabhängigen Seyed Unterschlupf. Die beiden Freunde scheinen aneinander Halt zu finden, doch die Polizei ist Ghodrat auf den Fersen. Die Titelsequenz wurde von Abbas Kiarostami gestaltet, dem heute wohl welt­weit bekanntesten iranischen Regisseur.

Noch vor den Schwarzen Freitag am 8. September 1978, bei dem Soldaten das Feuer auf eine Demonstration in Teheran eröffneten, kündigte sich die Revolution mit einer Serie von Anschlägen an — unter anderem auf Kinos. Mohammad Reza Farzad rekonstruiert in »Blames and Flames« die Evolution einer Krise. Im August 1978 kommen bei einem Anschlag auf das Cinema Rex in Abadan während einer Vorführung von »The Deer« fast 400 Menschen ums Leben. Bis heute ist die Täterschaft umstritten: Waren es Islamisten oder die Geheimpolizei des Schahs? Die Menschen begannen jedenfalls die Kinos zu meiden.

Auch Masoud Kimiai hatte kein Glück mit den Zensoren nach der Revolution: »The Red Line«, der am letzten Abend der Filmreihe läuft, wurde stark zensiert. Die Ärztin Laleh heiratet darin Amani, sie weiß nicht, dass er für die Geheimpolizei des Schahs arbeitet. Als ihr Bruder den Behörden gemeldet wird, versucht Laleh mehr über ihren Mann herauszufinden und entdeckt sein Geheimnis.

Wessen Neugier durch diese Perlen der iranischen Filmgeschichte geweckt wurde, dem sei Nader Takmil Homayouns »Iran: A Cinematographic Revolution« empfohlen. Homayoun gibt einen kurzen Abriss der iranischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, um sich dann der Filmgeschichte des Landes zuzuwenden und Ausschnitte seltener Filme vor allem aus der vorrevolutionären Zeit zu zeigen. Unzählige Regisseure kommen in dem Film zu Wort und kommentieren ihre Werke.

Zu den wenigen Werken aus der Phase nach dem Fall der alten Ordnung und vor der Etablierung der neuen, zählen »Fresh Breath« (1979) von Kianoush Ayyaris und »For Freedom« (1980) von Hossein Torabi. Ayyari zeigt das Leben auf den Straßen Teherans inmitten der Revolution: Diskussionen, Spott auf den Schah, Drogenabhängige. Eine neu erwachte Lebendigkeit nach der Lähmung der letzten Monate. Torabi nimmt auch die offizielle, die große Politik in den Blick und zeigt das letzte Interview des Schahs vor dessen Flucht und die Ankunft Khomeinis, die beiden Fixpunkte der Umwälzungen des Jahres 1979 — unter deren Bann das Land bis heute steht.

Mi 27.11.–So 1.12.
Filmforum im Museum Ludwig, Filmclub 813, Café Schallplatte
Infos: 1979ir.de