Das  letzte  Fest – Weihnachten  im  Klima­notstand – Teil 1

Weihnachten ist das Fest der Liebe — und der Verschwendung. In der Adventszeit werden millionenfach Pakete durch Deutschland gefahren und Flugtickets für den Familienbesuch gebucht. Nach dem Fest landen die Bratenreste im Müll und der Tannenbaum auf der Straße. Klimafreundliche Weihnachten — geht das überhaupt? Und ist das dann noch feierlich? Wir haben Kölner nach ihren Weihnachtsplänen gefragt und Tipps für ein nachhaltigeres Fest gesammelt.

 

»Zeit statt Zeug«

Wie gelingt ein festliches Weihnachten im Klimanotstand?
Indra Enterlein vom Naturschutzbund Deutschland hat ein paar Tipps


Frau Enterlein, Weihnachten und Nachhaltigkeit — passt das zusam­men?

Natürlich! Weihnachten ist ein christliches Fest. ­Menschen kommen zusammen und feiern, dass Jesus geboren ist. Was soll da nicht zusammen gehen? Die Frage ist allerdings dann berechtigt, wenn man Weihnachten nur mit Geschenken und ­Konsum assoziiert.

Wie kann man verhindern, dass Weihnachten zum Konsumwahnsinn wird?

Weihnachten feiern hat viel mit Familientradition zu tun. Die Frage ist, wie man diese Tradition gestaltet, mit welcher Haltung man die Festtage begeht. Die erste Frage ist: Brauche ich das? Die zweite: Wenn ich es brauche, wie kann es nachhaltig umsetzen? Dann gelten klassische Konsumtipps und Labelempfehlungen. Essen, Geschenken, Mobilität — es gibt immer bessere und schlechte Alternativen.

Bleibt das Festliche an Weihnachten dann nicht auf der Strecke?

Nein. Nehmen wir das Essen: Nachhaltiges Weihnachten muss nicht heißen, dass das Menü vegetarisch ist, obwohl es dafür mittlerweile tolle Ideen und Rezepte gibt. Es kann auch bedeuten, dass man als Familie zwar eigentlich wenig Fleisch isst, sich an Weihnachten aber einen Braten gönnt. Dann natürlich bio und aus der Region.

Was wird in Bezug auf Nachhaltigkeit an Weihnachten unterschätzt?

Deko! Wenn man sich anschaut, was Discounter an LED-Lichterketten raushauen, von denen die meisten batteriebetrieben sind … das ist in ein, zwei Jahren alles Elektroschrott. Als Baumschmuck sind Stroh­sterne oder getrocknete Äpfel am ökologischsten. Vor allem ist aber sinnvoll, seinen Baumschmuck jedes Jahr wieder zu verwenden. Wenn man den Keller voller Plastik-Weihnachtsdeko hat, ist es nicht nachhaltiger, das alles wegzuschmeißen, um sich mit neuer Deko aus umweltverträglichem Material einzudecken.

Weihnachten ist auch ein Fest des Verpackungsmülls.

Man kann Stoffsäckchen in verschiedenen Größen nähen. Die muss man allerdings mehrere Jahre verwenden, damit sie ökologisch wirkungsvoll sind. Wenn man Geschenkpapier verwenden möchte, empfehlen wir Produkte aus Recyclingpapier vom Blauen Engel. Die sind frei von Kunststoffen.

Geschenke sind oft ein Streitpunkt.

Da gilt der Grundsatz: Zeit statt Zeug! Für ein gemeinsames Essen oder einen gemeinsamen Ausflug. Interessant ist doch, dass Minimalismus dem Zeitgeist entspricht. Viele Menschen sind glücklicher, wenn sie nicht zu viel anhäufen. Aber an Weihnachten schenkt man aus dem Tchibo-Regal in volle Küchen und volle Keller. Eine andere Möglichkeit sind Sinn-Geschenke, zum Beispiel Spenden. Das DZI-Spenden­siegel stellt sicher, dass die Organisation, der man spendet, ver­trauenswürdig ist. Es gibt in dem Bereich auch viele Angebote vor Ort, die man unterstützen kann, zum Beispiel Kältebusse.

Und wenn es doch etwas Materielles sein soll?

Dann gelten die klassischen Konsumempfehlungen. Bei Elektrogeräten hat das Ökoinstitut die »Eco Top 10« aufgelistet. Vom Haartrockner über den Fernseher bis zum E-Book-Reader findet man die ökologisch beste Variante. Bei Handys oder Laptops sollte man überlegen, ob man die Geräte gebraucht kaufen kann. Da gibt es viele günstige Angebote von sehr guten Geräten.

Ein Ausflug oder ein gebrauchter Computer. Wie erklärt man das dem Opa, der seine Enkelin reich beschenken will?

Das ist ein Prozess. Im ersten Jahr denken Großeltern vielleicht noch, dass ein Ausflug kein Geschenk sei, weil Kinder nichts Bleibendes davon hätten. Wenn sie aber merken, dass die Kinder von diesem Ausflug reden, schenken Oma und Opa im nächsten Jahr vielleicht wieder einen Ausflug. Man muss als Familie Erfahrungen sammeln. Das muss man besprechen und manchmal auch verhandeln — am besten nicht erst an Heiligabend.

Das klingt anstrengend.

Vielleicht geht es mit einer erneuerten ­Tradition aber auch allen besser. Überkonsum bedeutet ja auch Stress. Und der Stress an Weihnachten wird nicht weniger, wenn man bei allem nach der ökologischsten Variante sucht. Der Stress wird erst weniger, wenn man alles etwas kleiner und von allem etwas weniger macht.

 

 

Giftgrüner Kahlschlag

Weihnachtsbäume sind Verschwendung. Nachhaltige Alternativen gibt es kaum

 

Sie werden im Oktober geschlagen, oft Hunderte Kilometer transportiert und in Kühlhäusern gelagert — nur, um nach dem Fest am Straßenrand zu landen. Jährlich werden 24 Millionen Tannenbäume größtenteils in Monokulturen angebaut und dabei stark gespritzt und gedüngt. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) testete vor zwei Jahren die Nadeln von Weihnachtsbäumen an mehreren deutschen Verkaufsstellen: Dreiviertel der Bäume waren belastet. Es wurden neun verschiedene Pestizide nachgewiesen, fünf davon zählen zu den gesundheitsschädlichsten Pflanzenschutzmitteln, die derzeit in der EU eingesetzt werden, unter anderem auch Glyphosat. »Die Gifte gelangen in Böden und Gewässer, sie schädigen Insekten und zerstören Nahrungsquellen und Lebensräume weiterer Nützlinge«, heißt es beim Nabu. Möglicherweise dünsten die Pestizide in beheizten Räumen in die Luft aus.

Umweltorganisationen raten daher, zertifizierte Bio-Weihnachtsbäume von Bioland, Naturland oder Demeter zu kaufen, die in der Region wachsen. Zu den Bio-Kriterien gehört der Verzicht auf Kahlschlag, Pestizide und Entwässerungsmaßnahmen. Auch Bäume aus FSC-zertifizierten Forstbetrieben sind frei von Schadstoffen. Die Umweltorganisation Robin Wood stellt jedes Jahr eine Liste mit Verkaufsstellen für Bio-Weihnachtsbäume zusammen.

Ein neues Geschäftsmodell ist auch der Weihnachtsbaum im Topf. Die meisten Anbieter holen den Baum nach Neujahr ab, um ihn wieder einzupflanzen. Wie nachhaltig das wirklich ist, ist unter Umweltschützern umstritten. Denn weniger als die Hälfte der Bäume überlebt das. Der Temperaturunterschied zwischen Wald und Wohnzimmer macht dem Baum zu schaffen, oft werden auch die Wurzeln beim Umpflanzen verletzt. Außerdem ist der Topf allein nicht klimafreundlich, deshalb soll der Baum aus der Region stammen und ein Bio-Label tragen. Ein Plastikbaum ist übrigens auch keine gute Wahl: Wie ein Wissenschaftler der Universität von Pennsylvania analysiert hat, entspricht dessen öko­logischer Fuß­abdruck dem von 20 natürlichen Weihnachtsbäumen.

 

 

Müll, Pestizide, Akkordarbeit

Der Konsumrausch in Zahlen

 

24 Mio.

Weihnachtsbäume werden laut Bundesverband der Weihnachts­baumerzeuger jedes Jahr verkauft — und auch kräftig gespritzt, wie der BUND vor zwei Jahren in einer Stichprobe feststellte. Der Test wies neun verschiede­ne Pestizide nach, von welchen fünf zu den gefährlichsten zählen, die derzeit in der EU eingesetzt werden. Nur weniger als ein Prozent der Weihnachtsbäume wächst unter kontrolliert ökologischen Bedingungen heran.

33 %

mehr Energie als im Jahresdurchschnitt verbrauchen die deutschen Haushalte laut dem Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft am 25. Dezember.

330 Mio.

Pakete wurden laut Bundesverband Paket und Expresslogistik 2018 vor Weihnachten an Privat­haushalte verschickt, an einem Tag sogar mal 18 Millionen. Dafür wurden 25.000 zusätzliche Zusteller angeheuert. Allein bei der Deutschen Post waren in den vergangenen Jahren dafür 12.000 Transportfahrzeuge mehr im Einsatz.

102 Mrd.

Umsatz im Weihnachtsgeschäft erwartet der Einzelhandel in diesem Jahr — das sind 3,2 Prozent mehr als 2018. Allein im Onlinehandel geben die Deutschen 15 Milliarden Euro aus.

144 Mio.

Schoko-Nikoläuse wurden laut Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie im vergangenen Jahr produziert. In westafrikanischen Ländern hat der Kakaoanbau den Regenwald nahezu vollständig zerstört. Nach Angaben der NGO Robin Wood wird nur ein Bruchteil der in Deutschland konsumierten Schokolade nach fairen Bedingungen produziert.

100 Mio.

Geflügeltiere werden laut Zen­tralverband der Geflügelwirtschaft bundesweit in der Ad­vents­zeit verspeist. Gän­se und Enten kommen meist aus Frankreich oder Ungarn, wo das tierquä­lerische Stopfen der Tiere für die Erzeugung von Gänsestopfleber erlaubt ist.

20 %

mehr Papierabfälle als im Jahres­durchschnitt produzieren die Deutschen zwischen Weihnach­ten und Neujahr laut Deutscher Umweltstiftung. Vor allem Geschenkverpackungen sind Schuld. Von beschichtetem Papier sollte man die Finger lassen — es kann nicht recycelt werden. Altes Zeitungspapier, bestempelt oder bemalt, sieht auch hübsch aus.

285 €

Euro gaben die Deutschen im Jahr 2017 pro Kopf für Geschenke aus. Das hat die Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg errechnet.

220.000 t

Kerzen aus Paraffin oder Palmöl werden jedes Jahr in Deutschland verkauft. Kerzen aus Bienenwachs sind die umweltfreundlichste und gesundheitlich unbedenklichste Variante, machen aber nur 0,5 Prozent aus. Beim Ab­bren­nen entstehen Feinstaubpar­tikel, bei billigen Paraffin-Kerzen kann zusätzlich Schwefeldioxid freigesetzt werden. Wer Abstriche an der hyggeligen Atmosphäre in Kauf nimmt, kann auf energiesparende ­LED-Kerzen zurückgreifen.