Das  letzte  Fest – Weihnachten  im  Klima­notstand – Teil 3

»Nichts schenken, ist doch bekloppt!«

Kann der Papst helfen, zeitgemäß Weihnachten zu feiern? Nicht nur, aber auch, sagt der katholische Pfarrer Franz Meurer aus Höhenberg / Vingst

Weihnachten korrekt feiern — wer wüsste besser, wie das geht, als die christlichen Kirchen? Also nachgefragt in der Kirchengemeinde St. Theodor und St. Eilsabeth in Höhenberg / Vingst, die sich Hövi-Land nennt und von Pfarrer Franz Meurer geleitet wird. Für Meurer, den sie schon mal »Don Camillo« nennen, bedeutet Christentum vor allem Gemeinschaft. Sein oberster Dienstherr auf Erden ist der Papst in Rom. Das ist seit 2013 Franziskus, der ebenso wie Meurer die Frage von Armut und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt. Mit seiner Enzyklika »Laudato si« hat Franziskus 2015 für Wirbel gesorgt, denn darin geht es um den Klimawandel, drei Jahre, bevor Greta Thunberg erstmals vor dem schwedischen Reichstag protestierte. Die kapitalismuskritische »Umwelt-Enzyklika« erhielt auch von Klimaforschern und Umweltgruppen Zuspruch. »Ich finde an der Enzyklila super«, sagt Pfarrer Meurer, »dass darin alle Lebewesen betrachtet werden, nicht nur die Menschen, und dass das Thema Klimaschutz hier mit der Frage der Armut verbunden wird — die Frage der Gerechtigkeit wird neu gestellt.«

Muss man mit Blick auf Gottes Schöpfung also Weihnachten anders feiern? »Ja klar«, sagt Meurer. Und soll man sich Weihnachten überhaupt noch etwas schenken? »Natürlich! Alles andere ist doch bekloppt«, sagt Meurer. »Aber man braucht kein Geld, um Geschenke zu kaufen. Es geht um Ideen!« Man könne Kindern auch Zeit schenken. »Aber nicht nur Zeit, sondern auch Demokratie! Jedes Kind kann ein Wochenende entscheiden, was unternommen wird. So etwas finden Kinder sauspannend!« Wenn er die Kommunionkinder frage, was das Schönste gewesen sei, dann sagten die fast immer: Das gemeinsame Grillen. Es gehe um Gemeinschaft. »Arm ist nicht der, der kein Geld hat, sondern der, der keine Freunde hat.«

Man solle Kreativität und Phantasie verschenken, sagt Meurer, und diese Geschenke an Themen binden, die den Beschenkten wichtig sind. »Zurzeit ist allen — christlich gesprochen — Verantwortung für die Schöpfung wichtig. Also muss man doch beim Schenken an Ökologie und Nachhaltigkeit andocken!« Gemeinsam ein Insektenhotel bauen, sich in Naturprojekten engagieren, selbst die Natur erkunden. Das könne dann auch der Ausflug zum Wildpark in der Nähe sein. Ist es nicht schrecklich für einen Pfarrer, wie das Weihnachtsfest kommerzialisiert wird? Weil es das Fest pervertiert und der Konsum die Schöpfung ruiniert? Meurer sagt: Den Kommerz an Weihnachten zu verurteilen, bringe gar nichts. »Man kann nur dafür sorgen, dass es schönere Sachen gibt, die man nicht für Geld kaufen kann.«

Text: Bernd Wilberg

 

Der neue Luxus

Ideen für ein nachhaltiges Weihnachtsmenü

Gänsebraten, Rehkeule oder Lachs im Blätterteig — zusammen mit Würstchen und Kartoffelsalat am Heiligen Abend zeigen unsere gut­bürgerlichen Vorlieben beim Weihnachtsessen, dass wir oft weit entfernt sind von nachhaltiger Ernährung. Am 25. Dezember kann man das Wirtschaftswunder noch herausschmecken. Denn auch wenn wir im Alltag vielleicht längst zu Grünkohl-Smoothie oder Latte Macchiato mit Hafermilch im Recup-System neigen, rund um das Jahresende sehen wir das meist nicht so eng mit der Nachhaltigkeit. Einmal im Jahr soll alles so sein, wie es immer schon war, und das schlechte Gewissen erlösen wir ab Neujahr mit guten Vorsätzen.

An dieser Stelle eine Idee, mit der das Weihnachtsmenü spielerisch ein bisschen nachhaltiger gemacht werden kann. Eine challenge, mit der entweder die traditionellen Familienrezepte nachhaltiger gemacht oder ganz neue Traditionen begründet werden. Wer schafft das ökolo­gisch korrekteste und trotzdem aufregendste, leckerste, beste Gericht? Die Regeln im Detail bestimmt man am besten gemeinsam. Während der Vorbereitungen kann man einander per SMS auf dem Laufenden halten und vielleicht sogar das eine oder andere Instagram-taugliche Foto produzieren. Ein idealer Einstieg für die guten Vorsätze im neuen Jahr!

Text: Johannes J. Arens

 

 

Challenge 1

Luxus ja, aber welchen?

Das Weihnachts­essen soll etwas Besonderes bleiben. Aber kann es trotzdem nachhaltig sein? Im ersten Schritt alle Wunsch­gerichte auf Zettel schreiben und gemeinsam nach Prioritäten sortieren. Was ist mir wich­tig? Worauf kann ich keinesfalls verzichten, und was könnte man auch mal anders machen? Im zweiten Schritt das gleiche mit den Zutaten für die ausgewählten Gerichte tun und auch hier eine bewusste Auswahl treffen. Wie viel Luxus wollen wir uns leisten, und warum gerade mit diesem Produkt? Wenn nicht — was könnte stattdessen glücklich machen?

Challenge 2

Kilometer zählen

Besteht das Weihnachts-Modell darin, dass einzelne Menschen, Paare oder kleine Gruppen jeweils einen Gang kochen? Dann einfach die Transport­kilometer der Zutaten gegeneinander aufrechnen. Reh aus der Eifel sticht Hirsch aus Neuseeland, die Annabelle aus Frechen schlägt die Süßkartoffel aus den USA, Manda­rinen aus Spanien gehen vor Trauben aus Indien ... So wird deutlich, welche enormen Transportwege einzelne Produkte zurückgelegt haben. Und es geht um Kreativität — wenn ein hiesiges Ersatzprodukt das eigene Team um Längen nach vorne bringt.

Challenge 3

Komfortzone verlassen

Den Einkauf mal nicht bequem in einem Rutsch im Supermarkt erledigen, sondern vorab untereinander aufteilen. Alle müssen dabei mindestens eine Zutat zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der KVB direkt vom Erzeuger besorgen. Produkte, die auf dem Wochenmarkt und nicht im Supermarkt gekauft werden, bekommen immerhin halbe Punktzahl. Dabei lernt man die Infrastruktur der Region kennen, spaziert vielleicht zu einem Hofladen, den man sich längst mal anschauen wollte, oder stellt fest, dass der Besuch eines Wochenmarkts doch gut mit dem eigenen Tagesablauf zu vereinbaren ist.

 

 

 

Oh du ökige ...

Bei Essen und Kleidung ist Nachhaltigkeit schon lange Thema. Wie aber sieht es mit Spielzeug aus?

Nirgendwo zeigt sich der Konsumrausch eindrucksvoller als in den Spielwarenabteilungen zur Adventszeit. Rund 40 Prozent ihres Jahres­umsatzes macht die Spielzeugindustrie allein in diesen Wochen. Macht sich auch in dieser Branche ein Trend zu nachhaltigeren Produkten bemerkbar? »Bei der jungen Elterngeneration merkt man, dass sie stärker ökologisch orientiert einkaufen«, sagt Steffen Kahnt, Geschäftsführer des Bundesverbands des Spielwaren-­Einzelhandels (BVS). Dies sei bei Spielwaren im Gegensatz zu Kleidung oder Essen aber gar nicht so einfach — vor allem, wenn die Spielzeuge aus vielen Einzelteilen bestehen, in mehreren Produktionsschritten angefertigt wurden oder elektronische Elemente hinzukommen. »Oft werden Spielzeuge als ökologisch beworben, die aus wenigen Stoffen bestehen, zum Beispiel ganz bestimmte Bausteine oder Plüsch.« Selbst Hersteller, die Produkte aus nur einem Material anbieten, haben damit jedoch ihre Schwierigkeiten. Der schwä­bische Tierfiguren-Produzent Schleich zum Beispiel experimentierte schon vor zehn Jahren mit Bio-Kunststoffen aus Flüssigholz. Doch in den Handel gelangte davon nichts. »Die Ergebnisse waren haptisch nicht überzeugend, und die Farbe haftete nicht gut«, so Unternehmenssprecherin Helena Seppelfricke.

Auch hat das Bundesumweltamt den sogenannten Bio-Kunst­stoffen schlechte Zeugnisse ausgestellt: Durch den Anbau von Pflanzen für diese Kunststoffe versauerten Böden und die ­Feinstaub-Emissionen seien höher. Insgesamt sei kein Vorteil gegenüber herkömmlichen Kunststoffen erkennbar. Zudem heißt Bio-Kunststoff noch lange nicht, dass das Material auch ­biologisch abbaubar ist. Doch davon lassen sich die Spielzeughersteller nicht beirren. Der Marketingeffekt ist offenbar zu groß: Lego wirbt mit seinen Bio-Bäumchen auf Zuckerrohr-Basis. Die Bäume gehören auch zu Legos neuem Set, dem motorisierten Modell einer Windkraftanlage für knapp 180 Euro — mit Batterie­betrieb. Auch Play­mobil springt auf den Öko-Zug auf — wenn schon nicht beim ­Material, dann wenigstens in der Produktwelt: Den Bioladen gibt’s schon für 34,99 Euro. »Kinder wollen den way of life ihrer Eltern nachspielen. Insofern spiegelt das Spielzeug ­einfach nur die Welt der Eltern wider«, so Steffen Kahnt vom BVS. Gerade Lego-Bausteine würden oft über Generationen weiter­vererbt. Und dann kann sich ­auch die Klimabilanz von Plastik­spielzeug sehen lassen.

Text: Anne Meyer