»Vital und notwendig«: Die Nordhallen der Kölner Messe

Die Messediener

Die Untersuchung des Messe-Deals liegt vor. Das Gutachten kann keinen Skandal erkennen

»Das ist ernüchternd«, sagt Thor Zimmermann von der Ratsgruppe GUT. Er hat die rund 200 Seiten des Gutachtens über den Messe-Deal gelesen: »Immerhin haben wir jetzt ein Resultat«. Im März 2016 hatte Zimmermann die Initiative ergriffen und eine unabhängige Aufarbeitung des Deals zwischen Stadt, Messe, Stadtsparkasse und dem Troisdorfer Bauunternehmer und Fonds-Konstrukteur Josef Esch gefordert. Mit Kämmerin Gabriele C. Klug hatte Zimmermann damals eine Mitstreiterin im Stadtvorstand.

Ende 2003 hatten CDU, SPD, Grünen und FDP dem umstrittenen Geschäft zugestimmt, um den Sender RTL in Köln zu halten. Dafür habe man RTL das Messegelände in Deutz angeboten. Esch baute zum Ausgleich neue Hallen für die Messe im Norden des Areals. Die Messe musste dafür die neuen Hallen für 30 Jahre von Esch mieten — zu völlig überhöhten Preisen, wie Kritiker sagten. Der Fondsgesellschaft kam zugute, dass die Stadt sich unter Zeitdruck sah. RTL habe gedroht, Köln zu verlassen. Die Politiker der Ratsfraktionen beteuerten später, sie hätten das komplexe Vertragskonstrukt gar nicht durchdringen können.

»Wir haben in der Untersuchung nichts aufgedeckt, was nicht auch die Staatsanwaltschaft gefunden hätte«, sagt der Sozialwissenschaftler Peter Graeff von der Uni Kiel, der den Messe-Deal untersucht hat. »Das war auch nicht unser Anspruch.« Die Gerichtsprozesse rund um den Messebau verliefen für Kritiker des Deals enttäuschend: Als einziger Angeklagter wurde Ex-Stadtsparkassen-Chef Gustav Adolf Schröder verurteilt — nicht wegen Bestechung, sondern wegen Untreue. Es habe beim Messe-Deal unbestritten juristische und ethische Schwierigkeiten gegeben, so Graeff. Doch müsse man heute einräumen, dass der Bau der Messe nicht nur denen gedient habe, die den Auftrag bekamen. »Die Hallen sind vital und notwendig für die Köln-Messe, die Steuereinnahmen der Stadt sprudeln. Auch hat sich bestätigt, dass RTL für den Medienstandort Köln wichtig war.«

Zu dem Ergebnis, der Deal habe einen »erheblichen wirtschaftlichen Erfolg« für Köln bedeutet, sei er in der Untersuchung aber nicht gekommen, sagt Graeff. Dies hatte der Kölner Stadt-Anzeiger über das Gutachten berichtet. »Diese Darstellung ist falsch«, so Graeff.

Jetzt, wo das Gutachten vorliegt, ist die damalige Kämmerin Klug nicht mehr im Amt. Sie hatte 2016 die Untersuchung durch Graeff als einzigartiges Bemühen um Transparenz und Aufarbeitung dargestellt. Drei Jahre später verhindert ihre Nachfolgerin Dörte Diemert nun die Veröffentlichung des Gutachtens; die Anwälte der Stadt hatten davon abgeraten, weil Persönlichkeitsrechte der Gesprächspartner von Graeff verletzt werden könnten. Allerdings war die Verwaltung auch nicht in der Lage oder willens, eine geeignete Fassung anzufertigen, wie Thor Zimmermann kritisiert. »Das war Bestandteil unseres damaligen Beschlusses!« Im November beschloss der Rat, dass ein öffentliches Symposium im Sommer 2020 stattfinden soll, vor den Kommunalwahlen im Herbst.

Jörg Detjen, Fraktionschef der Linken, ist enttäuscht. Im Gutachten stehe nichts, was nicht schon durch Journalisten aufgedeckt worden sei. 300 Mio. Euro Verlust habe die Stadt mit dem Messe-Deal gemacht, sagt Detjen. Dazu komme der massive Vertrauensverlust der Bürger in Politik und Verwaltung. »Wenn ich dann dort lese, aus wissenschaftlicher Sicht habe der Deal für alle nur Vorteile gehabt, dann stehen mir die Haare zu Berge«, sagt er. Für Detjen ist wichtig, dass sich ein solcher Deal nie wiederholt: »Das darf es nicht mehr geben, dass die Stadt einem Investor ohne Ausschreibung ein Grundstück verkauft, das sie dann von ihm zurückmietet.« Aber er hat kaum Hoffnung: »Es passiert ja immer wieder, etwa beim Kita-Bau.«

Gutachter Peter Graeff aber stellt nach seinen Gesprächen und Recherchen fest: »Von den verheerenden politischen Verhältnissen der Nuller Jahre sind wir heute weit entfernt, die Kultur hat sich wirklich geändert«

Aber reicht das? Ihr sei wichtig, sagte Kämmerin Klug vor drei Jahren, dass die Stadt etwas aus der Untersuchung lerne. Die Resultate sollten gar Grundlage einer »Zukunftswerkstatt« mit der Öffentlichkeit sein. Für eine Stellungnahme, ob das Gutachten nun dazu tauge, war Klug nicht zu erreichen.

Thor Zimmermann hofft auf das öffentliche Symposium im kommenden Jahr. Bis dahin will Korruptionsforscher Graeff auch eine Version des Gutachtens veröffentlichen, die auch die Rechtsanwälte der Stadt ruhig schlafen lässt. »Eine Aufarbeitung, die einzigartig und vorbildlich hätte sein können, droht sonst zu scheitern«, sagt Zimmermann. »Das wäre ganz schlechte PR für die Stadt.«