Erlesenes

Vor Weihnachten werden die Buchhandlungen mit Kochbüchern geflutet — welche braucht man?


Mit Blick auf eine Bücherwand fragt mancher: Hast Du das alles gelesen? Mit Blick auf die Kochbücher in der Küche könnte die Frage lauten: Hast Du das alles gekocht? Es gibt sehr viele Kochbücher, vielleicht zu viele. Die Spanne reicht vom Begleitprogramm für Fitness und Diäten bis zu den physikalischen Versuchsanleitungen der modernist cuisine. Halbprominente Starlets preisen fotogene Bowls mit Superfood an, hochrangige Küchenchefs verraten ihre Tricks, die niemand daheim wird nachahmen können. Dazu kommen Kochbücher für Kochmuffel oder für Menschen, die alles grillen wollen, selbst Desserts. Es gibt sogar Rezeptsammlungen speziell für Autonarrren, Cineasten, Langschläfer. Das Kochbuch ist zum Verlegenheitsgeschenk geworden, so wie es früher vielleicht die Orchidee oder die Krawatte war. Aber was braucht jemand, der gern kocht und isst, wirklich? Wie vermeidet man, anderen bloß Altpapier unter den Christbaum zu legen?


Es sollten Bücher sein, die beides wecken, den Appetit, aber auch den Ehrgeiz, besser zu kochen; und zwar nicht nur für Besuch, den man beeindrucken will, sondern im Alltag. Dafür bieten sich zwei Genres an: entweder ein Grundkochbuch, das ganz von vorn beginnt: mit dem Binden von Soßen, dem Bereiten von Fonds und dergleichen. Oder aber eine Geschmacksschule, die uns von den ausgetrampelten Wegen der gängigen Kombinationen zu neuen sensorischen Abenteuern führt.


Also keine Rezeptsammlungen von Sterneköchen mehr? Doch! Aber nur dann, wenn klar ist, dass der Beschenkte das gar nicht kochen soll! Wie das? In der Literaturwissenschaft kennt man den Begriff des »Lesedramas«. Von der Form her zwar Theaterstück, taugt es allerdings gar nicht zur Aufführung — zu komplex, zu ­aufwändig. So wie es Lesedramen gibt, gibt es Leserezepte. Man schmökert darin, obwohl sie umzusetzen schier unmöglich ist. Dennoch lernt man bei der Lektüre viel über Kulinarik. Wem das ein zu theoretischer Zugang ist, der benötigt etwas anderes: einen Geschenk-Gutschein! Der ist zwar ebenso in Verruf geraten wie Orchideen und Krawatten — aber dennoch das Gebot der Stunde: eine Einladung in ein sehr gutes Restaurant. Dort kann man sich dann auf gelungene Gerichte freuen, entspannt plaudern und muss anschließend nicht die Küche aufräumen.