Doors of Perception: Das Roxy lädt ein

Der letzte Pilgerort

Im Dezember feiert das »Roxy« am Ring sein 45-jähriges Bestehen

Kultladen, Tanzbar, Club: Das eigenwillige Auftreten im Zeitalter von DJ-Hysterie und Smartphone-Wahn ist nicht immer einfach. Tobias Becker, selbst Veranstalter und Musik-Nerd seit frühen Jahren, übernahm 2012 das damals schwer angeschlagene Roxy. Der Laden galt als Absturzkneipe und stand kurz vor dem Aus. Warum man sich entschied, entgegen aller Risiken das schon gesunkene Schiff wieder flott zu machen und wie sich das Roxy entgegen aller doktrinären Szene-Tendenzen zum Guten gewandelt hat, erfahrt ihr in unserem Interview.

Tobias, wie bist dazu gekommen, den ehrwürdigen, aber fast schon totgeglaubten Laden am Ring zu übernehmen?

Anfangs sollte ich nur das Booking machen und auflegen. Nach kurzer Zeit wurde ich dann der Betreiber, weil meine Geschäftspartner andere Visionen verfolgten. Ich wollte einen Ort schaffen, bei dem es in erster Linie um gute Musik und einen speziellen Vibe geht. Auf einmal musste ich einen ganzen Club führen! Die ersten Wochen stand ich noch mit an der Tür, wir haben 90 Prozent der Gäste außen vor gelassen.

Wieso das? Was war die Ausgangs­situation?

Der Laden war runter­gewirtschaftet worden, es verkehrte ganz schräges Publikum dort. Ob wir den Laden umbenennen oder das schon gesunkene Schiff wieder flott machen wollten, war die wichtigste Frage.
Im Nachhinein war die Entscheidung, beim Roxy zu bleiben, goldrichtig.

Wie würdest Du die Geschichte des Roxy skizzieren?

Erst öffnete der Laden 1974 auf der Maastrichter Straße. Damals war es mehr Künstlerkneipe als Club. Musiker waren hier anzutreffen oder nutzten die Räumlichkeiten auch für ihre Aufnahmen. 1983 war das alte Roxy zu klein geworden, und man zog auf die Aachener Straße 2. Auch wegen der Nachbarn. Damals existierte noch Sperrstunde, aber Gründer Horst Leichenich schloss erst dann zu, wenn der letzte Gast sein Glas geleert hatte. Nachtschwärmer fanden immer eine Anlaufstelle, weshalb sich hier Leute aus verschiedensten Berufen und Schichten mischten. Der Neon-Schriftzug über der Tür stammt noch vom alten Kino in der Südstadt. Horst Leichenich tauschte es gegen zwei Kisten Kölsch ein.

Du selbst bist fast so alt wie das Roxy und legst seit über 20 Jahren auf. Wie hat sich aus deiner Sicht das Clubbing verändert?

Es gab früher diverse Gründe, um in einen Club zu gehen. Man konnte dort die neuesten Geschichten seiner Freunde erfahren, ein Mädel kennenlernen und Musik hören, die es so gut wie nirgendwo anders gab. Heute hat man alles in der Hosentasche: Tinder für die Romanze, Instagram für die Freunde und Musik von Youtube. Das Essen bringt Foodora, Netflix sorgt für die Unterhaltung! In den 90ern waren die Clubs noch richtige Pilgerorte. Heute geht es eher um einzelne Events. Es ist egal, ob Nina Kraviz in der Turnhalle in Euskirchen oder im Club spielt.

Was unterscheidet das Roxy von anderen Clubs?

Ich bin kein waschechter Gastronom und setze daher die Prioritäten anders, bei mir kommen Musik und Sound immer an erster Stelle. Das Roxy steht für sich und hat es geschafft, sich vom gegenwärtigen Booking-Wahnsinn zu lösen. Wir arbeiten fast nie mit Agenturen zusammen und haben einen Stamm an guten Residents. Die kennen unsere Gäste am besten und wissen, wie man eine gute Party feiert. Ein respektvoller Umgang mit den Gästen ist uns wichtig. Die Doris an der Theke — ein eigenes Universum für sich, aber halt auch nicht jedermanns Sache! Das alles schafft den einzigartigen Roxyvibe.


Wie wirkt sich sowas auf euer Publikum aus? Wer geht ins Roxy?

Das Publikum ist zwischen 20 und 70, offen, musik-begeistert und mit einem guten Herzen! Hater, Möchtegerns und Hipster mögen das Roxy nicht. Das funktioniert ganz von selbst, wie ein natürlicher Filter.

Nun feiert ihr den 45. Geburtstag. Wird es überhaupt noch Überraschungen geben, oder bleibt bei euch alles beim Alten?

»Never change a running system«. Das Roxy spiegelt das Leben wider, da gibt es immer Höhen und Tiefen. Mit dem Alter kommt Gelassenheit, wir sind mit dem Status Quo zufrieden. Es gibt verschiedene Abende von neuen und alten Veranstaltern, aber ehrlich gesagt sind die eigenen meistens unsere Lieblingsabende. Weil da alles vom Flyer bis zum letzten Track aus einer Hand kommt. Wir sind zwar offen, aber die letzten 40 Jahre Musikgeschichte geben so viel her, dass man das Rad nicht neu erfinden muss. Den Geburtstag feiern wir deshalb mit unseren Engsten, einen großen DJ zu buchen, kam für uns nicht in Frage. Wir feiern das Roxy und auch uns selbst! Das geht nur in familiärem Ambiente mit den Künstlern, die das Roxy wie ihre Westentasche kennen.