Zusammenhänge auch da, wo sie keiner vermutet: Fka Twigs

Federleicht geerdet

Fka Twigs schöpften aus dem Zersprengten neuen Soul

 

Dieses Zerdehnte, Zerklüftete, dieses unterkühlte Sound-Design, das auf die Außerkraftsetzung unseres Zeitgefühls setzt — diese Entschleunigung: Das kennen wir doch, das stammt doch von … richtig, Nicolas Jaar. Die Britin Tahliah Barnett, allen bekannt als Fka Twigs, hat ihr neues Album »Magdalene« in den letzten drei Jahren mit Jaar aufgenommen. Man hört das sofort, ist ja auch gar nicht schlimm. Vor zehn Jahren hat­te Jaar mit seinem Debüt »Space is only Noise« das Techno-Genre regel­recht revolutioniert: Denn Techno war bis dahin ZEIT (die rigide durch­getaktete Bass­drum), und Jaar löste in seinen gekrümmten Klangflächen diese ZEIT einfach auf.

Fka Twigs will aber nicht einfach an Jaars Mastermind partizipieren. Im Gegenteil, sie versteht es, diese ätherische Ästhetik zu erden: Sie ist ja Tänzerin und konsequenterweise auf Bodenkontakt angewiesen, in ihren Performances verbindet sie Rhythmus mit einem weit ausgreifenden Raumgefühl. Vor allem aber ist sie Sängerin, ihre Stimme und Texte verbinden die disparaten Track-Elemente zu überraschend kunstvollen Einheiten. Es sind nicht wirklich Songs, die sie singt, die Melodien schlängeln sich durch zersprengte Soul-, HipHop- und R’n’B-Fragmente, bahnen sich ihren eigenen Weg.

Erstaunlich, wie man mit einer im Prinzip sehr unkonventionellen und rhythmisch verwegenen Pop-­Mu­sik so großen Erfolg haben kann. »Mag­dalene« ist jedenfalls eines der am sehnsüchtigsten erwarteten Al­ben dieses Jahres. Jaar, James Blake, Ibeji — um nur wenige zu nen­nen — und jetzt Fka Twigs arbei­ten weniger mit Formen — eher mit Erin­nerungen an diesen — und »mani­pu­lieren« direkt Emotionen und Stimmungen. Sie gehen nicht mehr (of­fen­sichtlich) den Umweg über Strophe und Refrain, sondern kombinieren Klänge, die für Tiefe, Melan­cholie, Sehnsucht und Klage, manch­mal Erlösung stehen. Das über­schreitet mittlerweile häufig die Grenze zum Beliebigen und also Kit­schigen. Als Tänzerin ist Fka Twigs dem aber — wortwörtlich — einen Schritt voraus. Es geht bei ihr handfester zu, auch verspielter. Es lohnt sich, auf ihre neuen Shows zu warten.

Tonträger: Fka Twigs, »Magdalene« (Young Turks / Beggars)